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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
3. (...) ...
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5. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Erbschaft von B. selig (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
5A_103/2022 vom 31. Oktober 2022
 
 
Regeste
 
Art. 39 Abs. 2 LugÜ; Art. 49 und 52 SchKG; Exequatur- und Arrestbegehren, unverteilte Erbschaft; Betreibungsort des Arrestes.
 
Art. 49 SchKG erlaubt die Betreibung gegen die unverteilte Erbschaft am Ort, wo der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes betrieben werden konnte. Für den Betreibungsort des Arrestes ist nicht vorausgesetzt, dass der Arrest zu Lebzeiten des Schuldners vollzogen sein muss; ein Arrest ist auch gegen den Nachlass möglich (E. 3.4-3.6).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 149 III 34 (35)A.
A.a Am 23. November 2021 reichte A. beim Bezirksgericht Zürich ein Arrestgesuch gegen die Erbschaft von B. selig ein. Sein Bruder war am x.x.2021 in U. verstorben. A. verlangte für eine Arrestforderung von insgesamt Fr. x nebst Zinsen die Verarrestierung von näher bezeichneten, dem Verstorbenen gehörenden Vermögenswerten bei der Bank C. AG und Bank D. AG, beide in Zürich, sowie bei der Bank E. S.A. in W.
A.b Gleichzeitig mit dem Arrestgesuch stellte A. das Gesuch um (teilweise, d.h. im vollstreckbaren Umfang mögliche) Vollstreckbarerklärung eines "Lugano"-Urteils (Urteil Nr. y des Berufungsgerichts X.), mit welchem in einer Streitsache gegen B. am y.y.2021 (vor seinem Tod) entschieden und welches am z.z.2021 veröffentlicht wurde.
A.c Mit Urteil vom 6. Dezember 2021 wies das Bezirksgericht das Arrestgesuch ab.
B. Gegen das Urteil gelangte A. an das Obergericht des Kantons Zürich, welches die Beschwerde mit Urteil vom 6. Januar 2022 abwies.
C. Mit Eingabe vom 9. Februar 2022 hat A. Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und in der Sache (wie im kantonalen Verfahren), es sei das Arrestgesuch gutzuheissen und das ausländische Urteil als vollstreckbar zu erklären. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zu neuer Entscheidung an das Bezirksgericht zurück.
(Auszug)
 
BGE 149 III 34 (36)3.2 Der Beschwerdeführer beruft sich in seinem Arrestgesuch auf ein gegen B. (als Titelschuldner) im Ausland ergangenes Urteil vom y.y.2021/z.z.2021 als definitiven Rechtsöffnungstitel (Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG). Bei diesem Vorgehen gelten zunächst folgende Grundsätze.
3.4.2 Eine vor Jahrzehnten begründete kantonale (auch zürcherische) Rechtsprechung erlaubt den Betreibungsort des Arrestes undBGE 149 III 34 (38) BGE 149 III 34 (39)hält fest, dass das Arrestgesuch nicht nur gegen einzelne Erben, sondern auch gegen die ungeteilte Erbschaft als Schuldnerin gerichtet werden kann (Urteil des Kantonsgerichts Wallis vom 2. Juli 2002 E. 3b/bb, in: Zeitschrift für Walliser Rechtsprechung [ZWR] 2003 S. 181; Urteile des Obergerichts des Kantons Zürich vom 2. Juli 1974, in: ZR 74/1975 Nr. 42 S. 78; vom 10. März 1955, in: ZR 55/1956 Nr. 145 S. 289; vom 10. Oktober 1951, in: ZR 51/1952 Nr. 81 S. 139; Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich NN010090/U vom 27. August 2001 E. 2.2; ferner Urteil 14.2020.105 des Tribunale d'appello/TI vom 17. Dezember 2020 E. 7.2; Entscheid DCSO/677/06 der Commission de surveillance des offices des poursuites et des faillites/GE vom 23. November 2006 E. 3b; Urteil des Obergerichts [Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs] des Kantons Solothurn vom 26. April 1949, in: BlSchK 1952 S. 43.
