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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Streitig ist, ob es sich beim Gerät "Amigo" um ein verbot ...
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12. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. L. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Beschwerde in Strafsachen)
 
 
6B_352/2008 vom 3. Dezember 2008
 
 
Regeste
 
Art. 57b SVG; Verbot von Radarwarngeräten.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 135 IV 97 (97)Das Gerichtspräsidium Rheinfelden büsste L. am 24. Oktober 2007 wegen Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz mit Fr. 300.-, weil er am 18. Januar 2007 in seinem Motorfahrzeug ein Radarwarngerät der Marke "Amigo" mit sich geführt hatte. Zudem ordnete es die Einziehung und die Vernichtung des Gerätes an.BGE 135 IV 97 (97)
BGE 135 IV 97 (98)Eine Berufung von L. wies das Obergericht des Kantons Aargau am 4. April 2008 ab.
L. erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Vom Einzug und der Vernichtung des Radarwarngeräts sei abzusehen.
 
Der Einsatz des Gerätes "Amigo" habe demnach stets zur Folge, dass die Wirksamkeit der im Interesse der Verkehrssicherheit durchgeführten Kontrollen aufgehoben oder beeinträchtigt werde. Das Gerät diene offensichtlich dem Zweck, sich ungestraft über Tempolimiten hinwegsetzen zu können. Es erschwere und störe damit die behördlichen Kontrollen des Strassenverkehrs. Ob diese mit einer fixen oder einer mobilen Radaranlage durchgeführt würden, spiele gestützt auf den Gesetzestext sowie den Sinn und Zweck der entsprechenden Bestimmung keine Rolle.BGE 135 IV 97 (98)
BGE 135 IV 97 (99)2.2 Nach Auffassung des Beschwerdeführers fällt das "Amigo"- Gerät nicht unter die in Art. 57b SVG verbotene Kategorie. Im Unterschied zu einem Radarwarngerät könne das "Amigo"-Gerät keine elektromagnetischen Wellen registrieren. Es orte lediglich die Position des Fahrzeuges und verbinde sie mit allgemein zugänglichen und damit bekannten Informationen von fixen Radargeräten. Das "Amigo"-Gerät könne mithin keine neu aufgestellten Radaranlagen entdecken. Es stelle mittels GPS lediglich fest, wo sich das Fahrzeug im Moment befinde. Sofern das Gerät über vorgängig eingespeiste Informationen verfüge, wonach sich in der Nähe des Fahrzeugstandortes eine Radaranlage befinde, informiere es den Fahrer. Bei diesem Gerät handle es sich somit um kein Radarwarngerät.
Die genannte bundesrätliche Verordnung wurde durch den heute geltenden Art. 57b SVG ersetzt, der am 1. Februar 1991 in Kraft trat. Verschiedene Versuche, die Verbote in der bundesrätlichen Verordnung zu unterlaufen, machten eine ausführlichere Rechtsetzung auf Gesetzesstufe notwendig (Botschaft über die Änderung des Strassenverkehrsgesetzes vom 27. August 1986, BBl 1986 III 225 Ziff. 23). Die gesetzgebungspolitischen Gründe blieben unverändert. Die Problematik der Störung von Geschwindigkeitskontrollen durch sog. Radarwarngeräte hatte sich seit der Einführung von Tempo 80 auf Ausserortsstrassen und Tempo 120 auf Autobahnen noch verstärkt. Nach Auffassung des Bundesrates würden solche Radarwarngeräte verwendet, um sich ungestraft über die aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Umweltschutzes erlassenen Tempolimiten hinwegzusetzen. Gerade die notorischen Schnellfahrer könnten dankBGE 135 IV 97 (99) BGE 135 IV 97 (100)diesen Geräten nicht erfasst werden. Solche Führer würden die Homogenität des Verkehrs und das Verkehrsklima stören und überdies die anderen Strassenbenützer zu Geschwindigkeitsmissachtungen animieren (Botschaft, a.a.O.).
