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Regeste
Sachverhalt
1. Die Gesuchstellerin richtet ihr auf das Bundesgesetz über Verpfändung und Zwangsliquidation von Eisenbahn- und Schifffahrtsunternehmungen vom 25. September 1917 (VZEG) gestützte Gesuch um "Konkurseröffnung/Liquidation" an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts, welche unter dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) bestand, aus Mitgliedern der Zweiten Zivilabteilung gebildet wurde und für die Eröffnung der Zwangsliquidation gemäss VZEG zuständig war (Art. 12 Abs. 1 lit. c OG; Art. 1 Abs. 2, Art. 6 Abs. 3 lit. a des früheren Bundesgerichtsreglements vom 14. Dezember 1978; AS 1979 46). Seit Inkrafttreten des BGG (am 1. Januar 2007; AS 2006 1205) besteht keine Schuldbetreibungs- und Konkurskammer mehr und regelt das Bundesgerichtsreglement (SR 173.110.131; BGerR) keine Zuständigkeiten nach VZEG. Da die II. zivilrechtliche Abteilung allgemein die Rechtsgebiete "Schuldbetreibung und Konkurs" behandelt (Art. 32 Abs. 1 lit. c BGerR), wird das Liquidationsbegehren der Gesuchstellerin einer Schuldbetreibungs- und Konkurssache im Sinne von Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG zugeordnet (KLETT/ESCHER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 7 zu Art. 72 BGG).
2. Das SchKG regelt die Zwangsvollstreckung für eine Geldzah ...
3. Anlass zum vorliegenden Verfahren gibt die Eingabe der Gesuchs ...
4. Selbst wenn die Gesuchsgegnerin unter die "Eisenbahnunternehme ...
Erwägung 5
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
43. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
5A_280/2019 vom 12. Juni 2019
 
 
Regeste
 
Art. 30 Abs. 2 SchKG; Bundesgesetz vom 25. September 1917 über Verpfändung und Zwangsliquidation von Eisenbahn- und Schifffahrtsunternehmungen (VZEG); Gesuch um Liquidation eines Eisenbahnunternehmens.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 145 III 374 (374)Die A. AG leitete mit Zahlungsbefehl vom 27. Dezember 2017 beim Betreibungsamt Glarus die Betreibung Nr. x gegen die B. AG, mit Sitz in U., für eine Forderung von Fr. 1,2 Mio. (nebst Zinsen von 5 % seit dem 8. März 2013) ein. Als Forderungsgrund wurde "Schadenersatz aus Ereignis vom x.x.2013 in V." genannt. Der Zahlungsbefehl wurde am 5. Januar 2018 zugestellt; die Betreibungsschuldnerin erhob keinen Rechtsvorschlag. Die A. AG verlangte am 18. Dezember 2018 die Fortsetzung der Betreibung, worauf am 8. Januar 2019 die Konkursandrohung erfolgte.BGE 145 III 374 (374)
BGE 145 III 374 (375)Mit Eingabe vom 1. April 2019 ist die A. AG (Gesuchstellerin) an das Bundesgericht gelangt und stellt den Antrag, es sei der Konkurs bzw. die Liquidation über die B. AG (Gesuchsgegnerin) zu eröffnen. Sie stützt ihr Gesuch auf den Zahlungsbefehl und die Konkursandrohung in der erwähnten Betreibung und macht geltend, dass die Gesuchsgegnerin ein konzessioniertes Eisenbahnunternehmen sei und laut Handelsregistereintrag den Betrieb eines Eisenbahnunternehmens bezwecke. Gestützt auf Art. 13 ff. des Bundesgesetzes über Verpfändung und Zwangsliquidation von Eisenbahn- und Schifffahrtsunternehmungen vom 25. September 1917 (SR 742.211; VZEG) könne jede Unternehmung, die eine Eisenbahn betreibe, nach den Bestimmungen des VZEG zur Liquidation gebracht werden.
Gleichzeitig hat die Gesuchstellerin ein Gesuch um Konkurseröffnung (nach Art. 166 SchKG) beim Kantonsgericht Glarus als Konkursgericht eingereicht.
Am bundesgerichtlichen Verfahren ist das Bundesamt für Verkehr (BAV) beteiligt worden (Art. 102 Abs. 1 BGG).
Das Bundesgericht tritt auf das Gesuch nicht ein.
(Zusammenfassung)
Aus den Erwägungen:
 
