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BGE 135 I 169 - Privatdetektive der Unfallversicherung


Zitiert selbst:


Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 3
Erwägung 3.1
Erwägung 3.5
Erwägung 3.6
Erwägung 3.8
Erwägung 4
Erwägung 4.1
Erwägung 4.2
Erwägung 4.3
Erwägung 4.6
Erwägung 4.7
Erwägung 5
Erwägung 5.3
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
28. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen X. (Beschwerde in Strafsachen)
 
 
6B_777/2007 vom 16. Juni 2008
 
 
Regeste
 
Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung; Anwendungsbereich des Gesetzes, Begriff der verdeckten Ermittlung; verdeckte polizeiliche Beteiligung an der Kommunikation in Chatforen im Internet zwecks Aufklärung von Straftaten, im Besonderen von sexuellen Handlungen mit Kindern, im Vorfeld eines Strafverfahrens; Erfordernis einer richterlichen Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler, Beweisverwertungsverbot mit Fernwirkung bei deren Fehlen (Art. 1, 2, 4, 5, 7, 8, 17, 18 BVE).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 134 IV 266 (268)X. nahm am 17. August 2005 unter dem Pseudonym "Jérôme" über das Internet im Bluewin-Chatroom "kidstalk" Kontakt mit einer Person mit dem Pseudonym "manuela_13" auf. Er hatte unter demselben Pseudonym schon vorher am gleichen Tag sowie am 6. August 2005 mit einer Person mit dem Pseudonym "Jenny_13" gechattet. Im Rahmen der Kommunikation im Chat konfrontierte der damals 26-jährige X. die Person mit dem Pseudonym "manuela_13" mit verschiedenen Äusserungen, Fragen und Aufforderungen sexuellen Inhalts. Er fragte sie, ob sie bereits Brüste und schon Haare an ihrem Geschlechtsteil habe. Er forderte sie auf, sich an ihrem Geschlechtsteil zu streicheln, während er dasselbe mit dem seinen täte. Er äusserte, er habe schon einmal mit einer 13-Jährigen Sex gehabt. Er bat sie, eine Fotoaufnahme ihres Geschlechtsteils zu machen undBGE 134 IV 266 (268) BGE 134 IV 266 (269)ihm diese zu schicken, was "manuela _13" ablehnte. Nach rund einstündigem Chatten schlug er vor, dass er von seinem Wohnort im Tessin nach Zürich komme, um sie zu treffen und im Auto am Geschlechtsteil zu streicheln und alles zu machen. Hierauf wurde ein Treffen auf den nächsten Tag, 11.00 Uhr, am Treffpunkt im Hauptbahnhof Zürich vereinbart. Rund 30 Minuten später gab er "manuela_13" im Chat seine (echte) Mobiltelefonnummer bekannt, worauf ihm "manuela_13" eine E-Mail-Adresse angab. X. erschien am vereinbarten Termin, doch traf er dort nicht auf ein 13-jähriges Mädchen, sondern auf Polizeibeamte, die sich sofort als solche zu erkennen gaben. Hinter dem Pseudonym "manuela_13" hatten sich, wie zuvor hinter dem Pseudonym "Jenny_13", Angehörige der Polizei verborgen.
Im Rahmen der in der Folge gegen X. eröffneten Strafuntersuchung wegen des Verdachts des (untauglichen) Versuchs der sexuellen Handlungen mit einem Kind, angeblich begangen dadurch, dass er zwecks Vornahme von sexuellen Handlungen an dem vereinbarten Treffen erschien, fand unter anderem eine Hausdurchsuchung bei X. statt, wobei in einem Computer kinderpornografische Bildaufnahmen sichergestellt wurden. Gegen X. wurde Anklage wegen unvollendeten untauglichen Versuchs der sexuellen Handlungen mit Kindern sowie wegen Pornografie (im Sinne von Art. 197 Ziff. 3bis StGB) erhoben. Wegen der verschiedenen Äusserungen, Fragen und Aufforderungen sexuellen Inhalts im Chat vom 17. August 2005 mit "manuela_13" wurde offenbar keine Anklage erhoben.
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X. am 7. September 2007 in Bestätigung des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 19. Juni 2006 frei.
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei wegen Verletzung von Bundesrecht aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
X. beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht weit die Beschwerde in Strafsachen ab.
 
