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Regeste
Sachverhalt
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11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. Februar 1960 i.S. Weibel gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
 
 
Regeste
 
Art. 26 Abs. 4 MFG, Art. 46 Abs. 1 MFV.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 86 IV 32 (33)Am 11. August 1958, um 20.30 Uhr, herrschte auf der 12 m breiten Industriestrasse zwischen Schlieren und Zürich reger Verkehr. Eine lange Fahrzeugkolonne bewegte sich mit 70-80 km/Std. stadtauswärts und kreuzte bei der Einmündung des Ostweges in der Nähe des Gaswerkes Schlieren mit drei bis fünf aufeinanderfolgenden Wagen, die mit 60-70 km/Std. gegen Zürich fuhren. Den Schluss der Richtung Schlieren fahrenden Kolonne bildete der von Sandmeier gesteuerte Wagen, dem in einigem Abstand Rüetschi folgte.
Als die beiden Fahrzeugkolonnen aneinander vorbeifuhren, überholte Weibel zunächst den Wagen Rüetschis, fuhr sodann mit 90-100 km/Std. am Auto Sandmeiers vorbei und schickte sich an, auch das diesem vorausfahrende Fahrzeug zu überholen. Während des Manövers, bei welchem Weibel etwas über die Strassenmitte hinausfuhr, bog der den Schluss der entgegenkommenden Kolonne bildende Suter wegen am Strassenrand stehender Burschen nach links aus und stiess seitlich mit dem Fahrzeug Weibels zusammen. Suter verlor die Herrschaft über seinen Wagen, geriet auf die linke Strassenseite und stiess dort frontal mit dem inzwischen herangefahrenen Auto Rüetschis zusammen. Rüetschi und Frau Suter kamen bei dem Unfall ums Leeben, während Frau Rüetschi schwer und drei weitere Insassen der beiden Unfallwagen leicht verletzt wurden.
Am 22. Juni 1959 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich Weibel wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger schwerer Körperverletzung und fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 300.--.
 
(Ausführungen darüber, dass die Industriestrasse an sich als Vierbahnstrasse angelegt sei, dass aber nach dem angefochtenenBGE 86 IV 32 (33) BGE 86 IV 32 (34)Urteil die beiden Autokolonnen ungefähr in der Mitte der Fahrbahnhälften fuhren, wie wenn die Strasse drei bis vier Meter schmäler gewesen wäre.) Ist demnach davon auszugehen, dass der Raum zwischen den kreuzenden Kolonnen auf ungefähr eine Einerbahn verengt war, dann fallen die Überlegungen des Beschwerdeführers, soweit sie auf die Verhältnisse auf einer Vierbahnstrasse angelegt sind, als gegenstandslos ausser Betracht. Das will indessen nicht heissen, dass ein Überholen zwischen zwei Autokolonnen, die bloss Raum für die Durchfahrt eines Fahrzeuges lassen, in jedem Fall unzulässig sei. Sofern die Strecke übersichtlich und frei und die zwischen den Kolonnen befindliche Bahn breit genug ist, um einen angemessenen Abstand einzuhalten, darf auch hier vorgefahren werden. Dass dabei höchste Vorsicht geboten ist, versteht sich von selbst. Denn unter solchen Umständen muss stets damit gerechnet werden, dass eines der entgegenkommenden Fahrzeuge sich aus irgendeinem Grunde veranlasst sehen könnte, seinerseits die mittlere Fahrbahn in Anspruch zu nehmen. Der Führer darf sich daher nicht darauf verlassen, dass die Bahn auf eine unbestimmt lange Strecke zum Überholen frei bleiben werde. Entschliesst er sich, trotz der erhöhten Gefahren mehreren Fahrzeugen nacheinander vorzufahren, dann muss er sich während des Überholens eines jeden von ihnen vergewissern, dass die zum Überholen des nächstfolgenden erforderliche Strecke bis zum Abschluss des Manövers frei bleiben werde und dass er, wenn nötig, nach jedem überholten Fahrzeug wieder nach rechts werde einbiegen können. Das hat der Beschwerdeführer nicht getan. Nach dem angefochtenen Urteil konnte Weibel beim Überholen des ersten Wagens nicht die ganze Überholstrecke frei überblicken und wusste er daher nicht, wo er wieder werde einbiegen können. Diese Feststellungen sind tatsächlicher Natur und binden den Kassationshof (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Sie können mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden, auch nicht auf dem Umweg über die BeweiswürdigungBGE 86 IV 32 (34) BGE 86 IV 32 (35)(Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Was der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringt, erschöpft sich jedoch in der Bemängelung der vorinstanzlichen Beweiswürdigung und ist daher nicht zu hören. Nach dem festgestellten Sachverhalt aber steht ausser Zweifel, dass Weibel, indem er mit 90-100 km/Std. mehrere Fahrzeuge in einem Zuge zu überholen versuchte, ohne die Gewissheit zu haben, dass er nach einem jeden von ihnen wieder werde einbiegen können, höchst unvorsichtig handelte und damit gegen Art. 26 Abs. 4 MFG und Art. 46 Abs. 1 MFV verstiess.
Es fällt ihm infolgedessen Fahrlässigkeit im Sinne von Art. 18 Abs. 3 StGB zur Last (BGE 71 IV 99 unten).BGE 86 IV 32 (35)