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers und einer Meinung in der Literatur (HANS GIGER, Rechtliche Situation bezüglich GPS-Systemen mit Standortangaben über Radaranlagen, SJZ 103/2007 S. 165 ff.) kann es nicht auf die Funktionsweise des Gerätes ankommen. Es ist unwesentlich, ob im Fahren registrierte elektromagnetische Wellen oder im Gerät vorprogrammierte Informationen vor einer (möglichen) Geschwindigkeitskontrolle warnen, ob das Gerät die Kontrollen aktiv stört oder lediglich passiv darauf hinweist und ob vor einer fixen oder einer mobilen Radaranlage gewarnt wird. Entscheidend ist, dass das Gerät in all diesen Fällen den Führer davor warnt, bei einer allfälligen Überschreitung der Geschwindigkeit ertappt und verzeigt zu werden.
Das Ziel polizeilicher Geschwindigkeitskontrollen besteht darin, Missachtungen der gesetzlichen Vorschriften festzustellen und zu ahnden mit dem hauptsächlichen Zweck, fehlbare Autofahrer im Interesse der Verkehrssicherheit zur Befolgung der Verkehrsregeln anzuhalten (vgl. BGE 103 IV 186 E. 5c S. 189). Dies wird unterlaufen, wenn der Automobilist sich darauf verlassen kann, bei seiner Geschwindigkeitsüberschreitung nicht erfasst zu werden.
Das "Amigo"-Gerät ermöglicht es dem Fahrzeuglenker, mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs zu sein, ohne wesentlich Gefahr zu laufen, dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Es hält ihn an, seine übersetzte Geschwindigkeit vor der Messstelle (vorübergehend) auf das zulässige Mass zu reduzieren, um sich einer Sanktion zu entziehen. Dass damit eine auf Einhaltung der Tempolimite ausgerichtete polizeiliche Kontrolle unwirksam gemacht wird, liegt auf der Hand.BGE 135 IV 97 (100)
BGE 135 IV 97 (101)2.5 In Art. 57b Abs. 1 SVG werden "Radarwarngeräte" bloss beispielhaft aufgezählt. Folglich gehören noch weitere Geräte und Vorrichtungen zum gesetzlichen Anwendungsbereich. Mit der allgemeinen Umschreibung der verbotenen Geräte trägt Art. 57b Abs. 1 SVG nicht zuletzt der laufenden technischen Entwicklung Rechnung, ohne dabei dem Bestimmtheitsgebot ("nulla poena sine lege certa") zuwiderzulaufen (vgl. BGE 119 IV 242 E. 1c S. 244 mit Hinweisen). Deshalb kann offenbleiben, was unter "Radarwarngeräten" im Einzelnen zu verstehen ist und ob das "Amigo"-Gerät des Beschwerdeführers unter diesen Begriff fällt.
Auch wenn die Standorte von Geschwindigkeitsmessungen öffentlich bekannt sein können, ändert sich nichts daran, dass der Gesetzgeber die Geräte, die vor solchen Kontrollen warnen, wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung verbieten wollte. Der Einwand des Beschwerdeführers, wonach die gesetzliche Erwähnung der Radarwarngeräte zeige, dass die Strafbarkeit auf vergleichbare Geräte beschränkt werden sollte, überzeugt nicht. Abgesehen davon, dass allgemein von "Geräten und Vorrichtungen" die Rede ist, drängte sich eine ausdrückliche Nennung auf, weil zum damaligen Zeitpunkt eigentliche Radarwarngeräte vermehrt in Erscheinung traten (vgl. Botschaft, BBl 1986 III 225 Ziff. 23). Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber sich auf bestimmte Geräte beschränken wollte.
Ebenso unbehelflich ist der Einwand des Beschwerdeführers, es müssten auch Strassenkarten mit eingezeichneten Radarstandorten und entsprechende Radio-Hinweise unter das gesetzliche Verbot fallen. Daraus kann nichts zu seinen Gunsten hergeleitet werden. Im Übrigen stünden einer derart ausdehnenden Interpretation wohl der Wortlaut des Art. 57b SVG wie auch die Absicht des Gesetzgebers entgegen.