 
Erwägung 3
 
 
Erwägung 3.1
 
3.1.1 Das Bundesgesetz vom 20. Juni 2003 über die verdeckte Ermittlung (BVE; SR 312.8) enthält, wie schon der bundesrätlicheBGE 134 IV 266 (269) BGE 134 IV 266 (270)Entwurf, keine Definition der verdeckten Ermittlung. In der Botschaft des Bundesrates (BBl 1998 S. 4241 ff.) wird dazu ausgeführt, der Begriff der verdeckten Ermittlung werde in der Diskussion immer wieder verschieden gebraucht, was zu Verständnis- und Abgrenzungsschwierigkeiten führe. Gleichwohl solle auf eine Legaldefinition verzichtet werden, weil der Rahmen durch die gesetzlichen Bestimmungen ausreichend genau festgelegt werde. Gemäss den Ausführungen in der Botschaft ist verdeckte Ermittlung das Anknüpfen von Kontakten zu verdächtigen Personen, die darauf abzielen, die Begehung einer strafbaren Handlung festzustellen und zu beweisen, wobei vorwiegend passiv die deliktische Tätigkeit untersucht wird (a.a.O., S. 4283). Von der verdeckten Ermittlung ist laut Botschaft die Observation zu unterscheiden, welche grundsätzlich das gezielte Beobachten von Vorgängen an öffentlichen oder allgemein zugänglichen Orten - allenfalls unter Einsatz von Bild- und Tonaufnahmegeräten - umfasst (a.a.O., S. 4283). Sowohl bei einer Observation als auch bei einer verdeckten Ermittlung gehe es darum, Beweise für eine strafbare Handlung zu erlangen, wobei diese Tätigkeit für die verdächtigten Personen nicht erkennbar sein soll. Während bei einer Observation von aussen gezielt beobachtet werde, erfolge bei einer verdeckten Ermittlung das Einschleusen von dafür eingesetzten Polizeibeamten in einen bestimmten Personenkreis (a.a.O., S. 4284). Davon zu unterscheiden ist gemäss den weiteren Ausführungen in der Botschaft der Einsatz von Fahndern in Zivilkleidung. Auch diese könnten Personen und Vorgänge beobachten, ohne vorerst ihre Funktion bekannt zu geben. Sie benötigten jedoch keine Legende und beanspruchten keine Zeugenschutzmassnahmen und stünden unter der normalen dienstlichen Aufsicht (a.a.O., S. 4284).
Die Botschaft scheint somit unter anderem zwischen verdeckten Ermittlern einerseits und Fahndern in Zivil andererseits zu unterscheiden, wobei Letztere nicht unter den Anwendungsbereich des BVE fallen. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen in der Botschaft zu anderen Bestimmungen. So wird zu Art. 8 des bundesrätlichen Entwurfs ("Verwendung der Erkenntnisse"), dem Art. 12 BVE wörtlich entspricht, unter anderem ausgeführt, dass die verdeckte Ermittlung im Vorfeld eines Strafverfahrens qualitativ noch sehr nahe beim Einsatz von Fahndern in Zivil oder bei der Observation sei, bei denen die eingesetzten Polizeibeamten nach den meisten kantonalen Polizeigesetzgebungen umfassend verpflichtet seien,BGE 134 IV 266 (270) BGE 134 IV 266 (271)während des Dienstes festgestellte Straftaten anzuzeigen. Aus diesem Grunde dürften Zufallsfunde, die im Rahmen einer verdeckten Ermittlung im Vorfeld eines Strafverfahrens gemacht würden, voraussetzungslos verwertet werden, mithin nicht nur dann, wenn auch zur Verfolgung der zufällig entdeckten Straftat eine verdeckte Ermittlung angeordnet werden könnte (a.a.O., S. 4293). Sodann hat der Bundesrat auf die im Vernehmlassungsentwurf noch vorgesehene Streichung von Art. 23 Abs. 2 BetmG verzichtet, wonach der Polizeibeamte, der zu Ermittlungszwecken selber ein Angebot von Betäubungsmitteln annimmt, straflos bleibt, auch wenn er seine Identität und Funktion nicht bekannt gibt. Der Vernehmlassungsentwurf wollte diese Bestimmung streichen und nur noch für die verdeckte Ermittlung die Straffreiheit zubilligen (a.a.O., S. 4301). Gegen die Streichung wurde in verschiedenen Vernehmlassungen opponiert mit der Begründung, dass auch andere Fahnder in Zivil, die nicht als verdeckte Ermittler eingesetzt seien, die Möglichkeit behalten sollten, zu Ermittlungszwecken ihnen angebotene Drogen anzunehmen. Dieses Argument hat den Bundesrat überzeugt, weshalb Art. 23 Abs. 2 BetmG beibehalten wurde mit der Modifikation, dass die betroffenen Beamten mit dem Auftrag zur Bekämpfung des Drogenhandels betraut sein müssen (a.a.O., S. 4301).
Aus der Botschaft geht allerdings nicht hervor, nach welchen Kriterien sich die verdeckten Ermittler von den Fahndern in Zivil unterscheiden. Der Hinweis in der Botschaft, dass die Fahnder in Zivil keine Legende benötigen und keine Zeugenschutzmassnahmen beanspruchen (a.a.O., S. 4284), ist an sich zutreffend, doch ist die darin enthaltene Andeutung, dass die verdeckten Ermittler eine Legende benötigen und Zeugenschutzmassnahmen beanspruchen, zumindest ungenau. Denn diese Massnahmen sind sowohl nach dem bundesrätlichen Entwurf (Art. 3) als auch nach dem Gesetz (Art. 6 BVE) fakultativ ("[...] kann [...]"), auch wenn offenbar laut Botschaft "in der Praxis" Einsätze von verdeckten Ermittlern "regelmässig" mit Vertraulichkeitszusage und Legende erfolgen (a.a.O., S. 4288).
