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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
4. Die Beschwerdeführerin trägt in prozessualer Hinsich ...
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49. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen B.B. und C.B. (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
4A_145/2023 vom 3. Juli 2023
 
 
Regeste
 
Art. 85 Abs. 2 Satz 1 ZPO; unbezifferte Forderungsklage; Zeitpunkt der nachträglichen Bezifferung.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 149 III 405 (406)A. Am 5. September 2016 reichten B.B. und C.B. (Beschwerdegegner 1 und 2) beim Regionalgericht Bern-Mittelland eine Klage wegen Verletzung eines Vorkaufsrechts betreffend das Grundstück Gbbl. Nr. y ein.
Von A.A. (Beschwerdeführerin) und C.A. begehrten sie die Bezahlung eines noch zu beziffernden, Fr. 30'000.- übersteigenden Betrags als Schadenersatz nebst Zins zu 5 % "seit wann rechtens", unter solidarischer Haftbarkeit.
Im Rahmen der Hauptverhandlung vom 7. März 2017 änderten B.B. und C.B. ihre Rechtsbegehren insoweit, als sie neu verlangten, A.A. und C.A. seien zu verurteilen, je hälftig einen noch zu beziffernden, Fr. 30'000.- übersteigenden Betrag als Schadenersatz nebst Zins zu 5 % "seit wann rechtens" zu bezahlen.
Am 15. Januar 2020 gab das Regionalgericht bei Y. ein Gutachten zwecks Bestimmung des Verkehrswerts des Grundstücks Gbbl. Nr. y im Jahr 2013 in Auftrag, mit Befugnis zum Beizug weiterer Experten. Das Gutachten (nachfolgend: Gutachten Y.) datiert vom 23. April 2020 und wurde am 2. Dezember 2020 sowie am 25. August 2021 ergänzt.
Im schriftlichen Schlussvortrag vom 28. Februar 2022 stellten B.B. und C.B. - soweit hier interessierend - folgendes Rechtsbegehren:
    "[A.A., C.A. und die X. GmbH] seien unter solidarischer Haftbarkeit zu verurteilen, [ihnen] Fr. 3'132'000.00 zzgl. Verzugszins in der Höhe von 5 % ab 1. November 2013 zu bezahlen."
A.A. und C.A. beantragten, auf die Klage nicht einzutreten beziehungsweise sie abzuweisen.
Mit Entscheid vom 30. Juni 2022 erkannte das Regionalgericht in den hier relevanten Punkten was folgt:
    "1. [A.A. und C.A.] werden unter solidarischer Haftung verpflichtet, [B.B. und C.B.] einen Betrag von CHF 1'732'000.00 zu bezahlen, nebst Zins zu 5 % seit dem 1. November 2013.
    2. Soweit die X. GmbH betreffend wird die Klage abgewiesen."
B. Nachdem C.A. bereits am 4. Juni 2022 verstorben war, gelangte A.A. - die gleichzeitig alleinige Erbin ihrer Schwester C.A. ist - mit Berufung an das Obergericht des Kantons Bern mit dem Begehren, den Entscheid des Regionalgerichts vom 30. Juni 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.BGE 149 III 405 (406)
BGE 149 III 405 (407)Mit Entscheid vom 31. Januar 2023 hiess das Obergericht die Berufung gut, soweit sie sich auf die vorinstanzlich zugesprochenen Zinsen bezog. Im Übrigen wies das Obergericht die Klage ab und bestätigte die Klagegutheissung im Betrag von Fr. 1'732'000.-.
Das Bundesgericht weist die von A.A. erhobene Beschwerde in Zivilsachen ab, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)
 
Unbestritten ist, dass die Bezifferung dieses Begehrens zu Beginn des Verfahrens noch nicht möglich beziehungsweise noch nicht zumutbar - da von einem Gutachten über den Verkehrswert des Grundstücks abhängig - und insofern die Voraussetzung von Art. 85 Abs. 1 ZPO gegeben war. Uneinigkeit besteht darüber, ob die Beschwerdegegner ihre Forderung in der Folge rechtzeitig beziffert haben. Die Beschwerdeführerin meint, den Beschwerdegegnern sei "der mit dem Gutachten Y. geschätzte Verkehrswert der Parzelle seit dem 24. Juni 2020 bekannt" gewesen (und damit auch die Höhe ihrer Schadenersatzforderung). Dennoch hätten sie anschliessend "rundBGE 149 III 405 (407) BGE 149 III 405 (408)20 Monate" zugewartet und ihr Begehren erst anlässlich des ersten Schlussvortrags am 28. Februar 2022 beziffert. Dies sei "unzulässig".
Das Bundesgericht hat seinerseits mehrfach festgehalten, dass die Forderung "sobald möglich" ("dès que possible") zu beziffern sei (Urteile 5A_871/2020 vom 15. Februar 2021 E. 3.3.1; 4A_516/2019 vom 27. April 2020 E. 4.2.2; 5A_368/2018 / 5A_394/2018 vom 25. April 2019 E. 4.3.3). Im Urteil 5A_847/2021 vom 10. Januar 2023 hat es nach Auseinandersetzung mit dieser Streitfrage erkannt, dass es jedenfalls ausreiche, wenn der Kläger sein Begehren im ersten Schlussvortrag beziffere; er müsse dies nicht unmittelbar - etwa innert einer Frist von 30 Tagen - nach Abschluss oder gar während der Beweisabnahme tun (E. 4.2.2 und 4.3 am Ende).
4.4 Nach den (für das Bundesgericht verbindlichen) vorinstanzlichen Feststellungen zum Prozesssachverhalt war das Gutachten Y. betreffend Schätzung des Verkehrswerts des Grundstücks (siehe Sachverhalt Bst. A.) "entscheidend", um die eingeklagte Schadenersatzforderung beziffern zu können. Das Gutachten wurde (in einer erstenBGE 149 III 405 (408) BGE 149 III 405 (409)Version) am 23. April 2020 abgeliefert, indes "bis zum Schluss" von den Parteien bestritten und bemängelt. Die Parteien stellten wiederholt zahlreiche Ergänzungsfragen und Editionsanträge. Das Regionalgericht befragte die Gutachter und holte (von den gleichen Gutachtern) zwei ergänzende Berichte ein, welche vom 2. Dezember 2020 und vom 25. August 2021 datieren. Noch mit Verfügung vom 9. November 2021, mit welcher das Regionalgericht zum Einreichen der schriftlichen Schlussvorträge aufforderte, befand es über die Zulässigkeit zahlreicher Beweismitteleingaben. Entsprechend stellte die Vorinstanz fest, dass "erst der Abschluss des Beweisverfahrens die Bezifferung der klägerischen Forderung erlaubte". Vor diesem Hintergrund ist der Vorgabe von Art. 85 Abs. 2 Satz 1 ZPO (Bezifferung, "sobald [...] nach Abschluss des Beweisverfahrens [...] dazu in der Lage") Genüge getan, wenn die Beschwerdegegner ihre Forderung im ersten Schlussvortrag am 28. Februar 2022 beziffert haben. Dies hat das Obergericht zu Recht erkannt.