Das Bundesgericht hat schon Rechtsfragen zur Betreibung beurteilt, die auf einem Arrest beruhen, der gegen eine ungeteilte Erbschaft angeordnet wurde, ohne indes die hier umstrittene Frage zu erörtern (BGE 102 III 1 Bst. A, E. 1b: Gültigkeit des Zahlungsbefehls an den Vertreter der Erbschaft; ferner BGE 80 III 161 Bst. A). In BGE 120 III 39 hat es weiter erkannt, dass ein gegen den Verstorbenen eingeleitetes Betreibungs- und Arrestverfahren von Amtes wegen eingestellt werden müsse (E. 1a); den Gläubiger treffe die Last, neue Arrest- und Betreibungsverfahren gegen die Erben des Schuldners einzuleiten (E. 1d).
BGE 149 III 34 (40)Ein anderer Teil der Lehre zieht aus dem Umstand, dass eine Betreibung gegen die unverteilte Erbschaft grundsätzlich zulässig ist, den Schluss, dass auch ein entsprechender Arrest - als Sicherungsmassnahme zur Betreibung - möglich sei (REISER, Arrest in Theorie und Praxis, BlSchK 2015 S. 176, mit Hinweis auf BGE 102 III 1 und die Praxis; REISER/THALMANN, Sicherung von Vermächtnisansprüchen [...], ZZZ 2016 S. 95; im gl. Sinn SCHÜPBACH, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 15 zu Art. 49 SchKG; REYMOND, La poursuite contre une succession, JdT 2009 II S. 56; ABT/BLESKIE, Sicherung und Durchsetzung von Vermächtnisansprüchen: ZGB, ZPO und/oder SchKG?, AJP 2020 S. 858; PESTALOZZI-FRÜH, Vorsorgliche Massnahmen und besondere Vorkehrungen im Erbrecht, AJP 2011 S. 606; MATTMANN, Die materiellen Voraussetzungen der Arrestlegung nach Art. 271 SchKG, 1981, S. 9 f.; vgl. ferner LAYDU MOLINARI, La poursuite pour les dettes successorales, Diss. Lausanne 1999, S. 257), wobei zum Teil auf den Fall hingewiesen wird, dass der Gläubiger ein rechtskräftiges Urteil gegen den Schuldner zu dessen Lebzeiten erwirkt hat (KREN KOSTKIEWICZ/PENON, Zur Arrestprosequierung [...], BlSchK 2012 S. 218). Danach kann der Gläubiger auch gegen die ungeteilte Erbschaft, nicht nur gegen die Erben vorgehen.
3.5.1 Das Obergericht hat auf den klaren Wortlaut von Art. 49 SchKG verwiesen, wonach die Erbschaft am Ort "betrieben" werden kann, wo der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes "betrieben werden konnte" ("pouvait être lui-même poursuivi", "egli poteva essere escusso"). Daraus hat die Vorinstanz gelesen, dass ein Betreibungsort des Arrestes (Art. 52 SchKG) im Zeitpunkt des Todes tatsächlich bestanden haben muss, d.h. in dem Sinne, dass ein Arrest bereits vollzogen wurde. Diese Lesart ist nicht zwingend. "Wo der Erblasser betrieben werden konnte", kann sich auf die örtliche Anknüpfung beziehen, im Sinne des Ortes, wo der Erblasser im Todeszeitpunkt u.a. seinen Wohnsitz hatte (vgl. Art. 46 SchKG), wo der Erblasser seine Geschäftsniederlassung hatte (Art. 50 SchKG), oder wo sich die zu verarrestierenden Vermögensgegenstände befanden (vgl. Art. 52 SchKG). Die obergerichtliche Auffassung zumBGE 149 III 34 (40) BGE 149 III 34 (41)Wortlaut lässt sich nicht von der Frage trennen, ob das Gesetz der ungeteilten Erbschaft nur die passive Betreibungs-, nicht aber Arrestfähigkeit zugesteht. Mit dem Umstand, dass in Art. 49 SchKG nur von der "Betreibung" die Rede, und der Arrest gegen den Nachlass nicht ausdrücklich vorgesehen sei, hat sich das Obergericht jedoch bereits vor über 70 Jahren befasst (Urteile des Obergerichts des Kantons Zürich vom 10. Oktober 1951, in: ZR 51/1952 Nr. 81 S. 139; vom 10. März 1955, in: ZR 55/1956 Nr. 145 S. 289). Damals verneinte es ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzes und erwog, dass der Arrest eine vorausgehende Sicherungsmassnahme im Rahmen des Betreibungsverfahrens sei und daher ebenfalls zum Begriff der "Betreibung" gehöre. Richtig ist, dass der Arrest seit jeher die Sicherung einer eingeleiteten oder erst noch bevorstehenden Vollstreckung bzw. Betreibung bezweckt (BGE 133 III 589 E. 1 mit Hinweisen). Insoweit hat sich entgegen der Annahme der Vorinstanz im heute angefochtenen Entscheid an der begrenzten Tragweite des Wortlautes in Art. 49 SchKG nichts geändert.