3.1.2 Der bundesrätliche Entwurf hat in den Verhandlungen der eidgenössischen Räte (AB 2001 N 1812 ff., 1836 ff.; AB 2002 S 534 ff.; AB 2002 N 1259 ff.; AB 2002 S 1073 ff.; AB 2003 N 361 f.; AB 2003 S 487 f.) erhebliche Änderungen erfahren. Aus den Verhandlungen geht hervor, dass auch das Parlament bei der verdeckten Ermittlung relativ langfristige und heikle Einsätze namentlich im Rahmen derBGE 134 IV 266 (271) BGE 134 IV 266 (272)Bekämpfung des Betäubungsmittelhandels und der sog. organisierten Kriminalität im Auge hatte. Aus den Verhandlungen ergibt sich nicht zweifelsfrei, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen nach den Vorstellungen des Parlaments auch kurze und relativ einfache Einsätze unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen sollen.
Das BVE ist somit auch anwendbar, wenn es an einem "kriminellen Umfeld" fehlt. Daher kann dahingestellt bleiben, was unter einem "kriminellen Umfeld" im Sinne von Art. 1 BVE zu verstehen ist und ob dieser Begriff allenfalls auch in einem weiten Sinne dahingehend verstanden werden könnte, dass in das Umfeld eines Kriminellen eingedrungen wird. Im Übrigen ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass die von den eidgenössischen Räten am 5. Oktober 2007 verabschiedete künftige schweizerische Strafprozessordnung, welche unter dem 8. Kapitel ("Geheime Überwachungsmassnahmen") die "verdeckte Ermittlung" in Art. 286-298 regelt, keinen dem Art. 1 BVE entsprechenden Zweckartikel enthält.BGE 134 IV 266 (272)
BGE 134 IV 266 (273)3.3 Der Bundesrat äussert in der Botschaft zum BVE die Meinung, dass auch ohne Definition des Begriffs der verdeckten Ermittlung der Anwendungsbereich des BVE durch die gesetzlichen Bestimmungen ausreichend genau festgelegt werde (BBl 1998 S. 4283). Aus verschiedenen Bestimmungen des BVE (wie übrigens auch der künftigen StPO/CH) lässt sich in der Tat ableiten, dass verdeckte Ermittlungen im Sinne des Gesetzes nach den Vorstellungen des Gesetzgebers in der Regel relativ langfristige und heikle Einsätze sind, bei denen einerseits zum Zwecke einer erfolgreichen und nachhaltigen Täuschung der Zielpersonen und andererseits zum Schutze der verdeckten Ermittler flankierend verschiedene Anordnungen getroffen werden können. Dies ergibt sich unter anderem und insbesondere aus Art. 6 ("Legende und Vertraulichkeitszusage"), Art. 8 Abs. 3 und Art. 18 Abs. 3 (betreffend die einjährige Höchstdauer mit Verlängerungsmöglichkeit), Art. 9 ("Rechte und Pflichten"), Art. 10 Abs. 3 (betreffend Probekäufe und Dokumentation der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit), Art. 11 ("Führungsperson"), Art. 16 ("Straflosigkeit von Betäubungsmitteldelikten"), Art. 17 Abs. 2 (betreffend Zusicherung von Schutzmassnahmen im Strafverfahren), Art. 20 ("Vorzeigegeld") und Art. 23 ("Schutzmassnahmen"). Entsprechende Bestimmungen enthält auch die künftige schweizerische Strafprozessordnung (siehe Art. 288, 289 Abs. 5, 291, 292, 293 Abs. 3, 294, 295).
Die gesetzliche Regelung ist offensichtlich auf längere und relativ heikle Einsätze zugeschnitten. Verschiedene Bestimmungen des Gesetzes passen überhaupt nicht für kurze und relativ einfache Einsätze, die sich auf wenige Kontakte oder gar nur einen einzigen Kontakt mit einer bestimmten Zielperson beschränken und keine besonderen Vorkehrungen etwa zur Täuschung der Zielperson und zum Schutz des Ermittlers erfordern.
Es stellt sich daher die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen auch solche kurzen und relativ einfachen Einsätze als verdeckte Ermittlungen im Sinne des BVE anzusehen sind.
3.4 In der Lehre ist ebenfalls erkannt worden, dass der Anwendungsbereich des BVE unter anderem mangels einer gesetzlichen Definition des Begriffs der verdeckten Ermittlung unklar ist (siehe THOMAS HANSJAKOB, Das neue Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung, ZStrR 122/2004 S. 97 ff.; CHARLES HAENNI, Verdeckte Ermittlung, Kriminalistik 4/2005 S. 248 ff.; FRANZ BÄTTIG, Verdeckte Ermittlung nach Inkrafttreten des BVE aus polizeilicher Sicht,BGE 134 IV 266 (273) BGE 134 IV 266 (274)Kriminalistik 2/2006 S. 130 ff.; PETER RÜEGGER/ROLF NÄGELI, Chatrooms: Ein Tummelplatz für pädosexuelle Straftäter, Kriminalistik 6/2006 S. 404 ff.; WOLFGANG WOHLERS, Das Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung [BVE], Taugliches Instrument zur effizienten Bekämpfung der Organisierten Kriminalität?, ZSR 124/2005 I S. 219 ff.; PATRICK BISCHOFF/MARKUS LANTER, Verdeckte polizeiliche Ermittlungshandlungen in Chatrooms, Jusletter vom 14. Januar 2008, Rz. 5 ff.). Zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des BVE werden verschiedene Lösungen vorgeschlagen.
 
