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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 3
Erwägung 4
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
1. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B., C. und D. (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
5A_404/2018 vom 6. November 2018
 
 
Regeste
 
Art. 527 Ziff. 1 ZGB; Herabsetzung; gemischte Schenkung; Beweis des Schenkungswillens.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 145 III 1 (2)A. A., B., C., D., E. und F. sind Geschwister. Ihre Mutter starb 2006 und ihr Vater 2012. Unter den Geschwistern ist die Teilung des Nachlasses ihres Vaters (Erblasser) streitig.
B.
B.a Zu seinen Lebzeiten übertrug der Erblasser Vermögenswerte an seine Kinder, unter anderem je ein unüberbautes Grundstück an F. (1977) und an E. (1983) sowie eine Liegenschaft mit Wohnhaus an A. (1990).
Laut dem öffentlich beurkundeten "Abtretungsvertrag auf Anrechnung künftiger Erbschaft" vom 8. März 1990 trat der Erblasser, mit ausdrücklicher Zustimmung seiner Ehefrau gemäss Art. 169 ZGB, seine Liegenschaft an A. unentgeltlich auf Anrechnung künftiger Erbschaft ab (Ziff. I). Den Anrechnungswert bestimmten die Parteien auf Fr. 400'000.-. Der Erwerber übernahm auf Anrechnung an diesen Wert die Hypothekarschulden von Fr. 310'000.- zur Abzahlung und verpflichtete sich, seinen Schwestern B., C. und D. je Fr. 30'000.- auszuzahlen. Mit der Auszahlung des Betrages von Fr. 90'000.- waren die Geschwister bezüglich der Vorempfänge, die sie von ihren Eltern erhalten hatten, gleichwertig auseinandergesetzt. Ein eventueller Mehrwert der übernommenen Liegenschaft war vom Übernehmer nicht auszugleichen (Ziff. II). Der Übernehmer räumte seinen Eltern an der Liegenschaft die lebenslängliche Nutzniessung ein. Die Nutzniesser übernahmen als Entgelt die Verzinsung der Grundpfandschulden von Fr. 310'000.-. Die Nutzniessung war im Grundbuch einzutragen (Ziff. III). Schliesslich räumte der Übernehmer seinen Geschwistern ein limitiertes Vorkaufsrecht auf die Dauer von zwanzig Jahren ein, das im Grundbuch auf die Dauer von zehn Jahren vorzumerken war. Die Vorkaufsberechtigten sollten das Vorkaufsrecht für den Betrag von Fr. 400'000.- plus die vom Übernehmer getätigten und belegten wertvermehrenden Aufwendungen ausüben können (Ziff. IV des Abtretungsvertrags vom 8. März 1990).
A. überwies die im Vertrag genannten Beträge von je Fr. 30'000.-, insgesamt Fr. 90'000.-, am 25. April 1994.
B.b Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 2. Dezember 1996 räumte A. seinen Eltern an der Liegenschaft ein lebenslängliches und unentgeltliches Wohnrecht ein, umfassend die 3-Zimmerwohnung im Parterre des Wohnhauses sowie die Benützung der Garage und von Anteilen an Keller, Waschküche und Garten. Das Wohnrecht trat an die Stelle der Nutzniessung.BGE 145 III 1 (2)
BGE 145 III 1 (3)B.c Am 19. Juli 2013 verkaufte A. seine Liegenschaft für Fr. 980'000.-.
C. Mit Schlichtungsgesuch vom 15. April 2013 beantragten B., C. und D. (Klägerinnen 1-3), den Nachlass des Erblassers festzustellen und zu teilen und dabei die Eigentumsübertragungen des Erblassers an A. (Beklagten 1), E. (Beklagten 2) und F. (Beklagte 3) der Ausgleichung, eventualiter der Herabsetzung zu unterstellen. Die Beklagten stellten ihrerseits Begehren. Das Zivilkreisgericht hielt fest, dass der Erblasser die Beklagten von der Ausgleichungspflicht befreit hat, hiess hingegen die Herabsetzungsbegehren der Klägerinnen teilweise gut (Dispositiv-Ziff. 1). Demzufolge verpflichtete es den Beklagten 1, den Klägerinnen 1 und 3 je einen Betrag von Fr. 46'616.- und der Klägerin 2 den Betrag von Fr. 53'448.- nebst Zins zu bezahlen (Dispositiv-Ziff. 2), und verurteilte die Beklagten 2 und 3 ebenfalls zu Zahlungen an die Klägerinnen (Dispositiv-Ziff. 3 und 4). Das Zivilkreisgericht teilte den aus einem Bankguthaben bestehenden Nachlass, indem es die Bank anwies, das Konto des Erblassers zu saldieren und den Parteien je einen Sechstel des Guthabens auszuzahlen (Dispositiv-Ziff. 5 des Entscheids vom 10. Februar 2017).
D. Der Beklagte 1 legte Berufung ein mit den Anträgen, die gegen ihn erhobenen Herabsetzungsbegehren abzuweisen. Die Beklagten 2 und 3 erklärten hinsichtlich des Berufungsverfahrens den Prozessabstand, während die Klägerinnen auf Abweisung der Berufung schlossen. Das Kantonsgericht wies die Berufung ab (Entscheid vom 20. Januar 2018).
E. Mit Eingabe vom 8. Mai 2018 erneuert der Beklagte 1 vor Bundesgericht seine im kantonsgerichtlichen Verfahren gestellten Berufungsanträge. Die Beklagten 2 und 3 wollen sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligen und erklären, das ergehende Urteil anzuerkennen, wie auch immer es ausfalle. Die Klägerinnen wie auch das Kantonsgericht schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Herabsetzungsbegehren der Klägerinnen 1-3 gegen den Beklagten 1 ab.
(Zusammenfassung)
 
