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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Die Organisation der Gerichte und der Schlichtungsbehörde ...
Erwägung 3
Erwägung 3.2
Erwägung 4
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59. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Spahn und Mieterinnen- und Mieterverband Zürich gegen Rauber und Bezirksgericht Meilen Gerichtsleitung (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
1C_634/2014 vom 14. September 2015
 
 
Regeste
 
Art. 122 Abs. 2 BV; Art. 3 sowie 200 Abs. 1 ZPO; Grundsatz der paritätischen Vertretung bei den Paritätischen Schlichtungsbehörden in Miet- und Pachtsachen.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 141 III 439 (440)A. Mit Beschluss vom 3. Juni 2014 wählte das Bezirksgericht Meilen die Mitglieder der Paritätischen Schlichtungsbehörde in Miet- und Pachtsachen des Bezirks Meilen für die Amtsdauer 2014-2020. Mieterseits wählte es neben vier weiteren Personen die bereits bisher als Mitglied der Schlichtungsbehörde amtierende Barbara Rauber, welche vom Mieterinnen- und Mieterverband Zürich nicht mehr zur Wahl vorgeschlagen worden war. Die ebenfalls kandidierende und vom Mieterinnen- und Mieterverband Zürich zur Wahl vorgeschlagene Regula Spahn wurde nicht gewählt.
B. Gegen den Beschluss des Bezirksgerichts vom 3. Juni 2014 erhoben Regula Spahn sowie der Mieterinnen- und Mieterverband Zürich Rekurs ans Obergericht des Kantons Zürich mit dem Antrag, der angefochtene Beschluss sei insofern aufzuheben, als Barbara Rauber als Mitglied der Schlichtungsbehörde gewählt worden sei. Als Mitglied der Schlichtungsbehörde sei Regula Spahn einzusetzen, eventualiter sei das Bezirksgericht anzuweisen, Regula Spahn statt Barbara Rauber als Mitglied der Schlichtungsbehörde zu wählen. Mit Beschluss vom 27. Oktober 2014 wies das Obergericht den Rekurs von Regula Spahn sowie vom Mieterinnen- und Mieterverband Zürich ab.
C. Gegen den Beschluss des Obergerichts vom 27. Oktober 2014 haben Regula Spahn (Beschwerdeführerin 1) sowie der Mieterinnen- und Mieterverband Zürich (Beschwerdeführer 2) am 28. November 2014 Beschwerde ans Bundesgericht erhoben. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. Als Mitglied der Schlichtungsbehörde für die Amtsdauer 2014-2020 sei Regula Spahn statt Barbara Rauber einzusetzen, eventualiter sei die Vorinstanz und subeventualiter das Bezirksgericht anzuweisen, Regula Spahn statt Barbara Rauber als Mitglied der Schlichtungsbehörde für die Amtsdauer 2014-2020 zu wählen. (...)
(Auszug) BGE 141 III 439 (440)
 
BGE 141 III 439 (441)Aus den Erwägungen:
 
Im Kanton Zürich wählen die Bezirksgerichte die Vorsitzenden und die weiteren Mitglieder der Paritätischen Schlichtungsbehörde in Miet- und Pachtsachen (§ 64 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes vom 10. Mai 2010 über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess [GOG; LS 211.1]). Für die weiteren Mitglieder, d.h. für die Vermieter- und Mietervertreter, unterbreiten die Verbände dem Bezirksgericht Wahlvorschläge (§ 64 Abs. 2 GOG). Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer 2 als Verband im Sinne von § 64 Abs. 2 GOG berechtigt ist, für die Mietervertreter der Schlichtungsbehörde des Bezirks Meilen Wahlvorschläge zu unterbreiten, und dass das Bezirksgericht bei der Wahl für die Amtsperiode 2014-2020 statt der vom Beschwerdeführer 2 vorgeschlagenen Beschwerdeführerin 1 die Beschwerdegegnerin gewählt hat. Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, das Bezirksgericht habe kantonales Recht willkürlich angewandt, indem es dem Wahlvorschlag des Beschwerdeführers 2 in einem Fall nicht gefolgt ist. Sie rügen indessen eine Verletzung von Art. 200 Abs. 1 ZPO.
 
