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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Beschwerdeführer bestreitet die Qualifikation nach Zi ...
2. In seiner Rechtsprechung zum früheren Raubtatbestand des  ...
3. In der Literatur überwiegen die kritischen Stimmen zu die ...
4. An der bisherigen Rechtsprechung zum qualifizierten Tatbestand ...
5. Auf den Fall des Beschwerdeführers angewandt, bedeutet di ...
6. Die Qualifikation nach Art. 139 Ziff. 3 StGB verstösst de ...
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72. Urteil des Kassationshofes vom 24. Oktober 1991 i.S. R. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 139 Ziff. 3 StGB; In-Lebensgefahr-Bringen des Opfers (Änderung der Rechtsprechung).
 
Entscheidend ist, ob aufgrund der Tatumstände und des tatsächlichen Verhaltens des Täters die konkrete Gefahr einer tödlichen Verletzung des Opfers sehr nahe liegt. Dies trifft zu, wenn eine aus kurzer Distanz auf das Opfer gerichtete Schusswaffe geladen, entsichert und durchgeladen oder gespannt ist, so dass ein Schuss jederzeit ausgelöst werden oder sich ungewollt lösen kann; ebenso, wenn bei einer geladenen und gesicherten oder nicht durchgeladenen oder ungespannten Waffe weitere besondere Umstände (z.B. Handgemenge) hinzukommen.
 
Der Vorsatz muss sich auf die Verwirklichung der sehr naheliegenden Lebensgefahr richten (E. 4).
 
2. Konkrete, sehr naheliegende Lebensgefahr für das Opfer verneint, aber die besondere Gefährlichkeit des Täters nach Art. 139 Ziff. 2 StGB bejaht, wenn bei einem Trommelrevolver zur Schussabgabe noch der Hahn gespannt oder ein erhebliches Abzugsgewicht überwunden werden muss (E. 5).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 117 IV 419 (420)A.- R. verübte (in Mittäterschaft mit Sch.) am 22. Oktober 1988 einen Raubüberfall auf die Tankstelle der Gatoil AG in Moosseedorf. Dabei bedrohte er den Tankwart mit einem (mit 6 Patronen) scharf geladenen, nicht sicherbaren Revolver der Marke Smith & Wesson, indem er - den Finger am Abzugsbügel - auf Brusthöhe aus einer Distanz von 1/2 bis 1 m auf ihn zielte. Unter dieser Drohung deponierte das Opfer sein Portemonnaie in den ihm von R. mit der linken Hand entgegengehaltenen Plastiksack. Darauf ergriffen die Täter mit dem für den Raubüberfall entwendeten und von Sch. gelenkten Personenwagen die Flucht.
B.- Die Kriminalkammer des Kantons Bern verurteilte R. am 7. November 1990 deswegen gestützt auf Art. 139 Ziff. 3 StGB (qualifizierter Raub; Lebensgefahr des Opfers) sowie wegen Entwendung eines Personenwagens zum Gebrauch und unter Berücksichtigung einer leichten Verminderung der Zurechnungsfähigkeit (Art. 11/66 StGB) zu 3 1/2 Jahren Zuchthaus; gleichzeitig ordnete sie eine ambulante psychotherapeutische Behandlung während des Strafvollzugs an (Art. 43 Ziff. 1 StGB).
Gleich lautet das Urteil im Straf- und Massnahmepunkt für den Mittäter Sch.