3.5.3 Die Sonderbestimmung von Art. 49 SchKG geht historisch auf bestimmte kantonale Rechte zurück, wonach eine ruhende Erbschaft betrieben werden konnte (BGE 116 III 4 E. 2a; FRITZSCHE/WALDER, a.a.O., § 11 Rz. 10, S. 109 f.). Deutlich wird damit, dass derBGE 149 III 34 (41) BGE 149 III 34 (42)Erbschaft - obwohl ihr die Rechtspersönlichkeit fehlt - die passive Betreibungsfähigkeit nur zugestanden wird, solange die Teilung noch nicht erfolgt, eine vertragliche Gemeinderschaft nicht angeordnet, eine amtliche Liquidation nicht angeordnet ist. Nur in diesen genannten - engen - Grenzen ist die Betreibung der Erbschaft möglich (FRITZSCHE/WALDER, a.a.O., § 11 Rz. 10, S. 110) und kann der Gegenstand der Vollstreckung auf die Vermögenswerte der Erbschaft, d.h. auf die in den Nachlass fallenden Vermögenswerte sämtlicher Erben beschränkt werden (BGE 116 III 4 E. 2a). Dass ein Arrest nur zu Lebzeiten des Erblassers möglich sein soll, lässt sich daraus nicht entnehmen.
3.5.5 Diesem Ergebnis steht der in der Literatur teilweise angeführte BGE 120 III 39 nicht entgegen. Mit dem Urteil hat das Bundesgericht lediglich klargestellt, dass ein gegen einen Verstorbenen eingeleitetes Arrest- und Betreibungsverfahren von Amtes wegen einzustellen ist, weil es an einem Rechtssubjekt fehlt (E. 1a), und dass eine gegen den verstorbenen Schuldner erwirkte Arrestlegung und -prosequierung keine Fortsetzung gegen den Nachlass erlaubt (E. 1b), weil unter diesen Umständen eine "zu Lebzeiten des Erblassers" erhobene Betreibung (gemäss Art. 59 Abs. 2 SchKG) nicht vorliegt (AMONN, Die Rechtsprechung [...], ZBJV 132/1996 S. 32). Ein Arrest gegen die Erbschaft wird damit nicht ausgeschlossen.BGE 149 III 34 (42) BGE 149 III 34 (43)Das Bundesgericht hat festgehalten, dass "neue Arrest- und Betreibungsverfahren gegen die Erben" einzuleiten seien (E. 1c am Ende). Das Urteil grenzt vom Vorgehen gegen den verstorbenen Schuldner ab (vgl. REISER/THALMANN, a.a.O., S. 94). Wenn man den Blick auf die reine Sachhaftung richtet, welcher alle Erben gemeinsam (für die noch ungeteilten Aktiven der Erbschaft) ausgesetzt werden (vgl. u.a. PIOTET, Droit successoral, TDPS Bd. IV, 1975, S. 584), kann mit der Formulierung die Betreibung "gegen die Erbschaft" nicht ausgeschlossen werden, ebenso wenig ein diese Betreibung sichernder Arrest. Schliesslich spricht auch gegen die Annahme, dass das Bundesgericht in BGE 120 III 62 die Möglichkeit des Arrestes gegenüber der Erbschaft auschliessen wollte, die Erwägung im vorangegangenen BGE 118 III 62 (E. 2d), worin die Abgrenzung zwischen dem Arrest gegenüber der Erbschaft (Art. 49 SchKG) und dem Arrest gegenüber dem Schuldner für den Anteil an einer ungeteilten Erbschaft (gemäss der Verordnung vom 17. Januar 1923 über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen [VVAG; SR 281.41]) vorgenommen wird.