Erwägung 3
 
3.1 Aus dem in Art. 200 Abs. 1 ZPO festgeschriebenen Grundsatz der Parität ergibt sich, dass als Schlichter vermieter- und mieterseits nur tätig sein soll, wer eindeutig der Vermieter- oder derBGE 141 III 439 (441) BGE 141 III 439 (442)Mieterseite zugeordnet werden kann (Urteil 1P.68/2003 vom 24. November 2003 E. 2.3 mit Hinweis). Daran ist die kantonale Wahlbehörde beim Wahlbeschluss gebunden.
Während aArt. 274a Abs. 2 OR, welcher mit dem Inkrafttreten der ZPO am 1. Januar 2011ausser Kraft gesetzt worden ist, noch vorsah, dass die Mieter und Vermieter "durch ihre Verbände oder andere Organisationen, die ähnliche Interessen wahrnehmen, in den Schlichtungsbehörden paritätisch vertreten" sein sollen, regelt Art. 200 Abs. 1 ZPO zwar nicht mehr ausdrücklich, wie sicherzustellen ist, dass die Vermieter- und Mietervertreter eindeutig der Vermieter- oder der Mieterseite zugeordnet werden können. Der Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung sowie den parlamentarischen Beratungen kann aber nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber die besondere Stellung der Interessenverbände bei der Besetzung der Schlichtungsbehörden bei Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen in Frage stellen bzw. ändern wollte (BBl 2006 7221 ff., 7330 zu Art. 197; AB 2007 S 522 f.; AB 2008 N 952 ff.). Auch die Lehre vertritt die Auffassung, der Gesetzgeber habe die bewährte Regelung des OR in die ZPO überführt (FRANÇOIS BOHNET, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 6 zu Art. 200 ZPO; ALVAREZ/PETER, a.a.O., N. 8 zu Art. 200 ZPO; URS EGLI, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 1 zu Art. 200ZPO; GLOOR/UMBRICHT LUKAS, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 200 ZPO). Das in der Rechtsprechung entwickelte Kriterium der eindeutigen Zuordnung gilt daher unverändert.
 
Erwägung 3.2
 
BGE 141 III 439 (443)3.2.2 Wie die Beschwerdeführer zu Recht vorbringen, stellt allein die Mitgliedschaft in einem Verband nicht sicher, dass die betreffende Person auch tatsächlich die Interessen des Verbands einbringt. Die Mitglieder grösserer Verbände decken erfahrungsgemäss ein breites Meinungsspektrum ab, das nicht notwendigerweise mit den vorrangigen Verbandszielen übereinstimmt. Im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanz erlaubt der Umstand, dass eine Person Mitglied eines vorschlagsberechtigten Mieterverbands ist, deshalb noch nicht, sie eindeutig der Mieterseite zuzuordnen, wie dies der in Art. 200 Abs. 1 ZPO festgeschriebene Grundsatz der Parität verlangt. Eine eindeutige Zuordnung zur Mieterseite setzt zusätzlich voraus, dass die betreffende Person auch das Vertrauen des Interessenverbands geniesst, was sich darin ausdrückt, dass dieser sie zur Wahl vorschlägt. Daraus folgt indessen nicht, dass die gewählten Schlichterinnen und Schlichter der Vermieter- bzw. Mieterseite unmittelbar den Interessen der Verbände verpflichtet sind. Vielmehr sind sie als Behördenmitglieder in ihrer Tätigkeit unabhängig und sollen sie ihr Mandat unvoreingenommen wahrnehmen.
Es ist Sache der Kantone, unter Berücksichtigung von Art. 200 Abs. 1 ZPO das Verfahren für die Wahl der Mitglieder der Schlichtungsbehörden in Streitigkeiten bei Miete und Pacht zu regeln (vgl. E. 2 hiervor). Das Bundesrecht schliesst namentlich nicht aus, dass die kantonale Wahlbehörde die vorschlagsberechtigten Verbände verpflichten kann, mehr Vorschläge einzureichen, als Mandate zu besetzen sind, um der Wahlbehörde eine echte Wahl aus verschiedenen Kandidierenden zu ermöglichen. Auch ist von Bundesrechts wegen nicht ausgeschlossen, dass die Wahlbehörde von den vorschlagsberechtigten Verbänden im Einzelfall verlangen kann, zusätzliche Wahlvorschläge nachzureichen, wenn im konkreten Fall sachliche Gründe gegen die Wahl einer vorgeschlagenen Person sprechen.
 
Erwägung 4