 
Erwägung 3
 
3.1 Gemäss Art. 527 Ziff. 1 ZGB sind jene Zuwendungen herabzusetzen, die ihrer Natur nach gemäss Art. 626 Abs. 2 ZGB derBGE 145 III 1 (3) BGE 145 III 1 (4)Ausgleichung unterständen, ihr aber durch eine Verfügung des Erblassers entzogen worden sind. Ausgleichung bzw. Herabsetzung setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass eine unentgeltliche Zuwendung vorliegt, und in subjektiver Hinsicht, dass der Erblasser einen Zuwendungswillen (animus donandi) hat. Die Parteien müssen z.B. bei einer gemischten Schenkung eine unentgeltliche Zuwendung in dem Sinn beabsichtigen, als sie den Preis bewusst unter dem wahren Wert des Kaufgegenstandes ansetzen, um die Differenz dem Käufer unentgeltlich zukommen zu lassen (BGE 126 III 171 E. 3a S. 173; vgl. zuletzt: Urteil 5A_789/2016 vom 9. Oktober 2018 E. 5.2).
3.2 Naturgemäss kann der Schenkungswille nur entstehen, wenn der Wertunterschied bzw. das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung den Parteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt ist. Gleichwohl hat sich die Frage gestellt, ob bei einem Geschäft mit einem Nachkommen ein grobes Missverhältnis der Leistungen allenfalls für die Annahme einer unentgeltlichen Zuwendung genügen könnte, auch wenn es beim Geschäftsabschluss nicht erkannt wurde. Das Bundesgericht hat die lange offengelassene Frage verneint und dabei zu bedenken gegeben, dass ein Erblasser einem Erben nicht einen Vermögensvorteil als Heiratsgut, Ausstattung usw. zuwenden kann, wenn ihm nicht einmal bewusst ist, dass er sich damit entreichert und den Erben bereichert, das heisst, wenn er das Geschäft nicht als ein (zum mindesten teilweise) unentgeltliches erkennt. Denn nur mit diesem Bewusstsein hat er subjektiv überhaupt die Möglichkeit, den Erlass der Ausgleichungspflicht zu verfügen. Eine Zuwendung im Sinne von Art. 626 Abs. 2 bzw. Art. 527 Ziff. 1 ZGB liegt daher nur vor, wenn zur Zeit des Vertragsabschlusses das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung dem Erblasser nicht bloss erkennbar gewesen, sondern von ihm auch tatsächlich erkannt worden ist (BGE 98 II 352 E. 3b S. 357 ff.). Obwohl es die Frage später nochmals aufgegriffen hat (BGE 126 III 171 E. 3b/cc S. 175 f.), ist das Bundesgericht in seiner Praxis dabei geblieben, dass allein entscheidend ist, ob der Erblasser den Nachkommen begünstigen wollte und ob er diese Begünstigung erkannt hat (Urteil 5A_629/2015 vom 27. März 2017 E. 8, vorab E. 8.2.1; z.B. Urteil 5A_802/2014 vom 7. November 2014 E. 2 und 4.3, in: Praxis 104/2015 Nr. 57 S. 452; ebenso im Güterrecht: Urteil 5A_662/2009 vom 21. Dezember 2009 E. 2.3, in: FamPra.ch 2010 S. 424).
3.3 Es liegt in der Natur der Sache, dass das, was der Erblasser gewusst, was er gewollt hat, als innere Tatsache einem direkten Beweis nicht zugänglich ist, sondern sich direkt nur durch Parteiausage, BGE 145 III 1 (4) BGE 145 III 1 (5)im Übrigen aber lediglich durch Folgerungen aus dem äusseren Verhalten einer Person oder anhand der Umstände beweisen lässt (BGE 140 III 193 E. 2.2.1 S. 197). Die Folgen der Beweislosigkeit trägt, wer dabei aus der Erfüllung des Herabsetzungstatbestandes Rechte ableitet (Art. 8 ZGB).
 