Erwägung 3.5
 
3.5.1 Die in einem Teil des Schrifttums vertretene Auffassung, eine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE liege nur vor, wenn der ermittelnde Beamte mit einer Legende ausgestattet ist und/oder seine Identität auch in einem späteren Strafverfahren geschützt werden soll, hat den Vorteil, dass sie den Anwendungsbereich des BVE relativ klar eingrenzt. Sie beruht zudem auf der an sich plausiblen Überlegung, dass das durch das BVE vorgeschriebene Verfahren - etwa betreffend die erforderliche richterliche Genehmigung - nur eingehalten werden muss, wenn die Strafverfolgungsbehörden von den besonderen Möglichkeiten Gebrauch machen wollen, die das BVE eröffnet. Gegen diese Auffassung spricht allerdings, dass die Ausstattung des verdeckten Ermittlers mit einer Legende, die Vertraulichkeitszusage und die Erlaubnis zur Herstellung und Veränderung von Urkunden zwecks Aufbaus und Aufrechterhaltung einer Legende - übrigens auch gemäss der künftigen schweizerischen Strafprozessordnung (vgl. Art. 288 StPO/CH) - zweifellos fakultativ ("[...] kann [...]") sind (siehe Art. 6 BVE) und somit klarerweise keine notwendigen Merkmale einer verdeckten Ermittlung im Sinne des Gesetzes darstellen. Das BVE unterscheidet sich damit beispielsweise von der früheren Regelung in der Strafprozessordnung des Kantons Zürich, wonach Personen, die verdeckt ermitteln, unter einer Legende auftreten, die ihre wahre Identität verändert (siehe § 106c aStPO/ZH), sowie von der Regelung in der deutschen Strafprozessordnung, wonach verdeckte Ermittler Beamte des Polizeidienstes sind, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln (§ 110a Abs. 2 StPO/D). Die Straflosigkeit des verdeckten Ermittlers im Besonderen betrifft zudem lediglich allfällige Betäubungsmitteldelikte im Sinne von Art. 19 sowie Art. 20-22 BetmG (vgl. Art. 16 BVE; ebenso Art. 294 StPO/CH), mithin nicht auch andere Straftaten,BGE 134 IV 266 (274) BGE 134 IV 266 (275)welche der Ermittler im Rahmen der verdeckten Ermittlung begeht. Hinzu kommt, dass Art. 4 Abs. 2 BVE zahlreiche Katalogtaten auflistet, die, wie gerade auch die Straftat der sexuellen Handlungen mit Kindern (Art. 187 StGB), typischerweise auch von Einzeltätern begangen werden und durch verdeckte Ermittlungen in kurzen, relativ einfachen und ungefährlichen Einsätzen aufgedeckt werden können, welche weder die Ausstattung des verdeckten Ermittlers mit einer Legende noch eine Vertraulichkeitszusage oder andere Massnahmen zum Schutz des verdeckten Ermittlers erfordern.
 
Erwägung 3.6
 
3.6.2 Die Lehre scheint überwiegend der Auffassung zu sein, dass nicht jede verdeckte Ermittlung in diesem Sinne als verdeckteBGE 134 IV 266 (275) BGE 134 IV 266 (276)Ermittlung im Sinne des BVE anzusehen ist. Eine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE setzt nach der überwiegenden Ansicht im Schrifttum jedenfalls ein gewisses Mass an Täuschungs- und/oder Handlungs- und Eingriffsintensität voraus. Wenn dieses gewisse Mass nicht erreicht ist, liegt nach dieser Auffassung keine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE vor und bestimmt sich die Zulässigkeit der verdeckten Ermittlungstätigkeit nach dem kantonalen Strafprozessrecht. Auch die Beschwerdeführerin und die Vorinstanz gehen im vorliegenden Verfahren insoweit übereinstimmend davon aus, dass eine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE nur vorliegt, wenn das Verhalten der Polizeiangehörigen eine gewisse Täuschungs-, Handlungs- und Eingriffsintensität erreicht. Nach der Meinung der Vorinstanz ist diese im konkreten Fall im Verlauf des Chats vom 17. August 2005 in einem gewissen Zeitpunkt erreicht worden, was die Beschwerdeführerin bestreitet.
3.7 Aus diesen Gründen ist mangels einer klaren, abweichenden Regelung im BVE im Zweifelsfall davon auszugehen, dass jedes Anknüpfen von Kontakten mit einer verdächtigen Person zu Ermittlungszwecken durch einen nicht als solchen erkennbaren Polizeiangehörigen eine verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE ist und unter den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fällt. Damit liegt einerseits im BVE die für das Anknüpfen von solchen Kontakten ungeachtet des dabei betriebenen Täuschungsaufwandes in jedem Fall erforderliche besondere gesetzliche Regelung vor und ist andererseits ein solches Anknüpfen von Kontakten, unabhängig von der Täuschungs- und/oder Eingriffsintensität des polizeilichen Vorgehens, nur unter den im BVE genannten Voraussetzungen zulässig. Sollte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des BVE - beziehungsweise der Bestimmungen der künftigen schweizerischen Strafprozessordnung betreffend die verdeckte Ermittlung (Art. 286 ff. StPO/CH) - auf verdeckte Ermittlungen beschränken wollen, die eine gewisse Täuschungs- und/oder Eingriffsintensität aufweisen, hätte er dies durch entsprechende Vorschriften zum Ausdruck zu bringen, aus welchen sich ein diesbezüglich eingeschränkter Anwendungsbereich klar ergibt. In diesem Fall wäre allerdings im Gesetz - zurzeit in den kantonalen Strafprozessordnungen, künftig in der schweizerischen Strafprozessordnung - auch zu regeln, unter welchen Voraussetzungen und Umständen verdeckte Ermittlungen, welche das umschriebene Mass an Täuschungs- und/oder Eingriffsintensität nicht erreichen, zulässig sind; denn wegen der jeder verdeckten Ermittlung durch Anknüpfen von Kontakten innewohnenden Täuschung reichen insoweit die allgemeinen Vorschriften über die polizeiliche Ermittlungstätigkeit nicht aus.
 
