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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Ausfällung ...
2. a) Nach Auffassung des Bezirksgerichtes Aarau hat die Beschwer ...
3. Die Beschwerdeführerin wendet indes zu Recht ein, die Vor ...
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54. Urteil des Kassationshofes vom 27. Oktober 1992 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen B. (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 6 Ziff. 1 StGB; Umwandlung einer nach ausländischem Recht auszusprechenden Sanktion in eine solche des schweizerischen Rechts.
 
Umwandlung einer Freiheitsstrafe von 1 Monat (gemäss § 38 dStGB) mit bedingtem Strafvollzug und einer Weisung (§§ 56, 56a und 56c dStGB) in eine Gefängnisstrafe gemäss Art. 36 i.V.m. Art. 41 Ziff. 1 und 2 StGB (E. 3b).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 118 IV 305 (306)A.- Das Bezirksgericht Aarau sprach die Schweizerin B. der Doppelehe im Sinne von § 171 des deutschen Strafgesetzbuches (dStGB) schuldig und verurteilte sie in Anwendung dieser Bestimmung sowie von Art. 6 Ziff. 1 StGB, Art. 35 Abs. 1 lit. a IRSG und § 46 dStGB zu einer Gefängnisstrafe von einem Monat, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges mit einer Probezeit von 2 Jahren gemäss §§ 56 und 56a dStGB. Ferner erteilte es ihr im Sinne von § 56c dStGB die Weisung, sich wöchentlich einmal in psychotherapeutische Behandlung zu begeben und sich halbjährlich bei der Staatsanwaltschaft über die erfolgte Behandlung auszuweisen.
Eine dagegen eingereichte Berufung der Staatsanwaltschaft wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 14. Juli 1992 ab, wobei es von Amtes wegen in der Ziff. 2 des Dispositivs des erstinstanzlichen Urteils den Begriff "Gefängnisstrafe" durch "Freiheitsstrafe" ersetzte.
B.- Gegen diesen Entscheid führt die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit der sie beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Beschwerdebegründung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Obergericht des Kantons Aargau und B. verzichteten auf Gegenbemerkungen.
 
1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Ausfällung einer "Freiheitsstrafe" nach deutschem Recht anstelle einer Gefängnisstrafe verletze Bundesrecht. Konsequenterweise müsste eine "Freiheitsstrafe" auch nach den Regeln des deutschen Rechts vollzogen werden. Es sei aber unvorstellbar, wie sich eine solche Praxis gestalten sollte, insbesondere wenn etwa Sanktionen aus fremden Rechtskulturen vollzogen werden müssten. Ferner überzeuge auch die Anwendung des deutschen Rechts bezüglich der Gewährung des bedingten Strafvollzuges und einer damit verbundenen WeisungBGE 118 IV 305 (306) BGE 118 IV 305 (307)nicht. Die Vorinstanz vertrete in dieser Hinsicht die Auffassung, mit der Frage des anwendbaren Rechts für die materielle Tatbeurteilung sei zwangsläufig auch die Entscheidung über das anwendbare Recht für die Gewährung des bedingten Strafvollzuges getroffen. Sie setze sich somit nicht mit der Frage auseinander, ob das deutsche Recht in dieser Hinsicht das mildere sei. Wenn man aber davon ausgehen wolle, dass grundsätzlich auch in diesem Bereich die ausländischen Strafrechtsregeln, sofern für den Angeklagten günstiger, zu übernehmen seien, müsse in bezug auf diesen Punkt die Frage des anwendbaren Rechts gesondert, d.h. unabhängig von dem bei der materiellen Beurteilung der begangenen Straftaten gefällten Entscheid, geprüft werden. Im zu beurteilenden Fall ergebe sich für die Beschwerdegegnerin aus der Anwendung des deutschen Rechts in diesem Bereich keine Vorteile. Wenn das deutsche Recht aber nicht das mildere sei, müsse schweizerisches Recht angewendet werden.
