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Regeste
Sachverhalt
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Der Kassationshof hat in BGE 78 IV 8 ausgeführt, dass Rec ...
2. Bei dieser Rechtslage kann von einer Gesetzeslücke, die,  ...
3. Die Lösung, die der Beschwerdeführer im kantonalen V ...
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46. Urteil des Kassationshofes vom 7. Dezember 1954 i. S. Billeter gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
 
 
Regeste
 
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 80 IV 218 (218)A.- Walter Billeter wurde am 4. September 1946 vom Bezirksgericht Zürich wegen leichtsinnigen Konkurses zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von drei Monaten verurteilt und für drei Jahre auf die Probe gesetzt.
Im Jahre 1947 leistete Billeter Gehilfenschaft zu Abtreibungen.BGE 80 IV 218 (218)
BGE 80 IV 218 (219)Das korrektionelle Gericht des Bezirkes Lausanne verurteilte ihn daher am 1. September 1950 zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von einem Monat.
B.- Unter Hinweis auf diese während der Probezeit begangenen vorsätzlichen Verbrechen erklärte das Bezirksgericht Zürich am 7. April 1954 die am 4. September 1946 ausgefällte Gefängnisstrafe als vollziehbar.
Billeter beschwerte sich beim Obergericht des Kantons Zürich, indem er entgegen BGE 78 IV 9 und BGE 79 IV 111 die Auffassung vertrat, die Anordnung des Vollzugs einer bedingt aufgeschobenen Strafe sei zeitlich nicht unbeschränkt zulässig; als Mindestschranke habe die Probezeit zuzüglich der absoluten Verfolgungsverjährung für die in der Probezeit begangene neue Tat zu gelten.
Die Staatsanwaltschaft stellte sich ihrerseits auf den Standpunkt, dass die Vollstreckungsverjährung in den Fällen, in denen die bedingt aufgeschobene Strafe vollstreckt werden solle, nach richtiger Auslegung des Art. 74 StGB mit dem Tage zu laufen beginne, an dem die Vollstreckung angeordnet werde oder hätte angeordnet werden können und sollen.
Das Obergericht, mit Entscheid vom 14. Juni 1954, schloss sich der Auffassung an, dass die Anordnung des Vollzuges der bedingt aufgeschobenen Strafe zeitlich nicht unbegrenzt möglich sei, lehnte jedoch sowohl die von Billeter als auch die von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagene Befristung ab und entschied sich für eine dritte Lösung, nämlich die, dass mangels eines andern Stichtages die Vollstreckungsverjährung spätestens mit dem Ablauf der Probezeit zu laufen beginne. Es führte weiter aus, im vorliegenden Falle habe die ordentliche Vollstreckungsverjährung von fünf Jahren (Art. 73 Ziff. 1 StGB) spätestens am 4. September 1949 zu laufen begonnen und endige erst am 4. September 1954. Da die Verjährung zudem durch den Entscheid des Bezirksgerichtes vom 7. April 1954 unterbrochen worden sei (Art. 75 StGB), trete sie erst am 4. März 1957 ein. Daher wies es den Rekurs ab.
BGE 80 IV 218 (219)
BGE 80 IV 218 (220)C.- Billeter führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Anordnung des Strafvollzuges sei aufzuheben.
Er hält an der vor Obergericht vertretenen Auffassung fest und schlägt subsidiär vor, dem Gedanken des Obergerichtes in der Weise Rechnung zu tragen, dass vom Strafvollzug abgesehen werde, wenn seit Ablauf der Probezeit entweder die absolute Verfolgungsverjährung für die neue Straftat oder die Vollstreckungsverjährung für die bedingt aufgeschobene Strafe eingetreten sei.
D.- Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
 
Demgegenüber verweist das Obergericht darauf, dass in der nationalrätlichen Kommission Huber beantragt hatte, für die Fälle, in denen der Vollstreckungsbeschluss nicht während der Probezeit ergehe, ihn einer Verjährungsfrist auszusetzen, worauf die Bestimmung an die Subkommission gewiesen worden sei und Logoz dann als Ergebnis ihrer Beratung die heutige Fassung des Art. 74 vorgeschlagen habe. Angesichts dieses Beratungsverlaufes hält das Obergericht nicht für ausgeschlossen, dass man im Bestreben, den Beginn der Vollstreckungsverjährung bei bedingter Verurteilung genau festzulegen, übersehen habe, dass mit derBGE 80 IV 218 (220) BGE 80 IV 218 (221)Anknüpfung der Vollstreckungsverjährung an den veränderlichen Zeitpunkt der Vollzugsanordnung diese unbegrenzt möglich wäre.
Dieser Schluss ist erstaunlich. Die Kommissionsmitglieder und die Bundesversammlung können die erwähnte Folge unmöglich übersehen haben. Wenn eine Befristung des Vollstreckungsbeschlusses nicht in das Gesetz aufgenommen wurde, obwohl in der Kommission des Nationalrates ausdrücklich eine solche vorgeschlagen wurde, ist das eine weitere klare Bestätigung dafür, dass man sie nicht wollte. Insbesondere muss der Antragsteller wahrgenommen haben, dass sein Vorschlag in der Fassung, wie sie von Logoz als Ergebnis der Beratung der Subkommission beantragt wurde, nicht berücksichtigt war. Umso berechtigter ist daher die Annahme des Kassationshofes in BGE 78 IV 9, es könne der Bundesversammlung nicht entgangen sein, dass durch die am Entwurf des Bundesrates vorgenommene Änderung die zeitliche Grenze aufgehoben worden sei, die der Entwurf dem richterlichen Entscheid auf Anordnung des Strafvollzuges gesetzt habe.
Wie wenig eine Gesetzeslücke vorliegt, zeigt auch der Umstand, dass keineswegs klar zutage liegt, wie sie auszufüllen wäre, sind doch dem Kassationshof bis heute fünf verschiedene Lösungen vorgeschlagen worden: je eine in den Fällen BGE 78 IV 9 und BGE 79 IV 111 und nunmehr drei weitere im vorliegenden Verfahren. Wenn schon eine Auswahl aus solcher Vielfalt möglicher Regelungen getroffen werden müsste, so deutet das eher auf eine gesetzgeberische als auf eine richterliche Entscheidung hin.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.BGE 80 IV 218 (222)