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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Gemäss Art. 20 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 19. Dezember ...
Erwägung 2
Erwägung 2.2
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6. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Statthalteramt des Bezirkes Pfäffikon/ZH (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
6S.197/2005 vom 6. Dezember 2005
 
 
Regeste
 
Gefährdung der Schwerverkehrsabgabe (Art. 20 Abs. 1 SVAG); Deklaration des mitgeführten Anhängers am Erfassungsgerät (Art. 17 Abs. 1 SVAV).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 132 IV 40 (41)A. Am 11. Dezember 2003, um 10.09 Uhr, passierte X. mit einem Lastwagen mit Luzerner Kontrollschildern die stationäre Kontrollanlage der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe auf der A1 in Effretikon/ZH Fahrtrichtung Süd. Dabei wurde festgestellt, dass der Lastwagen einen Anhänger mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 12 Tonnen mitführte, dieser aber im Erfassungsgerät ("Tripon") nicht deklariert worden war.
B.
B.a Mit Strafverfügung vom 4. Juni 2004 verurteilte das Statthalteramt des Bezirkes Pfäffikon/ZH X. wegen (fahrlässiger) Widerhandlung gegen das Bundesgesetz und gegen die Verordnung über eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (Art. 20 SVAG und Art. 17 Abs. 1 SVAV, Nichtdeklarieren eines Anhängers) zu einer Busse von 100 Franken.
X. erhob Einsprache und verlangte die gerichtliche Beurteilung.
B.b Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Pfäffikon/ZH sprach X. am 7. Oktober 2004 der (fahrlässigen) Widerhandlung gegen das Bundesgesetz und gegen die Verordnung über eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe im Sinne von Art. 20 SVAG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 SVAV schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von 100 Franken.
B.c Das Obergericht des Kantons Zürich wies am 23. April 2005 die von X. eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf eintrat, präzisierte aber das erstinstanzliche Dispositiv im Schuldpunkt dahingehend, dass X. - ohne Hinweis auch auf Art. 17 Abs. 1 SVAV - der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe im Sinne von Art. 20 SVAG schuldig gesprochen wurde.
C. X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.BGE 132 IV 40 (41)
 
BGE 132 IV 40 (42)Aus den Erwägungen:
 
Nach den Erwägungen der Vorinstanz führt eine Verletzung von Bestimmungen, welche dazu dienen, die gesetzmässige Erhebung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe sicherzustellen, indirekt zu einer Verletzung von Art. 20 SVAG. Nicht die Missachtung von Art. 17 und 21 SVAV an sich sei strafbar, die Verletzung dieser Normen durch den Fahrzeugführer bewirke aber eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Nichtvornahme der gesetzeskonformen Ermittlung der Fahrleistungen und gefährde somit die gesetzmässige Veranlagung. Unterbleibe die in Art. 17 Abs. 1 SVAV vorgeschriebene Deklaration aller erforderlichen Angaben am Erfassungsgerät, so werde der mitgeführte Anhänger vom Gerät nicht (über die Anhängersensorik) registriert, wenn der Stromkreis zwischen Zugfahrzeug und Anhänger beispielsweise durch einen WackelkontaktBGE 132 IV 40 (42) BGE 132 IV 40 (43)unterbrochen sei. In einem solchen Fall könne nur die Deklaration am Erfassungsgerät selbst bewirken, dass die mit dem Anhänger gefahrenen Kilometer auch erfasst würden. Jede Verletzung von Art. 17 und 21 SVAV erhöhe somit die Wahrscheinlichkeit der unrechtmässigen Erfassung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe und erfülle daher den Tatbestand von Art. 20 Abs. 1 SVAG.
 