b) Die Anwendung von § 171 dStGB war im kantonalen Berufungsverfahren nicht streitig; der erstinstanzliche Entscheid ist im Schuldspruch somit in Rechtskraft erwachsen. Der Schuldspruch gemäss § 171 dStGB ist auch im bundesgerichtlichen Verfahren nicht angefochten. Ob die Vorinstanz nach dem Grundsatz der lex mitior zu Recht ausländisches Recht angewendet hat, ist daher nicht zu prüfen. Damit ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch festgelegt, dass hinsichtlich der Strafzumessung und der Gewährung des bedingten Strafvollzuges deutsches Recht zur Anwendung gelangt, da die gleichzeitige Anwendung von in- und ausländischen Strafrechtsregeln grundsätzlich ausgeschlossen ist (BGE 109 IV 93 E. c; TRECHSEL, Kurzkommentar zum StGB, N 11 a.E. zu Art. 2). Dies folgt im übrigen schon aus der konkreten Methode zur Ermittlung des milderen Rechts, bei der in einer Gesamtbeurteilung unterBGE 118 IV 305 (307) BGE 118 IV 305 (308)Einschluss der Strafzumessungsregeln sowie der Bestimmungen über die Gewährung des bedingten Strafvollzuges der Sachverhalt sowohl nach in- wie nach ausländischem Recht zu beurteilen und danach festzustellen ist, welche Lösung die mildere ist (vgl. dazu TRECHSEL, a.a.O., N 11 zu Art. 2 und die dort zitierten Bundesgerichtsentscheide).
a) Nach einhelliger Lehre kann der schweizerische Richter, der ausländisches Strafrecht anzuwenden hat, nur eine Sanktion des schweizerischen Rechts aussprechen. Er muss daher die Sanktion, die nach ausländischem Recht auszusprechen wäre, in eine gleichartige und gleichwertige Sanktion des schweizerischen Rechts umwandeln (JEAN-LUC COLOMBINI, La prise en considération du droit étranger dans le jugement pénal, Diss. Lausanne 1983, S. 110 N 167; HAFTER, Lehrbuch des schweizerischen Strafrechts, Allg. Teil, 2. Auflage, S. 59; G.F. VON CLERIC, Die Anwendung ausländischen Strafrechts durch den inländischen Richter, ZStrR 37/1924, S. 72; vgl. auch THORMANN/VON OVERBECK, Schweiz. Strafgesetzbuch, Band 1, N 14 zu Art. 5). Für die stellvertretende Rechtspflege gemäss Art. 85 IRSG bestimmt Art. 86 Abs. 2 Satz 2 IRSG denn auch ausdrücklich: "Der Richter kann nur die im schweizerischen Recht vorgesehenen Sanktionen verhängen" (vgl. allgemein zur Umwandlung: DIETRICH OEHLER, Internationales Strafrecht, 2. Aufl., S. 595 ff.). Diese Regelung drängt sich im übrigen aus naheliegenden Gründen auf, da die Schweiz andernfalls verpflichtet wäre, für den Vollzug ausländischer Sanktionen besondere Vollzugsverfahren oder gar spezielle Vollzugsanstalten zu schaffen.
b) Die Freiheitsstrafe von 1 Monat, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges mit einer Probezeit von 2 Jahren und einer Weisung gemäss §§ 56, 56a und 56c dStGB, hätte die Vorinstanz somit in eine gleichartige und gleichwertige Sanktion des schweizerischen Rechts umwandeln müssen. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung im Strafpunkt an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Vorinstanz wird eine Gefängnisstrafe nach Art. 36 StGB zu verhängen haben, da diese im zu beurteilenden Fall einer einmonatigen Strafe am besten der Einheitsfreiheitsstrafe gemäss § 38 dStGBBGE 118 IV 305 (308) BGE 118 IV 305 (309)(vgl. dazu SCHÖNKE/SCHRÖDER, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 24. Aufl., Vorbem. §§ 38 ff. N 26 und 34) entspricht. Beim bedingten Strafvollzug, der Probezeit und der in diesem Zusammenhang erteilten Weisung darf die deutsche Regelung der Strafaussetzung zur Bewährung gemäss §§ 56 ff. dStGB als jener des schweizerischen Rechts nach Art. 41 Ziff. 1 und Ziff. 2 StGB gleichwertig betrachtet werden, so dass die Umwandlung insoweit in Anwendung dieser schweizerischen Bestimmungen zu erfolgen haben wird.BGE 118 IV 305 (309)