BGE 145 III 374 (377)2.2 Das VZEG verfolgt gleichzeitig zwei Ziele. Einerseits soll es die Verpfändung von Aktiven zum Zweck der Mittelbeschaffung ermöglichen, andererseits soll es die Aufrechterhaltung des "Service public" unter allen Umständen sicherstellen, selbst im Falle einer Liquidation (Art. 22 VZEG). Dies wurde anlässlich der Bahnreform bestätigt (Botschaft zur Bahnreform 2 vom 23. Februar 2005, BBl 2005 2415, Ziff. 1.2.5.1 S. 2468), allerdings mit einer erheblichen Änderung: Das Rollmaterial wurde vom Geltungsbereich des Eisenbahnpfandrechts ausgenommen (Art. 9 VZEG, Fassung gemäss Ziff. II/15 des Bundesgesetzes vom 20. März 2009 über die Bahnreform 2, in Kraft seit dem 1. Januar 2010; AS 2009 5597). So kann vermieden werden, dass dieses Material bei der Liquidation des Transportunternehmens im Rahmen einer Zwangsversteigerung en bloc mit dem Pfandgegenstand verkauft werden muss (Botschaft zur Bahnreform 2, a.a.O., Ziff. 1.2.5.1 S. 2468; Zusatzbotschaft zur Bahnreform 2 vom 9. März 2007, BBl 2007 2681, Ziff. 1.2.2.1 S. 2699 f.). Abgesehen vom Pfandrecht liess die Bahnreform die Liquidation oder den Nachlassvertrag gemäss VZEG unberührt.
3.3.2 Die Gesuchsgegnerin ist unstrittig als reines Güter-Eisenbahnverkehrsunternehmen tätig, wofür eine Konzession nicht erforderlich ist. Voraussetzung für den Markteintritt ist - wie erwähnt - lediglich eine Netzzugangsbewilligung sowie eine Sicherheitsbescheinigung. Der Güterverkehr wird zwar durch staatliche Mittel unterstützt, gilt aber als weitestgehend liberalisiert (KERN/KÖNIG, a.a.O., Rz. 9.63 f.). Damit bestehen - wie das BAVBGE 145 III 374 (378) BGE 145 III 374 (379)zutreffend zum Ausdruck bringt - Zweifel, ob ein Unternehmen, das als ein reines Güter-Eisenbahnverkehrsunternehmen tätig ist, in den Anwendungsbereich des VZEG - mit seinen für Schuldner und Gläubiger vom SchKG abweichenden Regeln - fällt und für die Zwangsvollstreckung der "Apparat des eidgenössischen Verfahrens in Szene" (Botschaft zum VZEG, a.a.O., S. 553) zu setzen ist.
3.5 Bei diesem Ergebnis ist nicht zu erörtern, ob allfälliges, nach Art. 9 VZEG verpfändetes Vermögen (also Nicht-Rollmaterial) nach dem VZEG zu verwerten und zu verteilen wäre (vgl. Art. 93 EBG), zumal das Vorhandensein derartigen Vermögens nicht behauptet wird und für ein Güter-Eisenbahnverkehrsunternehmen -BGE 145 III 374 (379) BGE 145 III 374 (380)wie das BAV überzeugend ausführt - nicht anzunehmen ist. Ebenso wenig ist bei diesem Ergebnis zu prüfen, ob (und nach welchen Kriterien) die Gesuchsgegnerin ihr Eisenbahnunternehmen nur als Nebengeschäft eines Hauptgeschäftes anderer Art (Personalverleih) betreibt, so dass das Konkursverfahren über das Hauptgeschäft nach dem SchKG zu führen wäre, und nur das nach VZEG verpfändete Vermögen nach dem VZEG zu verwerten und zu verteilen wäre (Art. 15 Abs. 1 VZEG; GIANNATTASIO, Le statut des bateaux, en particulier dans l'exécution forcée [...], 2009, Rz. 661, 693).
4.2 Nach einem Urteil aus dem Jahre 1923 zu Art. 21 VZEG kann der Gläubiger einer gewöhnlichen Forderung kein Konkursbegehren nach SchKG stellen, sondern unmittelbar die Liquidation beim Bundesgericht verlangen (BGE 49 III 133 E. 1). Dieses Vorgehen wird in der Lehre mit guten Gründen in Zweifel gezogen (LUCIANI, a.a.O., Rz. 74 Fn. 88; vgl. MEYLAN, Le domaine ferroviaire en droit comparé, 1966, S. 328). Art. 21 VZEG ("bis zum Konkurs betrieben") wird so verstanden, dass die Konkurseröffnung durch den ordentlichen Konkursrichter erfolgt, jedoch kein Konkursverfahren nach Art. 221 ff. SchKG ausgelöst wird. Nach dieser Auffassung führt Art. 21 VZEG - anders als nach Art. 221 Abs. 1 SchKG, wonach das Konkursamt nach Erhalt des Konkursdekretes zu den ersten Anordnungen schreitet - dazu, dass die Liquidation (erst) auf Anordnung des Bundesgerichts vorzunehmen ist, welcheBGE 145 III 374 (380) BGE 145 III 374 (381)sich nach dem Verfahren gemäss Art. 22 ff. VZEG richtet (LUCIANI, a.a.O., Rz. 74, 356; GIANNATTASIO, a.a.O., Rz. 671, 675, 731; gl. M. SÉCRETAN, De l'hypothèque sur les chemins de fer, 1889, S. 77; MEILI, Das Pfand- und Concurs-Recht der Eisenbahnen, 1879, S. 78 f., betreffend Art. 19 des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1874). Für die Voraussetzung einer Konkurseröffnung spricht, dass jeder Schuldner, der für eine gewöhnliche Forderung betrieben wird, die Gelegenheit haben soll, sich im Rahmen einer Konkursverhandlung (Art. 171 SchKG) zu wehren und die Einwände gemäss Art. 172 SchKG zu erheben, oder dass wegen Einstellung der Betreibung oder Nichtigkeitsgründen die Aussetzung des Entscheides (Art. 173 SchKG) geprüft werden und ein Weiterzugsverfahren (Art. 174 SchKG) möglich sein soll (GIANNATTASIO, a.a.O., Rz. 675, 731 Fn. 2173). Mit der Konkurseröffnung gegenüber einem dem VZEG unterstellten Unternehmen wandelt sich das Verfahren (FAVRE, Droit des poursuites, 3. Aufl. 1974, S. 90), indem sich die Konkurseröffnung auf die - besondere - Wirkung beschränkt, dem Betreibungsgläubiger das Recht zu geben, die Liquidation nach VZEG beim Bundesgericht zu verlangen.
 
Erwägung 5
 
Schliesslich gibt das vorliegende Liquidationsbegehren Anlass, die Zuständigkeiten des Bundesgerichts gemäss VZEG näher zu betrachten.