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Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
4. (...) ...
7. (...) ...
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41. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B.C. und D.E. (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
5A_382/2021 vom 20. April 2022
 
 
Art. 131a Abs. 2 und Art. 289 Abs. 2 ZGB; Aktivlegitimation des Kindes im Unterhaltsprozess bei Bezug von Leistungen der öffentlichen Hand.
 
 
Art. 163, Art. 276 Abs. 2 und Art. 285 Abs. 2 ZGB; Anspruch auf Betreuungsunterhalt bei Verheiratung des betreuenden Elternteils.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 148 III 353 (354)A.
A.a B.C. (geb. 2012) ist die Tochter der nicht miteinander verheirateten D.E. und A. Sie steht unter der Obhut von D.E.
A.b Für die ersten sechs Monate nach ihrer Geburt wurde B.C. vom Sozialamt V. und für den Zeitraum vom 11. November 2014 bis 31. August 2017 von den Sozialen Diensten U. finanziell unterstützt.
A.c Mit Entscheid vom 18. Juni 2014 verpflichtete das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland A. zur Bezahlung von monatlichenBGE 148 III 353 (354) BGE 148 III 353 (355)Kindesunterhaltsbeiträgen für B.C. ab deren Geburt bis zum ordentlichen Abschluss einer Erstausbildung und sprach D.E. Fr. 4'880.- für Ansprüche aus Art. 295 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 ZGB zu.
B.
B.a Dagegen ergriff A. Berufung an das Kantonsgericht St. Gallen.
B.b Ende Oktober 2017 heiratete D.E. F.E. Am 14. November 2017 gebar sie die Tochter G.E.
B.c Mit Entscheid vom 23. März 2021 setzte das Kantonsgericht die Kindesunterhaltsbeiträge neu fest, wobei es für die Zeit ab 1. Januar 2017 bis 30. September 2028 auch Betreuungsunterhalt berücksichtigte.
C.
C.a Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 11. Mai 2021 wendet sich A. (Beschwerdeführer) an das Bundesgericht. Er beantragt die Herabsetzung der gesprochenen Kindesunterhaltsbeiträge.
C.b Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut und reformiert den angefochtenen Entscheid insoweit, als es B.C. für die Zeit ab Verheiratung von D.E. keinen Betreuungsunterhalt zuspricht.
(Zusammenfassung)
 
