Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:


Zitiert selbst:


Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Beschwerdeführer wurde gebüsst, weil er seinen P ...
2. Der Polizeirichter ist der Meinung, die frühere Signaltaf ...
3. Von einer völlig eindeutigen Signalisierung kann keine Re ...
4. Der Kassationshof hat sich in ständiger Rechtsprechung da ...
5. Die fragliche Signaltafel erfüllt diese Voraussetzungen,  ...
6. Was die Vorinstanz dagegen einwendet, schlägt nicht durch ...
7. Ist gemäss obigen Ausführungen ein Verbot des nä ...
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
43. Urteil des Kassationshofes vom 14. Mai 1980 i.S. F. gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 103 Abs. 2 SSV (alt Art. 73 Abs. 4).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 106 IV 138 (138)A.- F. wurde vom Polizeirichteramt der Stadt Zürich im Ordnungsbussenverfahren gebüsst. Der Einzelrichter in Strafsachen am Bezirksgericht Zürich fand ihn mit Urteil vom 23. August 1979 einer Übertretung nicht schuldig und sprach ihn frei.
Auf Nichtigkeitsbeschwerde des Polizeirichteramtes erklärte das Obergericht des Kantons Zürich F. am 14. Februar 1980 der wiederholten Verletzung von Art. 90 Ziff. 1 SVG in Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG sowie Art. 27 und 46 Abs. 4 SSV schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 80.--.
B.- Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt F. Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und Freisprechung.
Das Polizeirichteramt beantragt Abweisung der Beschwerde.
 
