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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 3
Erwägung 4
Bearbeitung, zuletzt am 14.06.2023, durch: DFR-Server (automatisch)
 
7. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A., B. und C. gegen Einwohnergemeinde Brig-Glis (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
5A_420/2022 vom 8. Dezember 2022
 
 
Regeste
 
Art. 664 Abs. 2 und Art. 704 Abs. 1 ZGB; Eigentum an Quelle; Abgrenzung zwischen privaten und öffentlichen Quellen.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 149 III 49 (50)A.
A.a A., B. und C. sind Miteigentümer einer Parzelle in der Gemeinde Brig-Glis, auf der die Quelle E. entspringt.
A.b Auf Klage stellte das Bezirksgericht Brig mit Entscheid vom 24. Februar 2021 fest, dass sich die genannte Quelle im Privateigentum von A., B. und C. befindet.
B. Das von der Einwohnergemeinde Brig-Glis angerufene Kantonsgericht Wallis hob den erstinstanzlichen Entscheid auf, wies die Klage ab und stellte fest, dass es sich bei der streitgegenständlichen Quelle um eine Bachquelle im öffentlichen Eigentum der Gemeinde Brig-Glis handelt (Entscheid vom 2. Mai 2022).
C. Gegen diesen Entscheid gelangen A., B. und C. (die Beschwerdeführer) mit Beschwerde in Zivilsachen vom 2. Juni 2022 an das Bundesgericht. Sie beantragen, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass es sich bei der Quelle E. um eine private Quelle handle, an der kein öffentliches Eigentum möglich sei. Die Einwohnergemeinde Brig-Glis (Beschwerdegegnerin) schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Zusammenfassung)
 
 
Erwägung 3
 
3.2.1 Öffentliche Gewässer sind begrifflich stehende oder fliessende natürliche Gewässer und zählen damit zu den herrenlosen Sachen mit der Besonderheit, dass es den Kantonen überlassen bleibt, von den Gewässern jene abzugrenzen, die öffentlich sein sollen; Gewässer haben also ihre Öffentlichkeit nicht nur ihrer natürlichen Beschaffenheit oder ihrer Versorgungsfunktion (vgl. dazu LIVER, DieBGE 149 III 49 (50) BGE 149 III 49 (51)Entwicklung des Wasserrechts in der Schweiz seit hundert Jahren, ZSR 71/1952 S. 345; ders., Der Prozess des Müllers Arnold und das geltende private Wasserrecht, ZBJV 82/1946 S. 97 ff., 146), sondern auch den kantonalen Rechtsordnungen zu verdanken und weisen insofern eine gewisse Ähnlichkeit mit den öffentlichen Sachen auf (MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, 3. Aufl. 1964, N. 14 zu Art. 664 ZGB). Das Bundeszivilrecht nennt die Kriterien nicht, nach denen aufgrund von Art. 664 Abs. 1 ZGB der Hoheit der Kantone unterstellte Gewässer als öffentlich zu betrachten sind; namentlich gibt es kein bundesrechtliches Wasserführungsminimum als Merkmal der Öffentlichkeit eines Gewässers. Diese zu bestimmen ist Sache der Kantone (vgl. BGE 122 III 49 E. 2a; BGE 113 II 236 E. 4; Urteile 2C_118/2020 vom 3. August 2020 E. 4.1; 2C_622/2010 vom 20. Dezember 2010 E. 3.2).
Folglich unterstehen nicht alle Quellen, die auf einem Privatgrundstück entspringen, Art. 704 Abs. 1 ZGB. Lehre und Rechtsprechung unterscheiden zwischen Privatquellen, auf welche Art. 704 Abs. 1 ZGB Anwendung findet, und öffentlichen "Bach-" oder "Flussquellen" (siehe BGE 122 III 49 E. 2).
3.3 Zur Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Wasseraustritt als (je nach kantonalem Recht in das öffentliche Eigentum fallende) Bachquelle zu qualifizieren ist, ist in erster Linie zu prüfen, ob der Wasserausstoss, unabhängig davon, ob das Wasser an einem oder mehreren Orten austritt, von Anfang an einen Wasserlauf - einen Bach - bildet (BGE 97 II 333 E. 1). Ob das entspringende Wasser von Anfang an einen Wasserlauf bzw. einen Bach bildet, ist daran zu messen, ob es sich aufgrund der Mächtigkeit und Stetigkeit des Wasseraustritts ein Bett mit festen Ufern schafft oder zu schaffen vermöchte, wäre es nicht gefasst worden (BGE 122 III 49 E. 2a).
 
Erwägung 4
 
4.2 Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Vorinstanz verwiesenen BGE 97 II 333, bildete die Zallazquelle, die - ähnlich wie hier - an mehreren Quellpunkten entsprang, doch von Anfang anBGE 149 III 49 (52) BGE 149 III 49 (53)einen Wasserlauf bzw. einen Bach. Ebenso wenig vermag der Umstand, dass die Quelle gemäss den Feststellungen der Vorinstanz nach ihrer Fassung eine gewisse Versorgungsfunktion wahrnehmen könnte (Deckung des Tagesbedarfs von mindestens 864 Personen), die rechtliche Qualifikation zu beeinflussen, denn die Kriterien der Mächtigkeit und der Stetigkeit sind nicht, wie dies die Vorinstanz gemacht hat, unabhängig vom Kriterium des Wasserlaufs bzw. des Bachbetts zu prüfen. Ist eine Quelle nicht gefasst worden, so äussert sich ihre Mächtigkeit und Stetigkeit gerade darin, ob sich von Anfang an ein Wasserlauf gebildet, diese sich mit anderen Worten ein Bett mit festen Ufern zu schaffen vermocht hat.
Ob die Beschwerdegegnerin gestützt auf Art. 711 Abs. 1 ZGB die Abtretung des Wassers verlangen kann, ist nicht Streitgegenstand, weshalb sich diesbezügliche Weiterungen erübrigen.BGE 149 III 49 (53)