C.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt R., das Urteil der Kriminalkammer sei in bezug auf die Verurteilung zu 3 1/2 Jahren Zuchthaus in Anwendung von Art. 139 Ziff. 3 StGBBGE 117 IV 419 (420) BGE 117 IV 419 (421)aufzuheben, und die Sache sei zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
2. In seiner Rechtsprechung zum früheren Raubtatbestand des Art. 139 Ziff. 2 Abs. 2 StGB bejahte das Bundesgericht den Qualifikationsgrund der Bedrohung mit dem Tode, wenn der Täter die Todesdrohung objektiv unmittelbar verwirklichen konnte und das Opfer nach den Umständen, insbesondere nach der Art der Drohung, tatsächlich einer erheblichen, akuten Lebensgefahr ausgesetzt war. Eine solche Todesgefahr wurde angenommen, wenn der Täter beim Raub eine scharf geladene Waffe auf kurze Distanz auf das Opfer richtete, auch wenn die Waffe gesichert oder nicht durchgeladen war (BGE 108 IV 18, BGE 107 IV 110, BGE 105 IV 300, BGE 102 IV 18 mit Verweisungen). Am 1. Oktober 1982 trat der revidierte Art. 139 StGB in Kraft, der in Ziff. 3 für den besonders schweren Raub nicht mehr das Kriterium der "Bedrohung mit dem Tode" enthält, sondern für diese qualifizierte Form des Raubes u.a. voraussetzt, dass "der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt" (Art. 139 Ziff. 3 StGB). Mit Urteil vom 26. Mai 1983 legte das Bundesgericht diesen neuen qualifizierten Tatbestand gemäss der bisherigen Rechtsprechung zu Art. 139 Ziff. 2 Abs. 2 StGB aus, der wie der revidierte Art. 139 Ziff. 3 StGB eine Mindeststrafe von fünf Jahren Zuchthaus androhte (BGE 109 IV 106). Diese Praxis wurde in der Folge mehrmals in nicht veröffentlichten Entscheiden und in BGE 111 IV 127 bestätigt. Darin (S. 129) wurde der Kritik in der Literatur im wesentlichen entgegengehalten, der Versuch, die Grenze zwischen der abstrakten und konkreten Lebens- bzw. Todesgefahr mit dem Kriterium der Waffensicherung zu ziehen, lasse ausser acht, dass eine geladene Waffe in der Regel in Sekundenschnelle und ohne Mühe entsichert oder durchgeladen werden könne. Auch könnten Aufregung, unvorhergesehene Reaktion des Opfers, Eingreifen eines Dritten usw. gerade bei Gelegenheitsdelinquenten zu einer plötzlichen Fehlreaktion und damit zur Schussabgabe führen, und zwar selbst dann, wenn der Täter vorher beabsichtigt hatte, von der Waffe keinen Gebrauch zu machen. Später präzisierte das Bundesgericht, dass auch die unmittelbare Bedrohung eines Opfers mit einer gesicherten undBGE 117 IV 419 (421) BGE 117 IV 419 (422)nicht durchgeladenen Pistole eine konkrete Lebensgefahr schaffe (BGE 112 IV 14). In BGE 112 IV 16 wurde eine konkrete Lebensgefahr für das Opfer auch dann bejaht, wenn ein Trommelrevolver so geladen ist, dass der Abzugshebel bis zur Schussabgabe mehrmals betätigt werden muss. Als entscheidend wurde schliesslich in BGE 114 IV 9 betrachtet, ob die Schusswaffe objektiv innert kürzester Zeit schussbereit gemacht werden kann, wobei es keine Rolle spiele, ob die allenfalls nachfolgende Schussabgabe auf einem Willensentschluss oder auf einer Fehlreaktion beruhe.
a) Gegen die bundesgerichtliche Rechtsprechung spricht sich insbesondere SCHULTZ aus (ZStrR 101/1984 S. 119 ff., ZBJV 1985/Bd. 121 S. 42/43, 1987/Bd. 123 S. 43, 1988/Bd. 124 S. 4/5). Er beanstandet, das Bundesgericht trage den Materialien hinsichtlich des Tatschuldprinzips nicht genügend Rechnung; das In-Lebensgefahr-Bringen sei ein eigener Qualifizierungsgrund, der vom Verschulden des Täters erfasst, von ihm erkannt und gewollt sein müsse; dazu genüge die blosse Bedrohung mit einer Schusswaffe nicht, sondern es müssten Umstände dazu kommen, die das Losgehen der Waffe wahrscheinlich werden liessen, wie sie die bundesdeutsche Rechtsprechung und Lehre zum ähnlich umschriebenen Qualifikationsgrund des "in die Gefahr des Todes bringen" (BRD StGB § 250 Ziff. 3) herausgearbeitet hätten (vgl. SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, N 20 ff. zu § 250).