Erwägung 3.8
 
3.8.1 Der Chat im Internet ist ein Medium der besonderen Art. Die Verwendung von Pseudonymen ist üblich, und offenbar kommt es häufig vor, dass die beteiligten Personen im Chat unwahre Angaben über sich, ihre Vorstellungen und ihre Absichten machen. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass in der Kommunikation im Chat eine Täuschung gar nicht möglich ist, weil hier mitBGE 134 IV 266 (277) BGE 134 IV 266 (278)allem gerechnet werden muss, auch etwa damit, dass der Chatpartner ein ermittelnder Polizeiangehöriger sein könnte, und dass die polizeiliche Beteiligung in einem für Kinder und Jugendliche reservierten Chatroom daher mangels jeglichen Erklärungswerts der darin gemachten Angaben keine Täuschung ist und aus diesem Grunde überhaupt keine verdeckte Ermittlung sein kann. Die polizeilichen Aktionen der vorliegenden Art zielen offensichtlich darauf ab zu ermitteln, ob der (vermeintlich) erwachsene Chatpartner gewillt und bereit ist, sich zwecks Vornahme von sexuellen Handlungen mit einem (vermeintlichen) Kind im realen Leben zu treffen (siehe dazu nachfolgend E. 3.9). Die Aktionen machen daher nur Sinn, wenn davon ausgegangen wird, dass die Zielperson sich durch die Angaben im Chat tatsächlich täuschen lässt und deshalb annimmt, sie habe es mit einem Kind zu tun. Die verdeckte polizeiliche Teilnahme an der Kommunikation im Chat ist demnach als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizieren. Dies gilt unabhängig davon, ob dabei etwa - wie im vorliegenden Fall - noch Telefonnummern und E-Mail-Adressen ausgetauscht werden, über welche beispielsweise eine Verschiebung des vereinbarten Treffens mitgeteilt werden könnte.
3.9 In den speziell für Kinder und Jugendliche eingerichteten Chatrooms im Internet tummeln sich erfahrungsgemäss auch pädosexuell veranlagte Personen, welche im Chat Kinder mit schriftlichen Äusserungen, Fragen und Aufforderungen sexuellen Inhalts konfrontieren und unter Umständen, darüber hinausgehend, ein Treffen im realen Leben anstreben, um mit dem Kind sexuelle Handlungen vorzunehmen. Polizeiliche Ermittlungen in solchen Chatrooms scheinen daher dazu geeignet zu sein, pädosexuelle Personen aufzuspüren, die möglicherweise einschlägige strafbare Handlungen verübt haben oder in der Zukunft begehen könnten. Die polizeiliche Tätigkeit kann sich darauf beschränken, die Kommunikation im Chat zwischen Drittpersonen lediglich mitzuverfolgen. Dies ist keineBGE 134 IV 266 (278) BGE 134 IV 266 (279)verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE, sondern höchstens eine Observation. Die polizeiliche Tätigkeit kann aber auch darüber hinausgehen, indem Polizeiangehörige sich an der Kommunikation im Chat beteiligen und dabei den unzutreffenden Eindruck erwecken, dass sie weniger als 16 Jahre alt und somit Kinder, seien es Knaben oder Mädchen, sind. Der Zweck dieser verdeckten polizeilichen Beteiligung an einer Kommunikation im Chat scheint zur Hauptsache darin zu bestehen, dass nach einer schriftlichen Kommunikation auch mit sexuellen Inhalten, die in der Regel einseitig vorwiegend vom Chatpartner geführt wird, ein konkretes Treffen im realen Leben vereinbart wird. Erscheint der Chatpartner zum vereinbarten Treffen, begegnet er nicht wie erwartet einem Kind, sondern erwachsenen Personen, die sich sogleich als Polizeiangehörige zu erkennen geben. Gegen den nunmehr identifizierten Chatpartner wird eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts des (untauglichen) Versuchs der sexuellen Handlungen mit Kindern eröffnet, angeblich begangen dadurch, dass er mit dem Vorsatz der Vornahme von sexuellen Handlungen am vereinbarten Treffen mit dem vermeintlichen Kind erschien (siehe dazu BGE 131 IV 100). Im Rahmen dieser Strafuntersuchung wird unter anderem eine Hausdurchsuchung durchgeführt, bei welcher unter Umständen kinderpornografische Bildaufnahmen sichergestellt werden, welche die verdächtige Person entweder erworben (Art. 197 Ziff. 3bis StGB) oder selber hergestellt (Art. 197 Ziff. 3 StGB) hat, und können allenfalls auch Erkenntnisse gewonnen werden, die auf sexuelle Handlungen mit Kindern in der Vergangenheit hinweisen. Dergestalt verlief das Prozedere im vorliegenden Fall und auch schon in anderen Fällen (siehe dazu etwa ZR 104/2005 Nr. 68 [Entscheid des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 21. Juli 2005] und ZR 106/2007 Nr. 49 [Entscheid des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Dezember 2006]; ferner den BGE 131 IV 100 zugrunde liegenden Fall).
 