Erwägung 2
 
BGE 132 IV 40 (44)Die Abgabe wird mit einem von der Zollverwaltung zugelassenen elektronischen Messgerät ermittelt. Dieses besteht aus dem im Fahrzeug eingebauten Fahrtschreiber bzw. Wegimpulsaufnehmer sowie einem Erfassungsgerät, das die massgebende Fahrleistung ermittelt und registriert (Art. 15 Abs. 1 Satz 1). Für den Einbau, die Prüfung und die Inbetriebnahme des Erfassungsgeräts ist die Halterin oder der Halter verantwortlich (Art. 16 Abs. 1 Satz 2). Die Halterin oder der Halter muss das Erfassungsgerät mit einer von der Zollverwaltung abgegebenen Chipkarte initialisieren oder initialisieren lassen (Art. 16 Abs. 3). Die kantonale Vollzugsbehörde bzw. Betriebe und Organisationen, die zur Nachprüfung ermächtigt sind, kontrollieren bei den periodischen Fahrzeugprüfungen die Anhängersensorik des Erfassungsgeräts (Art. 16 Abs. 4).
Führt das Motorfahrzeug einen Anhänger mit, so muss die Fahrzeugführerin oder der Fahrzeugführer alle erforderlichen Angaben am Erfassungsgerät deklarieren (Art. 17 Abs. 1). Für jeden Anhänger mit einem Gesamtgewicht von über 3,5 t mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Anhänger stellt die Zollverwaltung eine Chipkarte aus, die alle für die Erfassung erforderlichen Daten enthält (Art. 17 Abs. 2 Satz 1). Die Abgabe für mitgeführte Anhänger ist von der Halterin oder vom Halter des Zugfahrzeugs zu deklarieren und zu bezahlen (Art. 17 Abs. 3).
Die abgabepflichtige Person muss der Zollverwaltung die für die Berechnung der Abgabe erforderlichen Angaben innerhalb von 20 Tagen nach Ablauf der Abgabeperiode deklarieren (Art. 22 Abs. 1). Für Motorfahrzeuge mit Erfassungsgerät sind die durch dieses Gerät ermittelten Kilometer massgebend. Sind Fehlermeldungen aufgetreten oder sind nach Auffassung der abgabepflichtigen Person die Daten des Erfassungsgeräts aus anderen Gründen falsch, so muss sie dies mit der Deklaration schriftlich mitteilen und begründen (Art. 22 Abs. 1). Ist das Motorfahrzeug mit einem Erfassungsgerät ausgerüstet, so wird die Deklaration mit elektronischer Datenübermittlung oder elektronischem Datenträger, in den übrigen Fällen schriftlich vorgenommen (Art. 22 Abs. 4). Die Abgabe wird auf Grund der von der abgabepflichtigen Person eingereichten elektronischen oder schriftlichen Deklaration veranlagt (Art. 23 Abs. 1). Abgabeperiode ist der Kalendermonat (Art. 24 Abs. 1 Satz 1). Die Zollverwaltung stellt der abgabepflichtigen Person Rechnung. Diese kann innerhalb von 30 Tagen bei der Oberzolldirektion eine anfechtbare Verfügung verlangen (Art. 25 Abs. 1).BGE 132 IV 40 (44)
 