STRATENWERTH (BT I, 3. Aufl., § 8, N 158, S. 218 f.) weist auf die Problematik des hohen Strafminimums von fünf Jahren hin; die Möglichkeit einer Fehlreaktion des Täters bilde den Grund für die Qualifikation nach Ziff. 1bis; sie könne nicht zugleich die Anwendung von Ziff. 3 rechtfertigen; auch reiche der Unterschied etwa zwischen dem "blossen" Mitsichführen einer funktionsfähigen Waffe und der Drohung mit ihr nicht aus, um die Anhebung des Strafminimums auf fünf Jahre Freiheitsstrafe verständlich zu machen; in Lebensgefahr gebracht sei das Opfer erst dann, wenn schon ein Zufall, eigenes unbedachtes Verhalten oder eine Intervention Dritter, auch ohne weitere Handlungen des Täters, zu seinem Tode führen könne, wie etwa bei der Bedrohung mit einer entsicherten Waffe.
Im Kommentar SCHUBARTH (BT II, N 88, S. 74 f.) stützt sich die Kritik in der Hauptsache ebenfalls auf das hohe Strafminimum; eine Mindeststrafe von fünf Jahren sei nur vertretbar bei Taten,BGE 117 IV 419 (422) BGE 117 IV 419 (423)die mit dem Unrechtsgehalt einer vorsätzlichen Tötung vergleichbar seien; in der Regel dürfte mangels Vorsatz nicht einmal eine Vorbereitung zur vorsätzlichen Tötung gegeben sein; die Tatgerichte würden durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung ohne Vorliegen eines Strafmilderungsgrundes zur Verhängung von teilweise als unmenschlich hart empfundenen Strafen gezwungen; mit der Revision von 1982 sei die Mindeststrafe für den gefährlichen Raub von fünf auf zwei Jahre Zuchthaus herabgesetzt worden; damit komme im Gesetz zum Ausdruck, dass die Mindeststrafe von fünf Jahren die seltene Ausnahme bleiben solle; gerechtfertigt sei sie nur, wenn der Täter das Opfer vorsätzlich in unmittelbare Lebensgefahr bringe.
Für NOLL (BT I, S. 163) ist die konkrete, naheliegende Möglichkeit, dass das Opfer stirbt, erforderlich; die Drohung gegen Leib und Leben, die schon im Grundtatbestand enthalten sei und die, vor allem beim bewaffneten Raub, auch eine Lebensgefahr enthalten könne, genüge nicht.
b) Zustimmend zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung äussert sich REHBERG (Grundriss Strafrecht III, 5. Aufl., S. 86); das Bundesgericht habe insbesondere berücksichtigt, dass in den erwähnten Fällen die Waffe innert kürzester Frist hätte schussbereit gemacht werden können; dies habe zur Folge, dass der mit einer schiesstauglichen Waffe ausgerüstete Räuber nur dann unter Art. 139 Ziff. 1bis StGB falle, wenn er von ihr bei der Tat überhaupt nicht oder nur Dritten gegenüber Gebrauch mache.
c) ARZT vertritt die Meinung, entgegen der Ansicht der Expertenkommission und der Botschaft habe sich mit der Revision nichts - oder jedenfalls nahezu nichts - geändert; die neue Fassung von Art. 139 StGB habe allenfalls insofern eine kleine Einengung bzw. Präzisierung gebracht, als nicht schon das Drohen mit der geladenen, sondern erst das Drohen mit der geladenen und entsicherten Waffe für die Bejahung der Lebensgefahr genüge (ZStrR 100/1983 S. 268 ff.).
In ähnlichem Sinne äussert sich SCHWENTER (ZStrR 100/1983 S. 286 ff.); er führt aus, es müsse sich um ein Täterverhalten handeln, welches das Opfer einer ernsten Gefahr, getötet zu werden, aussetze, aber noch nicht eine unmittelbare Lebensgefährdung im Sinne von Art. 129 Abs. 1 StGB darstelle.
BGE 117 IV 419 (423)
BGE 117 IV 419 (424)a) Die neue Fassung der Ziff. 3 von Art. 139 StGB bezweckte u.a., den bestehenden Widerspruch zwischen dem Grundtatbestand (alte Ziff. 1: Bedrohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für das Leben) und der qualifizierten Begehungsform (alte Ziff. 2: Bedrohung mit dem Tode), die beide den gleichen Sachverhalt erfassten, zu beseitigen (Botschaft des Bundesrates in BBl 1980 I S. 1258). Daraus wird zunächst klar, dass der Wortlaut von Ziff. 3: "... das Opfer in Lebensgefahr bringt" etwas anderes bedeutet als der Grundtatbestand in Ziff. 1: "Mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben bedroht ...". Beim Grundtatbestand genügt einerseits die Drohung, ohne dass sich eine Gefahr tatsächlich verwirklichen muss (vgl. BGE 107 IV 33), während die Ziff. 3 letzteres erfordert. Andererseits kann die Lebensgefahr nach Ziff. 3 auch in anderer Weise als durch Bedrohung, nämlich auch durch Gewaltanwendung oder auf andere Weise herbeigeführt werden (vgl. STRATENWERTH, a.a.O., S. 218/9).