Erwägung 4
 
 
Erwägung 4.1
 
4.1.1 Gemäss Art. 4 Abs. 1 BVE kann eine verdeckte Ermittlung angeordnet werden, wenn (a) bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, besonders schwere Straftaten seien begangen worden oder sollen voraussichtlich begangen werden und (b) andere Untersuchungshandlungen erfolglos geblieben sind, oder die Ermittlungen sonst aussichtslos wären oder unverhältnismässig erschwertBGE 134 IV 266 (279) BGE 134 IV 266 (280)würden. Eine verdeckte Ermittlung kann mithin nach dem geltenden Recht schon angeordnet werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen der Verdacht besteht, dass voraussichtlich besonders schwere Straftaten begangen werden sollen. Die verdeckte Ermittlung dient auch in diesem Fall - der im Übrigen in der künftigen schweizerischen Strafprozessordnung nicht mehr als Grund für eine verdeckte Ermittlung vorgesehen ist (siehe Art. 286 Abs. 1 StPO/CH) - nicht etwa der Verhinderung der voraussichtlichen Straftat, sondern deren Aufklärung für den Fall, dass sie begangen wird. Dies ergibt sich auch aus Art. 1 BVE, wonach dieses Gesetz bezweckt, besonders schwere Straftaten aufzuklären, sowie aus Art. 2 BVE, wonach dieses Gesetz für Strafverfahren des Bundes und der Kantone gilt. Verdeckte polizeiliche Operationen zur Verhinderung von Straftaten fallen unter den Regelungsbereich der Polizeigesetzgebung.
 
Erwägung 4.2
 
BGE 134 IV 266 (281)Gemäss Art. 5 BVE ("Ernennung") kann der Kommandant eines Polizeikorps mit gerichtspolizeilichen Aufgaben eine Person mit deren Zustimmung zum Ermittler ernennen, wenn strafbare Handlungen nach Art. 4 abzuklären sind. Zu Ermittlern können nach Art. 5 Abs. 2 BVE Angehörige des Polizeikorps (lit. a) sowie Personen, welche vorübergehend für eine polizeiliche Aufgabe angestellt werden (lit. b), ernannt werden. Zu Führungspersonen werden gemäss Art. 5 Abs. 3 BVE Angehörige des Polizeikorps ernannt. Für die Ernennung von Ermittlern ist eine richterliche Genehmigung notwendig (Art. 7 Abs. 1 BVE). Bei strafbaren Handlungen, die von den kantonalen Behörden abzuklären sind, ist zur Genehmigung die vom Kanton bezeichnete richterliche Genehmigungsbehörde zuständig (siehe Art. 8 Abs. 1 lit. b BVE).
Nach Art. 14 lit. b BVE können die zuständigen kantonalen Strafuntersuchungsbehörden den Einsatz von Ermittlern in einem Strafverfahren anordnen. Gemäss Art. 17 Abs. 1 BVE ist für den Einsatz von Ermittlern in einem Strafverfahren eine Genehmigung durch eine Behörde nach Artikel 8 Abs. 1 notwendig, mithin etwa durch eine vom Kanton bezeichnete richterliche Genehmigungsbehörde. Gemäss Art. 18 BVE reicht die anordnende Behörde innert 48 Stunden nach Anordnung des Einsatzes der Genehmigungsbehörde die Anordnungsverfügung sowie die Begründung und die für die Genehmigung wesentlichen Verfahrensakten ein (Abs. 1). Die Genehmigungsbehörde entscheidet mit kurzer Begründung innert fünf Tagen seit der Anordnung (Abs. 2 Satz 1). Wird der Einsatz nicht genehmigt oder wurde keine Genehmigung eingeholt, so muss die anordnende Behörde den Einsatz beenden und die betreffenden Aufzeichnungen sofort aus den Verfahrensakten aussondern. Durch die verdeckte Ermittlung gewonnene Erkenntnisse dürfen weder für weitere Ermittlungen noch zum Nachteil einer beschuldigten Person verwendet werden.
Aus dieser etwas unübersichtlichen und umständlichen gesetzlichen Regelung ergibt sich Folgendes. Die zuständige Behörde ernennt einen Polizeiangehörigen zum verdeckten Ermittler. Diese Ernennung bedarf der richterlichen Genehmigung. Der als verdeckte Ermittlung zu qualifizierende Einsatz des dergestalt vorschriftsgemäss ernannten verdeckten Ermittlers bedarf keiner richterlichen Genehmigung, soweit der Einsatz im Vorfeld eines Strafverfahrens durchgeführt wird. Hingegen bedarf der Einsatz des vorschriftsgemäss mit richterlicher Genehmigung ernannten verdeckten Ermittlers in einemBGE 134 IV 266 (281) BGE 134 IV 266 (282)Strafverfahren seinerseits wiederum einer richterlichen Genehmigung. Diese richterliche Genehmigung des Einsatzes im Strafverfahren kann innert der im Gesetz genannten Fristen auch noch nach der Anordnung beziehungsweise dem Beginn des Einsatzes erteilt werden. Hingegen sieht das Gesetz eine nachträgliche richterliche Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler innert bestimmter Fristen nicht vor.
 