4.1 Kommt das Gemeinwesen für den Unterhalt des Kindes auf, so geht der Unterhaltsanspruch mit allen Rechten auf das Gemeinwesen über (Art. 131a Abs. 2 und Art. 289 Abs. 2 ZGB). Diese Bestimmungen gelten nicht nur für die gestützt auf ein rechtskräftiges Unterhaltsurteil bevorschussten Unterhaltsbeiträge (Bevorschussungsleistungen im Sinn von Art. 293 Abs. 2 ZGB), sondern auch für vor oder während eines (ersten) Verfahrens, in welchem es - wie hier - um die Erstreitung eines Unterhaltstitels geht, nach Massgabe des kantonalen Rechts geleistete, für den Unterhalt des Kindes bestimmte Leistungen der öffentlichen Hand, namentlich Fürsorge- bzw. Sozialhilfeleistungen (BGE 123 III 161 E. 4b mit Hinweisen; Urteile 5D_211/2019 vom 29. Mai 2020 E. 5.2.4 mit Hinweisen, in: BlSchK 2021 S. 9; 5A_694/2019 vom 24. Februar 2020 E. 4.2.1 mit Hinweisen, in: SZZP 2020 S. 334; 5A_643/2016 vom 21. Juni 2017 E. 3.1; FOUNTOULAKIS/BREITSCHMID/KAMP, in: Basler Kommentar,BGE 148 III 353 (355) BGE 148 III 353 (356)Zivilgesetzbuch, 6. Aufl. 2018, N. 10 zu Art. 289 ZGB; PERRIN, in: Commentaire romand, Code civil, 2010, N. 9 zu Art. 289 ZGB; AEBI-MÜLLER/DROESE, Das Kind, der Staat und der Vorschuss, in: Festschrift für Thomas Koller, 2018, S. 7). Selbst wenn das Gemeinwesen mit Fürsorge- bzw. Sozialhilfeleistungen eine öffentlich-rechtliche Pflicht erfüllt, befriedigt es zumindest dort, wo nach Massgabe des Zivilrechts ein Privater für den Unterhalt der betroffenen Person aufzukommen verpflichtet wäre, wirtschaftlich betrachtet vorschussweise einen zivilrechtlichen Anspruch. Folgerichtig ist das Gemeinwesen in die zivilrechtliche Forderung subrogieren zu lassen und der Unterhaltsberechtigte von seiner auf das öffentliche Recht gestützten Rückerstattungspflicht zu entlasten. Überhaupt soll ein Unterhaltsschuldner nicht davon profitieren können, wenn er seinen Pflichten nicht nachkommt (vgl. BGE 148 III 270 E. 6.5; BGE 138 III 145 E. 3.3.2).
(...)
7.3.2 Indes ist die Mutter seit dem 27. Oktober 2017 mit F.E. verheiratet, mit welchem sie das gemeinsame Kind G.E. hat. Das Kantonsgericht hat der Mutter bis Juli 2022 ein Einkommen von Fr. 400.- und ab August 2022 ein hypothetisches Einkommen von Fr. 1'620.- bzw. ab August 2030 ein solches von Fr. 2'540.- angerechnet. Soweit weitergehend wird sie vollständig von ihrem Ehemann unterstützt.BGE 148 III 353 (356) BGE 148 III 353 (357)Verfügt die Mutter nur über ein marginales Einkommen und werden die gemeinsamen Lebenskosten sonst durch den erwerbstätigen Ehemann getragen, stellt sich die Rechtsfrage, ob gleichwohl ein Betreuungsunterhalt im Bedarf des vorehelichen Kindes zu berücksichtigen ist. In einer solchen Situation stehen die eheliche Unterhaltspflicht des Ehemannes nach Art. 163 ZGB und der Anspruch des Kindes aus einer vorehelichen Beziehung auf Betreuungsunterhalt gewissermassen in Konkurrenz zueinander.
Mit dem Betreuungsunterhalt soll die Differenz zwischen dem eigenen Einkommen und den anfallenden Lebenshaltungskosten abgegolten werden, die einem Elternteil dadurch entsteht, dass er aufgrund einer persönlichen Betreuung des Kindes davon abgehalten wird, durch Arbeitserwerb für seinen Lebensunterhalt aufzukommen; obwohl der Betreuungsunterhalt formell als Anspruch des Kindes ausgestaltet ist, soll er wirtschaftlich dem persönlich betreuenden Elternteil zukommen (BGE 144 III 481 E. 4.3).
Nach Art. 163 Abs. 1 ZGB sorgen die Ehegatten gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie. In sachlicher Hinsicht umfasst der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf, d.h. alle häuslichen und persönlichen Bedürfnisse der Familie. Er umfasst die Grundbedürfnisse wie Nahrung, Wohnung, Kleider, Gesundheitskosten, Kranken-, Unfall-, Lebens- und/oder Haftpflichtversicherungen, kulturelle Bedürfnisse wie Kino, Theater, Bücher, Zeitschriften, Freizeitbetätigungen, religiöse und gesellige Bedürfnisse, Einkommens- und allgemeine Vermögenssteuern aller Gemeinwesen, notwendige Weiterbildungskosten sowie Beiträge an die zweite und unter Umständen auch an die dritte Säule (HAUSHEER/GEISER/AEBI-MÜLLER, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 6. Aufl. 2018, Rz. 08.05 f.). Die Ehegatten verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern (Art. 163 Abs. 2 ZGB). Dabei berücksichtigen die Ehegatten die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft und ihre persönlichen Umstände.
Vorliegend haben sich die Ehegatten E. dahingehend verständigt, dass der Ehemann seinen Beitrag (hauptsächlich) durch Geldzahlungen erbringt und die Ehefrau (hauptsächlich) den Haushalt besorgt und das gemeinsame Kind betreut. Damit sind die Lebenshaltungskosten der Mutter gedeckt; sie hat kein Manko, das über das Institut desBGE 148 III 353 (357) BGE 148 III 353 (358)Betreuungsunterhalts auszugleichen wäre. Gestützt auf diese Motivsubstitution (vgl. die nicht publ. E. 1.2) steht der angefochtene Entscheid, soweit er für die Zeit nach der Eheschliessung, d.h. ab November 2017 einen Betreuungsunterhalt zuspricht, im Widerspruch zum Bundesrecht und ist insofern aufzuheben.
(...)BGE 148 III 353 (358)