Erwägung 4
 
4.3 Dass sich die Vertragsparteien der Rechtslage bewusst waren, lässt der Vertragstext schliessen. Die Parteien vereinbarten nicht blossBGE 145 III 1 (5) BGE 145 III 1 (6)eine Nutzniessung zugunsten des abtretenden Erblassers als Alleineigentümer der Liegenschaft, sondern auch - wie später das Wohnrecht - zugunsten der Ehefrau des Erblassers. Weiter haben sie ein (limitiertes) Vorkaufsrecht für sämtliche Geschwister des Übernehmers vorgesehen. Die Frage nach der Bewertung der beidseitigen Leistungen zur Zeit des Vertragsabschlusses drängte sich dabei geradezu auf (für einen ähnlichen Fall: BGE 84 II 338). In diesem Sinne erklärten die Parteien sogar die Verzinsung der Grundpfandschulden durch die Nutzniesser als Entgelt für die Einräumung der Nutzniessung, obwohl diese Verpflichtung sich für den Nutzniesser bereits aus dem Gesetz ergibt (Art. 765 Abs. 1 ZGB) und insoweit keine vertragliche Gegenleistung für die Nutzniessung bedeutet. In der Bestimmung des Anrechnungswertes haben die Parteien sodann erkannt und festgelegt, dass der übernehmende Erbe im Betrag von Fr. 90'000.- bereichert würde und deshalb an Miterben eine entsprechende Zahlung zu leisten habe, die er tatsächlich geleistet hat. Gerade mit Blick auf diese bewusste vertragliche Regelung in allen Einzelheiten mutet es seltsam an, dem Erblasser gleichsam "ex post" einen weitergehenden Schenkungswillen (im Umfang von 54 % eines gutachterlich ermittelten Verkehrswertes) zu unterstellen, ohne dass das Vorliegen einer Simulation jemals behauptet, geschweige denn von den Klägerinnen bewiesen worden wäre (für einen ähnlichen Fall: BGE 131 III 49 E. 4.1.1 S. 55).
BGE 145 III 1 (6)
BGE 145 III 1 (7)4.5 Welche Aufschlüsse der Steuerwert der Liegenschaft von Fr. 233'900.- im Jahr 1977, auf den das Kantonsgericht und die Klägerinnen weiter abstellen wollen, dem Erblasser hätte vermitteln müssen, bleibt im Dunkeln, zumal dieser Betrag aus dem Abtretungsvertrag von 1990 nicht hervorgeht und deshalb dem Erblasser genauso wenig als bekannt unterstellt werden darf wie das genaue Verhältnis des Steuerwertes zum Verkehrswert. Entgegen der Darstellung der Klägerinnen hat das Kantonsgericht an der zitierten Stelle auch nicht dem Erblasser angelastet, den Steuerwert aus dem Jahre 1977 kennen zu müssen, sondern dem Beklagten 1.