Erwägung 4.3
 
4.3.2 Allerdings kommt es im Rahmen der Kommunikation namentlich in den speziell für Kinder und Jugendliche eingerichteten Chatrooms häufig sehr rasch, wenige Minuten nach dem Beginn des Chats zu Äusserungen seitens einer (vermeintlich) erwachsenen Person, die erkennen lassen, dass diese zu einem Treffen im realen Leben zwecks Vornahme von sexuellen Handlungen mit dem (vermeintlichen) Kind gewillt und bereit ist. In Anbetracht dessen erscheint es als zu formalistisch, die Anordnungsvoraussetzung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. a BVE erst in dem Augenblick als erfüllt anzusehen, in welchem derartige Äusserungen tatsächlich getan werden, zumal sich in diesem Fall praktische Schwierigkeiten für das Prozedere betreffend die Anordnung der verdeckten Ermittlung (Art. 4 BVE), die Ernennung des verdeckten Ermittlers (Art. 5 BVE) sowie die richterliche Genehmigung der Ernennung (Art. 7BGE 134 IV 266 (282) BGE 134 IV 266 (283)BVE) und das Genehmigungsverfahren (Art. 8 BVE) ergeben können. Vielmehr reicht die Erfahrungstatsache, dass in den speziell für Kinder und Jugendliche eingerichteten Chatrooms Erwachsene mit pädosexuellen Neigungen häufig sehr rasch nach dem Beginn des Chats ihr Interesse an einem Treffen im realen Leben zwecks Vornahme von sexuellen Handlungen erkennen lassen, als Voraussetzung für die Anordnung einer verdeckten Ermittlung gemäss Art. 4 BVE im Vorfeld eines Strafverfahrens aus. Diese Erfahrungstatsache ist mithin mit Rücksicht auf die in solchen Chatrooms herrschenden Zustände im Sinne von Art. 4 Abs. 1 lit. a BVE eine bestimmte Tatsache, welche den Verdacht begründet, dass voraussichtlich besonders schwere Straftaten begangen werden sollen.
4.4 Bei der verdeckten Ermittlung im Vorfeld eines Strafverfahrens bedarf, wie dargelegt (siehe E. 4.2.1 hievor), allein die Ernennung des Ermittlers der richterlichen Genehmigung (siehe dazu Art. 7 BVE). Der Einsatz des mit richterlicher Genehmigung ernannten verdeckten Ermittlers im Vorfeld eines Strafverfahrens bedarf - im Unterschied zum Einsatz des verdeckten Ermittlers in einem Strafverfahren (siehe dazu Art. 17 BVE) - nicht der richterlichen Genehmigung. Während der Einsatz des verdeckten Ermittlers im Strafverfahren noch innert bestimmter Frist nach dessen Anordnung und Beginn richterlich genehmigt werden kann (vgl. Art. 18 BVE), sieht das Gesetz eine nachträgliche richterliche Genehmigung der Ernennung des verdeckten Ermittlers nicht vor. Dies lässt sich ohne weiteres damit erklären, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ein Polizeiangehöriger einen Einsatz in Form einer verdeckten Ermittlung im Sinne des BVE sowohl im Vorfeld eines Strafverfahrens als auch in einem Strafverfahren selbstverständlich erst durchführen darf, nachdem er gemäss Art. 5 BVE zum verdeckten Ermittler ernannt und diese Ernennung gemäss Art. 7 f. BVE - zumindest vorläufig oder unter Auflagen (siehe Art. 8 Abs. 2 Satz 2 BVE) - vom Richter genehmigt worden ist. Die richterliche Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler ist notwendig (Art. 7 Abs. 1 BVE). Solange die Ernennung nichtBGE 134 IV 266 (283) BGE 134 IV 266 (284)richterlich genehmigt worden ist, ist der Polizeiangehörige nicht rechtsgültig zum verdeckten Ermittler bestellt und darf er daher keinen Einsatz in der Form einer verdeckten Ermittlung im Sinne des BVE durchführen. Es kann nicht in Betracht kommen, dass Polizeiangehörige verdeckt ermitteln und erst nachträglich, nach dem Beginn eines solchen Einsatzes - unter Umständen gar nach Massgabe der dabei bereits gewonnenen nützlichen Erkenntnisse - rechtsgültig mit richterlicher Genehmigung zu verdeckten Ermittlern ernannt werden. Für eine solche nachträgliche Ernennung beziehungsweise richterliche Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler besteht auch kein Bedürfnis, da ein Polizeiangehöriger, solange er nicht zum verdeckten Ermittler ernannt und diese Ernennung nicht richterlich genehmigt worden ist, gar nicht verdeckt ermitteln darf und daher auch nicht in eine Lage kommen sollte, in welcher er unverhofft und unerwartet einen Einsatz in der Form einer verdeckten Ermittlung im Sinne des BVE leisten muss.
Die zuständige Behörde ernennt bestimmte Polizeiangehörige zu verdeckten Ermittlern zwecks Abklärung von gewissen strafbaren Handlungen. Die Ernennung wird von der zuständigen richterlichen Behörde genehmigt. Nach der richterlichen Genehmigung, die unter Umständen vorläufig oder unter Auflagen erteilt wird, kann der verdeckte Ermittler im Vorfeld eines Strafverfahrens nach Massgabe der gesetzlichen Bestimmungen und im Rahmen der Ernennungs- beziehungsweise Genehmigungsverfügung an der Kommunikation im Chat teilnehmen. Dabei ist namentlich darauf zu achten, dass das Mass der unzulässigen Einwirkung (Art. 10 BVE) nicht überschritten wird.
 