BGE 132 IV 40 (45)Erwägung 2.2
 
2.2.1 Strafbar nach Art. 20 Abs. 1 SVAG macht sich unter anderen, wer die Abgabe hinterzieht oder gefährdet (celui qui soustrait ou met en péril la redevance; chiunque sottrae o mette in pericolo la tassa) sowie wer die gesetzmässige Veranlagung gefährdet (celui qui compromet la procédure de taxation légale; chiunque compromette la procedura di tassazione legale). Gemäss den Ausführungen in der Botschaft des Bundesrates handelt es sich "bei der Gefährdung (...) insbesondere um Bestimmungen, die die Verletzung von Mitwirkungs- bzw. Auskunftspflichten sanktionieren" (BBl 1996 V 521 ff., S. 549). Diese Auffassung entspricht der Konzeption der Abgabe- und Steuergefährdung, die zahlreichen Gesetzen zugrunde liegt. Nach dem Bundesgesetz vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer (VStG; SR 642.21) beispielsweise wird wegen Steuergefährdung unter anderem bestraft, wer die gesetzmässige Durchführung der Verrechnungssteuer gefährdet, indem er vorsätzlich oder fahrlässig im Steuererhebungsverfahren der Pflicht zur Anmeldung als Steuerpflichtiger, zur Einreichung von Steuererklärungen, Aufstellungen und Abrechnungen, zur Erteilung von Auskünften und zur Vorlage von Geschäftsbüchern und Belegen nicht nachkommt (Art. 62 Abs. 1 lit. a VStG). Wer der Pflicht zur Erteilung von Auskünften nicht nachkommt, erfüllt dadurch den Tatbestand der Steuergefährdung im Sinne von Art. 62 Abs. 1 lit. a VStG, ohne dass noch eine konkrete Gefährdung der Durchführung der Steuer nachgewiesen werden muss (BGE 110 IV 54). Nach dem Bundesgesetz vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer (MWSTG; SR 641.20) wird wegen Steuergefährdung unter anderem bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig Geschäftsbücher, Belege, Geschäftspapiere und sonstige Aufzeichnungen nicht ordnungsgemäss führt, ausfertigt, aufbewahrt oder vorlegt (Art. 86 Abs. 1 lit. c MWSTG) sowie wer für die Steuererhebung massgebende Daten und Gegenstände nicht oder unrichtig deklariert (Art. 86 Abs. 1 lit. g MWSTG). In ähnlicher Weise wie in den beiden vorstehend genannten Gesetzen sind die Tatbestände der Steuergefährdung in anderen Gesetzen umschrieben (siehe etwa Art. 46 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben [SR 641.10]; Art. 36 des Bundesgesetzes über die Tabakbesteuerung [SR 641.31]).
2.2.2 In Art. 20 SVAG wird im Unterschied zu den zitierten Gesetzen nicht ausdrücklich umschrieben, durch welche Verhaltensweisen im Einzelnen der Tatbestand der Gefährdung der Abgabe bzw. der Gefährdung der gesetzmässigen Veranlagung erfülltBGE 132 IV 40 (45) BGE 132 IV 40 (46)werden kann. Art. 20 SVAG stimmt darin mit verschiedenen anderen Gesetzen überein, in denen der Tatbestand der Steuergefährdung ebenfalls nicht näher umschrieben wird (siehe z.B. Art. 36 Abs. 1 des Automobilsteuergesetzes [SR 641.51]; Art. 38 Abs. 1 des Mineralölsteuergesetzes [SR 641.61]).
Setzt ein Straftatbestand die Gefährdung eines bestimmten Rechtsgutes voraus, so ist damit häufig eine konkrete Gefährdung gemeint, d.h. die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit einer Verletzung des geschützten Rechtsgutes. Der Begriff der Gefährdung muss indessen nicht im gesamten Strafrecht einschliesslich des sog. Nebenstrafrechts im Allgemeinen und des Steuerstrafrechts im Besonderen einheitlich in diesem Sinne ausgelegt werden, und eine solche Auslegung ergibt sich auch nicht aus Art. 1 StGB. Aus den vorstehend (E. 2.2.1) genannten Gesetzen geht hervor, dass die Verletzung von Mitwirkungs- und Auskunftspflichten im Zusammenhang mit der Veranlagung und Erhebung von Steuern und Abgaben in der Sprache dieser Gesetze eine Steuer- bzw. Abgabegefährdung ist. Es ist mithin nicht erforderlich, dass infolge der Verletzung der Mitwirkungspflicht die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit der Veranlagung einer zu niedrigen Steuer bzw. Abgabe besteht. Dies gilt entsprechend auch für Abgabe- und Steuergefährdungstatbestände, in deren Umschreibung die einzelnen tatbestandsmässigen Verhaltensweisen nicht ausdrücklich genannt werden.
In den zuletzt erwähnten Fällen kann allerdings unter Umständen streitig sein, ob eine bestimmte Verhaltenspflicht als Mitwirkungs- bzw. Auskunftspflicht anzusehen ist, deren Missachtung den Tatbestand der Gefährdung der Abgabe respektive der Gefährdung der gesetzmässigen Veranlagung erfüllt. Wie es sich damit im Einzelnen verhält, muss hier nicht entschieden werden.
Die Pflicht der Fahrzeugführerin oder des Fahrzeugführers, alle erforderlichen Angaben betreffend einen mitgeführten Anhänger am Erfassungsgerät zu deklarieren (Art. 17 Abs. 1 SVAV), ist in jedem Fall eine Mitwirkungspflicht, deren Missachtung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 SVAG die Abgabe bzw. die gesetzmässige Veranlagung gefährdet respektive die gesetzmässige Veranlagung im Sinne der romanischen Gesetzestexte ("compromettre", "compromettere") beeinträchtigt.
2.3 Das Erfassungsgerät "Tripon" ist nach den Feststellungen der kantonalen Instanzen grundsätzlich so programmiert, dass es denBGE 132 IV 40 (46) BGE 132 IV 40 (47)mitgeführten Anhänger allein schon über die Anhängersensorik selbständig erfasst und auf dem elektronischen Datenträger registriert. Dies ändert indessen nichts daran, dass die Fahrzeugführerin oder der Fahrzeugführer gemäss Art. 17 Abs. 1 SVAV alle erforderlichen Angaben betreffend den mitgeführten Anhänger am Erfassungsgerät selbst deklarieren muss und durch die Verletzung dieser Pflicht im Sinne von Art. 20 Abs. 1 SVAG die gesetzmässige Veranlagung der Abgabe gefährdet. Denn zum einen kann die Anhängersensorik für einmal defekt sein und zum andern wird über die Anhängersensorik allein nicht auch das zulässige Gesamtgewicht des mitgeführten konkreten Anhängers automatisch registriert, welches für die Bemessung der Abgabe ebenfalls von Bedeutung ist (siehe Art. 13 Abs. 4 SVAV). Unerheblich ist, dass in den Fällen, in denen der mitgeführte Anhänger allein über die funktionstüchtige Anhängersensorik auf dem Datenträger registriert wird, die Steuer in der Praxis offenbar im Rahmen einer Veranlagung nach Ermessen auf der Grundlage des höchstzulässigen Gesamtgewichts veranlagt wird und der Staat daher allenfalls keine Steuereinbusse erleidet. Der Tatbestand der Abgabegefährdung bzw. der Gefährdung der gesetzmässigen Veranlagung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 SVAG setzt nicht eine solche Einbusse voraus.