b) In bezug auf die tatsächlich verwirklichte Gefahr für das Leben des Opfers ergibt sich aus der systematischen Regelung im Gesetz, dass zwischen vier verschiedenen Graden der Gefahr zu unterscheiden ist, jene des Grundtatbestandes und drei verschiedene Stufen der Steigerung entsprechend den drei verschiedenen Qualifizierungsgründen: Ziff. 1bis, wonach der Räuber mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter einem Jahr bestraft wird, wenn er zum Zwecke des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt; Ziff. 2, nach der der Räuber mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren zu bestrafen ist, u.a. wenn er sonstwie durch die Art, wie er den Raub begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart; Ziff. 3, die eine Strafe von Zuchthaus nicht unter fünf Jahren vorsieht, wenn der Täter u.a. das Opfer in Lebensgefahr bringt.
Diese Abstufung kann für den Richter insofern hilfreich sein, als sie erkennen lässt, dass lediglich der Grundtatbestand erfüllt sein soll, wenn der Täter bloss eine abstrakte Gefahr schuf, indem er etwa nur einen nicht besonders gefährlichen Gegenstand verwendete (BGE 117 IV 137). Führt der Täter eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich, ohne sie einzusetzen, liegt eine erhöhte abstrakte Gefahr vor, die zur Anwendung der Ziff. 1bis führt. Eine im Ausmass erheblich grössere Gefährdung (BGE 116 IV 316 E. bb) und mithin eine konkrete Gefahr setzt sodann die Ziff. 2 voraus, die in aller Regel zu bejahen sein dürfte, wenn der Räuber eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe entsprechendBGE 117 IV 419 (424) BGE 117 IV 419 (425)zur Bedrohung des Opfers einsetzt. Bei der Ziff. 3 muss es sich demzufolge um eine stark erhöhte konkrete Gefahr oder um eine konkrete, sehr naheliegende Gefahr - dies entspricht denn auch den überwiegenden Lehrmeinungen, wie sie oben angeführt wurden, - handeln, in die der Täter das Opfer bringt; auch das von zwei auf fünf Jahre erhöhte Strafminimum - dem im Sinne der Auslegung nach der Strafandrohung besondere Bedeutung zukommt (eingehender dazu: BGE 116 IV 315 E. aa) - zeigt auf, dass zwischen der nach Ziff. 2 und der in Ziff. 3 von Art. 139 StGB vorausgesetzten Nähe der Lebensgefahr für das Opfer ein ganz erheblicher Unterschied bestehen muss.
c) In den Fällen des Einsatzes einer Schusswaffe durch den Räuber in der Weise, dass diese auf das Opfer gerichtet wird, sind nach dem Gesagten die Voraussetzungen von Art. 139 Ziff. 2 StGB grundsätzlich als erfüllt zu betrachten, wenn die Waffe geladen, aber gesichert ist, oder wenn diese zwar geladen, aber nicht durchgeladen ist, d.h. der Hahn noch nicht gespannt ist. Für den Unterschied zwischen gespanntem und noch nicht gespanntem Hahn bei einer Pistole ist zu beachten, dass beim Abzug recht unterschiedliche Abzugsgewichte zu überwinden sind; beim im vorliegenden Fall verwendeten Revolver: bei gespanntem Hahn ca. 1,5 Kilogramm, nicht durchgeladen ca. 4,5 Kilogramm. Sowohl bei der Sicherung als auch bei noch nicht gespanntem Hahn besteht zwar eine konkrete, hingegen noch nicht eine sehr naheliegende Gefahr, dass sich bei der Bedrohung des Opfers mit vorgehaltener Waffe ein Schuss lösen könnte. Vielmehr müssen in beiden Fällen weitere Umstände (z.B. bewusste Entsicherung oder Kraftaufwendung oder gleicher ungewollter Erfolg etwa, wenn sich der Täter auf ein Handgemenge einlässt) tatsächlich hinzutreten, damit die sehr nahe oder unmittelbare Gefahr einer Schussauslösung besteht, die die Bejahung eines besonders schweren Raubes gemäss Ziff. 3 rechtfertigt.