Erwägung 4.6
 
BGE 134 IV 266 (285)4.6.2 Die kantonalen Behörden gehen offenbar unter anderem aufgrund von BGE 131 IV 100 davon aus, dass der Chatpartner, der zwecks Vornahme von sexuellen Handlungen mit dem (vermeintlichen) Kind am vereinbarten Treffen erscheint, sich dadurch des (untauglichen) Versuchs der sexuellen Handlungen mit Kindern schuldig macht, beziehungsweise dass zumindest ein hinreichender diesbezüglicher Verdacht besteht, welcher die Eröffnung eines Strafverfahrens erlaubt. Das Bundesgericht hat in der Tat in BGE 131 IV 100 E. 8 das Erscheinen des Chatpartners am vereinbarten Treffen unter den gegebenen konkreten Umständen mit der Vorinstanz als (untauglichen) Versuch der sexuellen Handlungen mit Kindern qualifiziert (kritisch PETER ALBRECHT, AJP 2005 S. 751 ff.). Aus BGE 131 IV 100 lässt sich indessen nicht ableiten, dass das Erscheinen des Chatpartners am vereinbarten Treffen mit dem (vermeintlichen) Kind in jedem Fall und ohne weiteres schon als (untauglicher) Versuch der sexuellen Handlungen mit Kindern qualifiziert werden kann. Vielmehr sind insoweit, wie sich aus dem Bundesgerichtsentscheid (E. 8.2) ergibt, die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalles massgebend.
 
Erwägung 4.7
 
4.7.2 Der Beschwerdegegner äusserte im Chat mit dem verdeckten Ermittler ausserdem, er habe bereits einmal Sex mit einemBGE 134 IV 266 (285) BGE 134 IV 266 (286)13-jährigen Mädchen gehabt. Die zuständigen Behörden haben diese Äusserung nicht zum Anlass genommen, eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts der sexuellen Handlungen mit Kindern zu eröffnen. Dies unterblieb offenbar auch deshalb, weil die Aussage des Beschwerdegegners anlässlich seiner Einvernahme, es habe sich bei der fraglichen Äusserung im Chat um eine unwahre Behauptung gehandelt, die seiner Phantasie entsprungen sei, nicht widerlegbar war.
 
Erwägung 5
 
5.2 Gemäss Art. 18 Abs. 5 BVE dürfen die durch die verdeckte Ermittlung gewonnenen Erkenntnisse weder für weitere Ermittlungen noch zum Nachteil einer beschuldigten Person verwendet werden, wenn der Einsatz nicht genehmigt oder keine Genehmigung eingeholt wurde. Diese Bestimmung bezieht sich angesichts ihrer Stellung im Gesetz auf den Einsatz des verdeckten Ermittlers in einem Strafverfahren (Art. 14 ff. BVE) und somit auf die gemäss Art. 17 BVE für diesen Einsatz notwendige richterliche Genehmigung. Welche Folgen sich hinsichtlich der Verwertbarkeit von Erkenntnissen bei Einsätzen im Vorfeld eines Strafverfahrens ergeben, wenn es an der insoweit allein notwendigen richterlichen Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler (Art. 7 BVE) fehlt, ist imBGE 134 IV 266 (286) BGE 134 IV 266 (287)Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Daraus folgt indessen entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht, dass die aus einer verdeckten Ermittlung im Vorfeld eines Strafverfahrens gewonnenen Erkenntnisse auch bei Fehlen der notwendigen richterlichen Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler im Sinne von Art. 7 BVE ohne weiteres oder jedenfalls dann verwertet werden dürfen, wenn die Abwägung der auf dem Spiel stehenden öffentlichen und privaten Interessen dies rechtfertigt. Das Fehlen einer Art. 18 Abs. 5 BVE entsprechenden Regelung betreffend das Beweisverwertungsverbot in Art. 8 BVE beruht nicht auf einem Versehen des Gesetzgebers (so aber HAENNI, a.a.O., S. 250/251). Vielmehr ist es damit zu erklären, dass der Gesetzgeber als selbstverständlich voraussetzt, dass als verdeckte Ermittlungen zu qualifizierende Einsätze im Vorfeld eines Strafverfahrens, die als solche keiner richterlichen Genehmigung bedürfen, erst beginnen, nachdem der ermittelnde Polizeiangehörige vorschriftsgemäss zum verdeckten Ermittler ernannt (Art. 5 BVE) und die für diese Ernennung notwendige richterliche Genehmigung (Art. 7 BVE) im hiefür vorgesehenen Genehmigungsverfahren (Art. 8 BVE) erteilt worden ist. Wenn das Fehlen der notwendigen richterlichen Genehmigung eines Einsatzes im Strafverfahren im Sinne von Art. 17 BVE gemäss Art. 18 Abs. 5 BVE zu einem Beweisverwertungsverbot führt, dann muss a fortiori auch das Fehlen der notwendigen richterlichen Genehmigung der Ernennung zum verdeckten Ermittler im Sinne von Art. 7 BVE diese Konsequenz haben.
Die Erkenntnisse, die ein Polizeiangehöriger durch einen als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizierenden Einsatz gewinnt, sind somit nur verwertbar, wenn der Polizeiangehörige vorgängig seines Einsatzes zum verdeckten Ermittler ernannt und diese Ernennung vorgängig des Einsatzes richterlich genehmigt worden ist. Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, sind die gewonnenen Erkenntnisse nicht verwertbar.
 
Erwägung 5.3