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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde steht gemä ...
3. Die Legitimation zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwer ...
4. Werden die aus dieser Rechtsprechung des Bundesgerichts folgen ...
5. Die Statthalterämter der Bezirke im Kanton Zürich si ...
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
34. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. Juni 1989 i.S. Statthalteramt des Bezirkes Uster gegen X. (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 270 Abs. 1 BStP; öffentlicher Ankläger des Kantons.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 115 IV 152 (152)Frau X. wurde am 12. April 1989 durch das Obergericht des Kantons Zürich wegen Verletzung einer Verkehrsregel mit Fr. 40.-- gebüsst. Gegen dieses Urteil führte der Statthalter des Bezirkes Uster eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde beim Bundesgericht, welches auf das Rechtsmittel nicht eintrat.
 
In einem nicht veröffentlichten Entscheid vom 22. Oktober 1984 i.S. Justizdirektion Zürich gegen M. trat der Kassationshof auf eine Nichtigkeitsbeschwerde der Justizdirektion Zürich nicht ein, weil diese nicht "öffentlicher Ankläger des Kantons" sei. Darin wurde weiter ausgeführt, im Interesse einer einheitlichen Überwachung der Rechtsmittel bestehe kein Grund, den Wortlaut von Art. 270 Abs. 1 BStP extensiv auszulegen und jeder kantonalen Amtsstelle, welche in irgendeinem Verfahren öffentliche Interessen vertrete, gegebenenfalls die Befugnis zur Einreichung einer Nichtigkeitsbeschwerde einzuräumen; über die allfällige Anerkennung der Beschwerdebefugnis unterer Anklagebehörden (Statthalterämter, Bezirksanwaltschaften) sei hier nicht zu befinden, sondern es gehe darum, ob bei richterlichen Entscheidungen im Laufe des Vollzugs (BGE 106 IV 186) statt dem Ankläger des Kantons die mit dem Vollzug der Sanktion betraute Verwaltungsbehörde zur Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert sein solle; überzeugende Gründe für eine solche Ausweitung der Legitimation seien jedoch nicht erkennbar.
Die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts dient der einheitlichen Anwendung des Bundesrechts. Den kantonalen Staatsanwaltschaften kommt bei der Verwirklichung dieses Zieles aufgrund der ihnen zustehenden Beschwerdebefugnis eine wichtige Aufgabe zu; sie tragen mit der Ergreifung von Rechtsmitteln wesentlich zu einer einheitlichen Praxis innerhalb des Kantons bei und ebenso dazu, dass sich diese entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichts mit der schweizerischen Praxis in Einklang befinde. Dort wo eine für den ganzen Kanton zuständige Staatsanwaltschaft besteht - dies ist in den allermeisten Kantonen der Fall -, der das Recht zur Beschwerdeführung vor der letzten kantonalen Instanz zusteht und der damit auch aufgetragen ist, innerhalb des Kantons für eine einheitliche Rechtsanwendung zu sorgen, muss auch dieser die Legitimation zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde zukommen. Ausser in den Fällen, in denen die Bundesanwaltschaft beim Bundesgericht Nichtigkeitsbeschwerde einreichen kann (Art. 270 Abs. 6 BStP), besteht kein einheitlicher öffentlicher Ankläger für das Gebiet der Eidgenossenschaft, sondern ist diese Aufgabe entsprechend der Anzahl der Kantone aufgeteilt. Eine weitere, unnötige Aufsplitterung gilt es jedoch zu vermeiden. Wenn auch nicht verhindert werden kann, dass ein Kanton nicht eine für sein ganzes Gebiet zuständige Staatsanwaltschaft bezeichnet - wie dies z.B. im Kanton Tessin mit je einer selbständigen Staatsanwaltschaft für den Sopra- bzw. Sottoceneri besteht - oder auf einzelnen Rechtsgebieten nicht dieser, sondern allein einzelnen Bezirksbehörden, das Beschwerderecht vor der letzten kantonalen Instanz einräumt, so muss doch ausgeschlossen werden, dass neben einer für den ganzen Kanton tätigen und in letzter Instanz beschwerdebefugtenBGE 115 IV 152 (154) BGE 115 IV 152 (155)Staatsanwaltschaft auch noch öffentliche Ankläger, die nur für Fälle aus einem Teilgebiet des Kantons zuständig sind, zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert sind.
Dass zwei nebeneinander beschwerdelegitimierte öffentliche Ankläger des Kantons nicht beide im gleichen konkreten Fall Beschwerde führen können, entschied das Bundesgericht bereits im oben zitierten BGE 111 IV 112. Diese Praxis ist in dem Sinne zu erweitern, dass jedenfalls dort, wo eine kantonale Anklagebehörde besteht und sie befugt war, vor der letzten kantonalen Instanz aufzutreten, stets nur diese allein berechtigt ist, beim Bundesgericht die Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen einzureichen. Es kann nicht etwa entscheidend sein, welche von zwei öffentlichen Anklagebehörden, die beide vor der letzten kantonalen Instanz den staatlichen Strafanspruch vertreten konnten, vor dieser tatsächlich auftrat. Damit würde das Recht der kantonalen Staatsanwaltschaft, durch Einreichen einer eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde für die einheitliche Rechtsanwendung im Kantonsgebiet zu sorgen, dort genommen, wo sie vor der letzten kantonalen Instanz kein Rechtsmittel einlegte, was nicht angeht. Die Einschränkung des Beschwerderechts kann daher nur dadurch erfolgen, dass der entsprechenden Bezirksbehörde die Beschwerdelegitimation gänzlich abgesprochen wird. Dies muss um so mehr erfolgen, als auch ein nebeneinander bestehendes Beschwerderecht zweier Behörden, welches jedoch nicht gleichzeitig ausgeübt werden kann (BGE 111 IV 112), zu Schwierigkeiten führen kann, weil dies eine dem Rechtsmittelsystem fremde vorherige Absprache unter den beiden Behörden voraussetzt, die zu Schwierigkeiten führen kann, weil sie unter Umständen nicht möglich ist oder zumindest erschwert sein kann.
Obwohl dem Statthalteramt nach zürcherischem Recht bei Übertretungen die Aufgabe des öffentlichen Anklägers zukommt und obwohl es das zur Verfügung stehende kantonale Rechtsmittel ergreifen kann bzw. in diesem Rechtsmittelverfahren Parteistellung hat, ist dessen Legitimation zur Einreichung einer eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nach dem oben Gesagten zu verneinen. Neben dem Statthalteramt steht bei Übertretungen auch der Staatsanwaltschaft das Recht zu, von den kantonalen Rechtsmitteln Gebrauch zu machen. Im Kanton Zürich ist die Staatsanwaltschaft als für das ganze Kantonsgebiet zuständiger öffentlicher Ankläger zu betrachten (§ 72 GVG/ZH), dem auch die Aufgabe zukommt, mittels Ergreifung von kantonalen Rechtsmitteln für die Wahrung des Rechts zu sorgen (§ 395 und 396 StPO/ZH). Da ihr auch im hier zu beurteilenden Fall das Recht zugestanden hätte, bei der letzten kantonalen Instanz das zulässige Rechtsmittel einzulegen, ist allein sie vor dem Kassationshof des Bundesgerichts beschwerdelegitimiert.
Auf die Nichtigkeitsbeschwerde des Statthalteramtes Uster ist daher nicht einzutreten.BGE 115 IV 152 (156)