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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
3. Umstritten ist, ob die auf Art. 261b OR (in Verbindung mit Art ...
Erwägung 3.2
Erwägung 3.3
Bearbeitung, zuletzt am 30.03.2023, durch: DFR-Server (automatisch)
 
49. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Stiftung B. (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
4A_199/2022 vom 20. September 2022
 
 
Regeste
 
Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO; Art. 261b OR; Art. 959 ZGB; vereinfachtes Verfahren; Vormerkung eines Mietverhältnisses im Grundbuch.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 148 III 415 (415)A. Die A. AG (Klägerin, Beschwerdeführerin) ist Mieterin von Geschäftsräumlichkeiten an der U.strasse in V. Vermieterin ist die Stiftung B. (Beklagte, Beschwerdegegnerin). Der vom 18. Dezember 2018 datierende Mietvertrag wurde für eine Dauer von 10 Jahren abgeschlossen.
Im Jahr 2021 entschied die Beklagte, das Grundstück per Januar 2026 an die C. AG zu verkaufen. Aus diesem Grund kündigte die Beklagte das mit der Klägerin bestehende Mietverhältnis mit Schreiben vom 15. Juli 2021 "ausserordentlich" per 31. Dezember 2025.
Am 13. August 2021 reichte die Klägerin ein Schlichtungsgesuch bei der Schlichtungsbehörde in Miet- und Pachtsachen des Bezirks Horgen ein und verlangte die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung. Eventualiter focht sie die Kündigung gestützt auf Art. 271 f. OR an. Subeventualiter ersuchte sie um Erstreckung desBGE 148 III 415 (415) BGE 148 III 415 (416)Mietverhältnisses. Dieser Prozess ist zurzeit hängig und nicht Gegenstand des vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahrens.
B.
B.a Am 16. Februar 2022 klagte die Klägerin beim Handelsgericht des Kantons Zürich mit dem (hier zusammengefassten) Begehren, die Beklagte sei zu verurteilen, den Mietvertrag vom 18. Dezember 2018 nach Art. 261b OR beziehungsweise Art. 959 ZGB im Grundbuch der Gemeinde V. für die vertraglich vorgesehene feste Mietdauer bis zum 31. Dezember 2029 in der Rubrik "Vormerkungen" eintragen zu lassen. Eventualiter sei die Beklagte zu verurteilen, ihr eine (in der Klageschrift im Einzelnen wiedergegebene) Grundbuchanmeldung betreffend die Vormerkung des Mietverhältnisses rechtsgültig unterzeichnet auszuhändigen.
Die Klägerin stützte sich dabei auf eine Klausel im Mietvertrag, welche ihr "das Recht auf eine solche Vormerkung" einräume. Sie wolle verhindern, dass die C. AG (als Erwerberin des Grundstücks per Januar 2026) den Mietvertrag gestützt auf Art. 261 Abs. 2 lit. a OR wegen Eigenbedarfs vorzeitig kündigen könne.
B.b Die Beklagte beantragte Nichteintreten auf die Klage, mit der Begründung, das Handelsgericht sei sachlich nicht zuständig.
B.c Mit Beschluss vom 6. April 2022 trat das Handelsgericht auf die Klage nicht ein. Es ging davon aus, dass es sich um eine Streitigkeit aus der Miete von Geschäftsräumen handle und der Kündigungsschutz betroffen sei. Gemäss Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO gelte in solchen Fällen das vereinfachte Verfahren. Folglich sei die handelsgerichtliche Zuständigkeit nicht gegeben.
(...)
Das Bundesgericht weist die von der Klägerin erhobene Beschwerde in Zivilsachen ab.
(Auszug)
 