BGE 106 IV 138 (138)
BGE 106 IV 138 (139)Am strassenseitigen Trottoirrand auf der Höhe der Häuser Rämistrasse 4 und 6 befand sich bis Oktober 1979 eine Signaltafel, die im oberen Teil das Signal 230 (Halten verboten; seit 1. Januar 1980: Signal 2.49) und in der unteren Hälfte links das Signal 231 (Parkieren verboten; jetzt: Signal 2.50) und rechts die nähere Umschreibung: Trottoir 0700-1900 aufwies (vgl. nebenstehend).
Der Beschwerdeführer und der Einzelrichter legten das Signal dahin aus, dass auf der Strasse ein unbeschränktes Halteverbot gelte, während auf dem Trottoir am Tag das Parkieren verboten (also nur das Ein- und Ausladen gestattet) sei, nachts aber keine Beschränkung bestehe.
Das Polizeirichteramt und die Vorinstanz sind dagegen der Ansicht, der untere Teil der Tafel erlaube ausnahmsweise am Tag das Ein- und Ausladen, im übrigen aber gelte für Strassenrand und Trottoir ein vollständiges Halteverbot.
Nachdem der Einzelrichter den Beschwerdeführer freigesprochen hatte, wurde das Signal geändert.
Als lic. nat. oec. mit einem "Studium, in welchem die Rechtswissenschaft eine nicht untergeordnete Rolle spielt ... wäre es dem Verzeigten zuzumuten gewesen, bei der Beantwortung der Frage, ob er auf dem Trottoir parkieren dürfe, doch differenziertere Überlegungen anzustellen, als er es getan hat".
3. Von einer völlig eindeutigen Signalisierung kann keine Rede sein. Beide Auslegungen lassen sich vertreten. Insbesondere ist die Argumentation der Vorinstanz mit ihrem Hinweis auf andere Halteverbotstafeln mit Ausnahmeerlaubnis schon deshalb untauglich, weil es sich in jenen Fällen immer um die unterschiedliche zeitliche Regelung für eine einheitliche Verkehrsfläche handelt. Im vorliegenden Fall aber geht es um dieBGE 106 IV 138 (139) BGE 106 IV 138 (140)Parkordnung einerseits für den Strassenrand, anderseits für das Trottoir. Eine im Bereich des Fahrbahnrandes signalisierte Parkierungsbeschränkung gilt an sich nicht nur für die Strasse, sondern auch für das angrenzende Trottoir (SSV Art. 27 Abs. 2, seit 1. Januar 1980: Art. 30 Abs. 2). Für dieses kann jedoch eine abweichende Ordnung bestehen.
Die umstrittene Signalisierung hat durch das Wort Trottoir für dieses ausdrücklich eine abweichende Ordnung vorgeschrieben. Sie bestand darin, dass am Tag nur zum Ein- und Aussteigen bzw. -laden angehalten, aber nicht parkiert werden durfte. Für die Nachtstunden wurde keine Beschränkung signalisiert.
Eine solche Ordnung ist in vielen Städten anzutreffen und entspricht den normalen Verkehrsbedürfnissen. Am Tag, wo ein reger Verkehr von Fussgängern, zum Teil mit Kinderwagen usw. herrscht, sollen auch breite Trottoirs möglichst frei bleiben. Zudem sollen nicht durch Zufahrt auf die Trottoirs und Wegfahrt zusätzliche Gefahrensituationen auf der Strasse geschaffen werden. Nachts fallen diese besonderen Interessen an Einschränkungen fort. Zudem besteht am späten Abend oft ein höherer Bedarf an längerer Parkierzeit (Theater, Kino, Übernachten, etc.).
Gewiss können die Verkehrsbedürfnisse auch so liegen, wie sie vom Polizeirichter geltend gemacht wurden: In einer Ladenstrasse soll tagsüber wenigstens das Ein- und Ausladen vom Trottoir aus, ohne Störung des rollenden Verkehrs, möglich sein. Nachts dagegen will man Strassenrand und Trottoir autofrei halten. Diese besondere Interessenlage ist aber ganz offensichtlich die Ausnahme.
5. Die fragliche Signaltafel erfüllt diese Voraussetzungen, soweit für die Strasse ein Anhalteverbot angeordnet wird. DagegenBGE 106 IV 138 (140) BGE 106 IV 138 (141)fehlt es an einer klaren Ordnung für das Trottoir. Der ausdrückliche Hinweis "Trottoir" erlaubt den Schluss, dass dort entgegen der allgemeinen Regel das für die Strasse signalisierte Halteverbot keine Gültigkeit hat. Für die Tagesstunden wird ein Parkverbot auf dem Trottoir signalisiert. Was während der Nachtstunden gilt, ergab sich zur massgebenden Zeit aus der Signaltafel nicht.
Bei dieser Sachlage kann nicht von einem rechtswirksam signalisierten Nachtparkverbot für das Trottoir gesprochen werden.
Der Einwand, der Beschwerdeführer als akademisch gebildeter Mann mit gewissen Rechtskenntnissen hätte das Verbot als solches erkennen sollen, geht doppelt fehl. Einmal ist - wie oben dargetan - die von der Vorinstanz gegebene Auslegung keineswegs einleuchtend, auch nicht für den Einzelrichter und die ständig mit dem Strassenverkehrsrecht befassten Mitglieder des Kassationshofes des Bundesgerichts. Zum andern kommt es für die Gültigkeit einer Signalisierung nicht darauf an, ob allenfalls ein Akademiker mit Rechtskenntnissen nach intensivem Studium auf deren wirklichen Sinn kommt. Enthält ein Signal nicht ein für den Durchschnittsstrassenbenützer sofort klar erkennbares Verbot, so ist letzteres nicht gültig.
Zurückzuweisen ist auch die Argumentation der Vorinstanz, wonach bei derartigen Tafeln vom Automobilisten grössere Aufmerksamkeit und die Fähigkeit zu logischem Denken verlangt werden müsse und bei ihrer Auslegung nicht leichthin ein Irrtum zugebilligt werden dürfe, da sonst die Durchsetzung des Verbots illusorisch würde. In der Schweiz gilt, dass gestattet ist, was nicht ausdrücklich verboten wurde. Im Zweifel ist ein Verbot zu verneinen, nicht umgekehrt. Tafeln, die Verbote signalisieren, müssen so gestaltet werden, dass es keiner besonderen Aufmerksamkeit und logischer Ableitungen bedarf, um die Existenz eines Verbotes zu erkennen.
Es ist darum unerheblich, ob der Beschwerdeführer ein oderBGE 106 IV 138 (141) BGE 106 IV 138 (142)mehrmals dort parkiert hat und ob ihm nach dem ersten Mal ein Bussenzettel unter den Scheibenwischer gesteckt wurde. Es verhält sich nicht anders, als bei einem noch nicht oder nicht gültig publizierten Verbot. Auch in solchen Fällen kommt weder dem an sich richtigen Signal noch einer ersten Verzeigung irgend ein Einfluss auf die Rechtsverbindlichkeit des Verbotes zu (vgl. BGE 99 IV 166).
Eine Berufung auf Rechtsirrtum bzw. die hiegegen von der Vorinstanz vorgebrachten Gründe gehen an der Sache vorbei. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist schon deshalb gutzuheissen, weil von vorneherein kein gültiges Verbotssignal betreffend das Nachtparkieren auf dem Trottoir vorhanden war.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 14. Februar 1980 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.BGE 106 IV 138 (142)