Die Voraussetzung der Ziff. 3 ist als erfüllt zu betrachten, wenn die geladene Waffe entsichert und auch durchgeladen oder gespannt ist, so dass sich ein Schuss zumal dann, wenn der Täter den Finger am Abzug hält, jederzeit lösen und das Opfer töten kann. Nur unter diesen Umständen oder wenn bei gesicherter oder nicht durchgeladener Schusswaffe die erwähnten weiteren Umstände hinzukommen, liegt eine konkrete Gefahr für das Leben des Opfers so nahe, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat eine jener für vorsätzliche Tötung (Art. 111 StGB) entsprechendeBGE 117 IV 419 (425) BGE 117 IV 419 (426)Mindeststrafe von fünf Jahren Zuchthaus als gerechtfertigt erscheinen lässt.
Die Meinungsäusserungen in der Literatur bejahen bei Bedrohung mit geladener und entsicherter Waffe den besonders schweren Raub (so ausdrücklich STRATENWERTH und ARZT, a.a.O., sowie TRECHSEL, Kurzkommentar zum StGB, N 16 zu Art. 139). STRATENWERTH (a.a.O., S. 219 N 158) betont, in Lebensgefahr sei das Opfer "erst dann, wenn schon ein Zufall, eigenes unbedachtes Verhalten (vgl. BGE 102 IV 20) oder eine Intervention Dritter, auch ohne weitere Handlungen des Täters, zu seinem Tode führen kann". Bei gesicherter oder noch nicht gespannter Waffe kann sich ein Schuss aber noch nicht allein durch Zufall oder unbedacht lösen, wie bisher angenommen wurde.
d) An der bisherigen Rechtsprechung kann insbesondere nicht festgehalten werden, soweit diese damit begründet wurde, der Täter könne in Sekundenschnelle die Waffe entsichern oder durchladen. Auf diese Weise würde der Räuber in Verletzung des Tatschuldprinzips für etwas bestraft, was er hätte tun können, anstatt allein für das, was er tat. Wie bei den Tötungsdelikten (vgl. dazu BGE BGE 117 IV 389 E. 17) war der Gesetzgeber bei der Teilrevision 1982 des Strafgesetzbuches auch in bezug auf die qualifizierten Tatbestände des Diebstahls und des Raubes bestrebt, dem Tatschuldprinzip, dem die bundesgerichtliche Rechtsprechung nicht genügend Rechnung trug, Nachachtung zu verschaffen (Botschaft des Bundesrates, BBl 1980 I S. 1257/8 und dazu bereits BGE 116 IV 317 E. e; vgl. auch SCHULTZ, ZBJV 121/1985, S. 42). Entgegen BGE 114 IV 9 kann demnach nicht entscheidend sein, ob die Waffe innert kürzester Zeit schussbereit gemacht werden kann, sondern ob aufgrund der Umstände der Tat und des durch den Täter tatsächlich an den Tag gelegten Verhaltens die Gefahr einer Schussauslösung sehr nahe liegt.
Allerdings muss der Täter nicht den Vorsatz haben, das Opfer notfalls zu töten; sein Wille, die Drohung wahr zu machen, ist nicht erforderlich. Der Vorsatz muss sich indessen auf die Verwirklichung der Todesgefahr richten, d.h. der Räuber muss mit Wissen und Willen das Opfer in eine Lage versetzen, bei der eine sehr nahe Lebensgefahr ohne weiteres Zutun des Täters in einen Tötungserfolg umschlagen kann. Er muss erkannt haben, dass er mit seinem Vorgehen das Opfer in diesem Sinne einer sehr naheliegenden Gefahr für das Leben aussetzt, und der Täter muss dies auch wollen. Eventualvorsatz genügt, so dass es auch ausreicht,BGE 117 IV 419 (426) BGE 117 IV 419 (427)wenn sich dem Täter, die sehr hohe Gefahr als so wahrscheinlich aufdrängte, dass sein Verhalten vernünftigerweise nur als deren Inkaufnahme ausgelegt werden kann (BGE 101 IV 46).