3.1 Der Begriff des "Kündigungsschutzes" ("protection contre les congés"; "protezione dalla disdetta") ist nach derBGE 148 III 415 (416) BGE 148 III 415 (417)bundesgerichtlichen Rechtsprechung weit zu verstehen. Er umfasst nicht nur jene Tatbestände, die im Obligationenrecht im mit "Kündigungsschutz" betitelten Abschnitt geregelt sind (Anfechtung und Erstreckung [Art. 271 bis 273c OR]). Vielmehr liegt ein Fall von Kündigungsschutz im Sinne von Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO stets und jedenfalls dann vor, wenn das Gericht über die Beendigung eines Mietverhältnisses ("la fin du bail") befinden muss, sei es zufolge einer (ordentlichen oder ausserordentlichen) Kündigung, sei es aufgrund des Ablaufs der vereinbarten Dauer des Mietvertrags, sei es im Zusammenhang mit der Ausübung eines Optionsrechts oder dergleichen (BGE 144 III 346 E. 1.2.2.1; BGE 142 III 690 E. 3.1, BGE 142 III 402 E. 2, 278 E. 4.2; BGE 139 III 457 E. 5.2 f.; Urteile 4A_359/2017 vom 16. Mai 2018 E. 4.3 f.; 4A_340/2017 vom 24. Juli 2017 E. 2.2 f.; 4A_547/2016 vom 5. Dezember 2016 E. 2.1; 4A_300/2016 vom 5. Oktober 2016 E. 2.3; ferner BGE 146 III 63 E. 4.2 und 4.4.5).
 
Erwägung 3.2
 
Soweit es sich - wie hier - um Wohn- oder Geschäftsräume handelt, kann die neue Eigentümerin das Mietverhältnis jedoch gemäss Art. 261 Abs. 2 lit. a ZPO mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen, wenn sie einen dringenden Eigenbedarf für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte geltend macht.
 
Erwägung 3.3
 
3.3.1 Nach Art. 261b OR kann bei der Miete an einem Grundstück verabredet werden, dass das Verhältnis im Grundbuch vorgemerkt wird (Abs. 1). Die Vormerkung bewirkt, dass jede neue Eigentümerin BGE 148 III 415 (417) BGE 148 III 415 (418)der Mieterin gestatten muss, das Grundstück entsprechend dem Mietvertrag zu gebrauchen (Abs. 2). Das Gebrauchsrecht der Mieterin wird dadurch zur Realobligation im Sinne von Art. 959 ZGB (statt aller: HIGI/WILDISEN, in: Zürcher Kommentar, 5. Aufl. 2019, N. 13 zu Art. 261b OR mit weiteren Hinweisen; LACHAT/BOHNET, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 3. Aufl. 2021, N. 4 zu Art. 261b OR).
Die Vormerkung eines Mietverhältnisses ist damit im Kern ein Institut des (vorsorglichen) Kündigungsschutzes geworden.
So verhält es sich denn auch hier: Es ist das in der Klageschrift erklärte Ziel der Beschwerdeführerin, eine allfällige Eigenbedarfskündigung des Mietvertrags durch die das Grundstück per 2026 übernehmende C. AG zu unterbinden.
Wohl steht in diesem Verfahren - und insofern unterscheidet sich die mietvertragliche Vormerkung von jenen Fällen, welche den bisherigen bundesgerichtlichen Urteilen zum Begriff des Kündigungschutzes zugrunde lagen (E. 3.1) - "keine konkrete Kündigung" (oder allgemein: nicht die konkrete Beendigung) eines Mietvertrags im Streit. Dies ist der Vormerkung nach Art. 261b OR indes inhärent, erfolgt diese doch begriffsnotwendig vor der Veräusserung des Mietobjekts und somit vor einer möglichen (Eigenbedarfs-)Kündigung der neuen Eigentümerin, welche die Vormerkung gerade verhindern will.
Dies hat das Handelsgericht zutreffend erkannt (Art. 243 Abs. 3 ZPO) und es ist zu Recht mangels sachlicher Zuständigkeit auf die Klage nicht eingetreten (Art. 59 Abs. 2 lit. b ZPO).BGE 148 III 415 (419)