19. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen Kanton Zürich (Beschwerde in Zivilsachen) | |
5A_1000/2020 vom 1. Februar 2022 | |
Regeste | |
Art. 274 und 275 SchKG, Art. 78 StHG; Vollzug des Arrestbefehls; Rechtshilfe beim Arrestvollzug; Steuerarrest.
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Sachverhalt | |
A.a Am 30. Oktober 2015 eröffnete das Kantonale Steueramt Zürich gegen A.A. und B.A. für die Steuerjahre 2005 bis 2009 ein Nach- und Strafsteuerverfahren für die Staats- und Gemeindesteuern sowie für die direkten Bundessteuern, welches mit Verfügung vom 27. Januar 2016 abgeschlossen wurde. Zudem erliess das Steueramt am 26. Januar 2016 Einschätzungsentscheide für die Staats- und Gemeindesteuern 2010 bis 2013 sowie Veranlagungsverfügungen für die direkten Bundessteuern 2010 bis 2015.
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A.c Gestützt auf die genannte Sicherstellungsverfügung erliess das Kantonale Steueramt gleichentags eine Reihe von Arrestbefehlen an die Betreibungsämter zur Verarrestierung der jeweils aufgeführten Vermögenswerte.
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(...)
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B.
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B.a Gestützt auf die Sicherstellungsverfügung vom 27. Januar 2016 erliess das Kantonale Steueramt am 17. Juni 2019 einen erneuten Arrestbefehl gegen A.A. zur Sicherung von Steuerforderungen von Kanton und Gemeinde über insgesamt Fr. 140'000'000.-. Darin wird eine Reihe von Vermögenswerten aufgeführt, die sich im Zuständigkeitsbereich verschiedener Betreibungsämter befinden, und das Betreibungsamt Maloja als Lead-Betreibungsamt mit dem rechtshilfeweisen Arrestvollzug beauftragt.
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B.b Mit Schreiben vom 18. Juni 2019 ersuchte das Betreibungsamt Maloja unter Hinweis auf seine Bezeichnung als Lead-Amt die betroffenen Betreibungsämter um Vollzug der Arreste und Übermittlung der Arrestberichte zwecks Erstellung der Arresturkunde. Zur Koordination setzte das Betreibungsamt Maloja den Beginn der Vollzugshandlungen auf frühestens 14.30 Uhr an. Zudem zeigte es diversen Unternehmungen mit Sitz in seinem Sprengel die Verarrestierung von Forderungen des Arrestschuldners an.
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B.c Die Arrestvollzugsaufträge samt dazugehörenden Unterlagen wurden dem Rechtsvertreter von A.A. mit E-Mail vom 1. Juli 2019 übermittelt.
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C. Mit Eingabe vom 11. Juli 2019 erhob A.A. Beschwerde bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Kantonsgerichts von Graubünden als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs. Das Kantonsgericht wies die Beschwerde mit Entscheid vom 17. November 2020 ab.
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D. Am 30. November 2020 ist A.A. an das Bundesgericht gelangt. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Entscheides sowie (wie im kantonalen Verfahren) die Feststellung, dass sämtliche Arreste bzw. Arrestaufträge des Betreibungsamtes Maloja gestützt auf die Sicherstellungsverfügung des Kantonalen Steueramtes Zürich vom 27. Januar 2016 betreffend die Staats- und Gemeindesteuern nichtig seien. Das Betreibungsamt Maloja sei anzuweisen, die Arreste unverzüglich aufzuheben bzw. deren schweizweite Aufhebung umgehend anzuordnen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
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(...)
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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( Auszug )
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3.3.1 Das Bundesgericht hat sich im Urteil 5A_846/2012 vom 4. November 2013 (E. 6.3) mit dem schweizweiten Arrestbefehl befasst, ohne die Frage, ob eine einzige Arrestprosequierungsbetreibung genüge, oder andere Fragen des Arrestvollzugs zu beantworten. In der kantonalen Praxis werden verschiedentlich Arrestbefehle mit Auftrag zum rechtshilfeweisen Arrestvollzug angeordnet (vgl. www.arrestpraxis.ch, ad Art. 276 Abs. 1), u.a. von Arrestgerichten im Kanton Zürich, was vom Obergericht Zürich offenbar unter der Voraussetzung zugelassen wird, dass das Arrestgericht dem Betreibungsamt konkrete Anweisungen für den Arrestvollzug (Auftrag zum Einsatz der Rechtshilfe) erteilt hat (Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 7. November 2017, PS170241, E. 3.2). In anderen Kantonen wird die Rechtshilfe im Arrestvollzug allgemein als ausgeschlossen betrachtet (Entscheid der Aufsichtsbehörde des Kantons Genf vom 13. September 2018, DCSO/468/2018, E. 2.1). Die Praxis in den Kantonen zeigt sich uneinheitlich (vgl. STEINER, Der schweizweite Arrest [...], in: Magister, Editions Weblaw, 2021, S. 20 ff., www.weblaw.ch)
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3.3.2 Die Meinungen in der Lehre sind gespalten. Nach der einen Auffassung verbietet der aktuelle Gesetzestext den Betreibungsämtern die Rechtshilfe im Arrestvollzug sowie die Entgegennahme eines Auftrags zur Federführung (lead) mangels entsprechender Kompetenz des Arrestgerichts (REISER/JENT-SØRENSEN, Der schweizweite Arrest - das Arrestgericht als Koordinator, BlSchK 2020 S. 145 f.; OCHSNER, La validation et la conversion du séquestre, SJ 2016 II S. 29 f.; PETER, Anmerkung zum Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 7. November 2017 [PS170241], BlSchK2019 S. 188). Zwar wird die Einsetzung eines Lead-Betreibungsamtes aufgrund der fehlenden Regelung des Arrestvollzugs und im Hinblick auf eine mögliche Vereinfachung als wünschenswert, indes eine Gesetzesänderung als notwendig erachtet (JEANDIN, Point de situation sur le séquestre à la lumière de la Convention de Lugano, SJ 2017 II S. 56 ff.). Nach anderer Meinung ist der rechtshilfeweise Arrestvollzug gesetzeskonform (MEIER-DIETERLE/CRESTANI, Die schweizweite Zuständigkeit im Arrestvollzug, AJP 2015 S. 1127; KREN KOSTKIEWICZ, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs SchKG, 4. Aufl. 2017, N. 37 zu Art. 275 SchKG; BOVEY, La révision de la Convention de Lugano et le séquestre, JdT 2012 II S. 94 f.; VOCK/MEISTER-MÜLLER, SchKG-Klagen [...], 2. Aufl. 2018, S. 314; WALTHER/ROTH, in: Basler Kommentar,Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 3. Aufl. 2021, N. 8 zu Art. 4 SchKG).
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3.4.2 Ein einheitlicher Binnenvollstreckungsraum setzt einen schweizweiten Arrest und dementsprechend auch einen effektiven und daher nötigenfalls durch ein Betreibungsamt koordinierten Arrestvollzug voraus (vgl. WALTHER/ROTH, a.a.O.; BOVEY, a.a.O.). Anzeichen, dass es sich bei der fehlenden gesetzlichen Regelung nicht um ein gesetzgeberisches Versehen, sondern um ein qualifiziertes Schweigen handelt, fehlen. Zumindest die Gesetzesmaterialien deuten nicht darauf hin (MEIER-DIETERLE/CRESTANI, a.a.O., S. 1124); die Zustimmung zum Entwurf des Bundesrates erfolgte ohne weitere Diskussion (AB 2009 S 960; AB 2009 N 1959). Sollen die Gläubiger - wie erwähnt - in den Genuss von verfahrensmässigen Verbesserungen gegenüber dem bisherigen Recht kommen, ist von einer planwidrigen Unvollständigkeit der Gesetzesanpassung und damit von einer Lücke in der gesetzlichen Regelung auszugehen. Der Arrestvollzug ist mit dem neuen schweizweiten Arrest in Einklang zu bringen (vgl. REISER, Schweizweiter Arrest, neuer Arrestgrund - praktische Handhabung, ZZZ 2011/2012 S. 49).
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3.4.4 Nach dem Dargelegten hat die Vorinstanz zutreffend erwogen, dass ein einheitlicher Vollstreckungsraum mit einem schweizweiten Arrest einen durch das Betreibungsamt in sinngemässer Anwendung von Art. 89 SchKG koordinierten Arrestvollzug einschliesst. Insoweit ist nicht zu beanstanden, wenn das Betreibungsamt Maloja den Arrestvollzug nicht verweigert hat und den Arrestbefehl des Kantonalen Steueramtes Zürich vom 17. Juni 2019 sowohl für den Arrestvollzug im Zuständigkeitsbereich des Lead-Betreibungsamtes Maloja sowie der rechtshilfeweise beigezogenen anderen Betreibungsämtern als genügend erachtet hat.
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3.5.2 Der Beschwerdeführer bestreitet zu Recht nicht, dass die kantonale Steuerbehörde zum Erlass einer Sicherstellungsverfügung berechtigt ist und diese einem Arrestbefehl gleichkommt. Weshalb die Bestimmung eines Lead-Betreibungsamtes einzig durch eine richterliche Behörde zulässig sein sollte, ist vor dem Hintergrund der steuerbehördlichen Kompetenzen aufgrund spezialgesetzlicher Regelung nicht nachvollziehbar. Für die hier in Frage stehenden kantonalen und kommunalen Steuern sieht § 181 des Steuergesetzes des Kantons Zürich vom 8. Juni 1997 (StG/ZH; LS 631.1) die Befugnis des Kantonalen Steueramtes vor, eine Sicherstellungsverfügung zu erlassen. Diese gilt als Arrestbefehl im Sinne von Art. 274 SchKG, welcher vom zuständigen Betreibungsamt vollzogen wird (§ 182 Abs. 1 StG/ZH; Art. 78 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [Steuerharmonisierungsgesetz, StHG; SR 642.14]). Die Anrufung eines Gerichts ist hierzu nicht erforderlich, was auch für den Vollzug des schweizweiten Arrestes gelten muss; der Vollzug des Steuerarrestes richtet sich nach Art. 275 SchKG (FREY, a.a.O., N. 19 zu Art. 170 DBG), gestützt auf die als Arrestbefehl nach Art. 274 SchKG geltende Verfügung.
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3.5.3 Daran können auch die allgemein gehaltenen Vorwürfe der "mannigfachen willkürlichen Anordnungen" durch die Steuerbehörden nichts ändern. Dass diese Behörden zugleich als Gläubiger und Arrestbehörde auftreten und für die eigenen Forderungen Sicherstellungsverfügungen erlassen können, ist gesetzlich angeordnet. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Aufsichtsbehörde die Anweisung der Steuerarrestbehörde betreffend Lead-Amt und rechtshilfeweisen Arrestvollzug für das Betreibungsamt Maloja als verbindlich erachtet hat.
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