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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 1
Erwägung 1.2
Erwägung 1.5
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
22. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
 
 
6B_39/2011 vom 10. Juni 2011
 
 
Regeste
 
Beschäftigung von Ausländerinnen, die nicht berechtigt sind, in der Schweiz zu arbeiten (Art. 117 Abs. 1 AuG); Verschaffen einer illegalen Erwerbstätigkeit (Art. 116 Abs. 1 lit. b AuG).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 137 IV 159 (159)A.
A.a Die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis, Zweigstelle Dietikon, sprach X. mit Strafbefehl vom 22. Mai 2009 der mehrfachen Beschäftigung von Ausländerinnen ohne Bewilligung im Sinne von Art. 117 AuG schuldig und bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 160.-, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von drei Jahren, und mit einer Busse von Fr. 3'000.- beziehungsweise, bei schuldhafter Nichtbezahlung der Busse, mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 19 Tagen. X. wird zur Last gelegt, er habe in der Zeit von März 2009 bis zum 19. Mai 2009 als Geschäftsführer eines Saunaclubs acht Ausländerinnen (aus den HerkunftsländernBGE 137 IV 159 (159) BGE 137 IV 159 (160)Brasilien, Venezuela, Nigeria, Bulgarien und Rumänien) beschäftigt, die sich illegal in der Schweiz aufgehalten und über keine Arbeitsbewilligung verfügt hätten, was er in Kauf genommen habe.
X. erhob gegen den Strafbefehl Einsprache.
A.b Der Einzelrichter des Bezirkes Dietikon sprach X. mit Urteil vom 17. November 2009 vom Vorwurf der mehrfachen Beschäftigung von Ausländerinnen ohne Bewilligung (Art. 117 Abs. 1 AuG) frei.
Die Staatsanwaltschaft erklärte gegen diesen Entscheid Berufung.
A.c Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, sprach X. mit Urteil vom 26. November 2010 der mehrfachen Beschäftigung von Ausländerinnen ohne Bewilligung (Art. 117 Abs. 1 AuG) schuldig. Es bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 140.-, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren. Zudem ordnete es an, dass die mit Strafbefehl des Untersuchungsrichteramtes IV Berner Oberland, Thun, vom 7. August 2008 angesetzte Probezeit von zwei Jahren für eine bedingt vollziehbare Geldstrafe wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln um ein Jahr verlängert wird.
B. X. führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 26. November 2010 sei aufzuheben und er sei vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das Ausländergesetz (Art. 117 Abs. 1 AuG) freizusprechen. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventuell sei ihm ein Rechtsirrtum zuzugestehen.
 
 
Erwägung 1
 
BGE 137 IV 159 (161)Der Beschwerdeführer macht wie im kantonalen Verfahren geltend, er sei nicht Arbeitgeber im Sinne der zitierten Bestimmungen und daher nicht verpflichtet gewesen zu prüfen, ob die im Saunaclub der Prostitution nachgehenden Ausländerinnen über die erforderliche Bewilligung zur Erwerbstätigkeit in der Schweiz verfügten.
 
Erwägung 1.2
 
1.2.1 Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer eines der Firma A. AG gehörenden Saunaclubs. In den Räumlichkeiten des Clubs befanden sich eine Bar, verschiedene Lounges, eine Sauna, ein Dampfbad, ein Whirlpool und acht Zimmer. Im Club hielten sich maximal acht Frauen auf, welche sexuelle Dienstleistungen anboten. Der Beschwerdeführer konnte darüber entscheiden, ob eine Frau zwecks Ausübung der Prostitution in den Club eingelassen wurde. Er berücksichtigte dabei unter anderem das Erscheinungsbild, die Umgangsformen und die Sprachkenntnisse der Frauen. Zu diesem Zweck führte er mit den Frauen, die erstmals im Club ihre Dienstleistungen anbieten wollten, ein Gespräch. Bei Auffälligkeiten veranlasste er einen Drogen- oder Gesundheitscheck. Die Frauen hatten im Club in Highheels aufzutreten. Auf der Homepage des Clubs im Internet wurden die Preise für sexuelle Dienstleistungen aufgelistet (ein "Halbstundenservice" kostete Fr. 140.-) und teilweise auch die Frauen vorgestellt, die an einem bestimmten Tag im Club anwesend waren. Die Frauen, die im Club sexuelle Dienstleistungen anboten, hatten für den Zutritt zum Club gleich den Kunden Fr. 90.- zu zahlen. Hiefür konnten sie wie die Kunden die Infrastruktur des Clubs frei benützen. Die sexuellen Dienstleistungen erbrachten die Frauen in den insgesamt acht Zimmern im Club. Die Frauen hatten pro Kunden, den sie bedienten, den Betrag von Fr. 10.- an den Club abzuliefern. Der Beschwerdeführer erteilte den Frauen keine Weisungen betreffend ihre Tätigkeit. Die Frauen konnten frei entscheiden, wann sie im Club erschienen, wie lange sie sich dort aufhielten und wann sie ihn verliessen. Sie konnten selber bestimmen, wie viele und welche Kunden sie bedienten und welche Dienstleistungen sie diesen boten.
1.2.2 Nach der Ansicht der ersten Instanz ist der Beschwerdeführer unter den gegebenen Umständen nicht als Arbeitgeber im Sinne der Ausländergesetzgebung zu betrachten. Dass die Frauen gleich den Kunden ein Eintrittsgeld in der Höhe von Fr. 90.- zu bezahlen hatten, sei ein Indiz dafür, dass sie nicht von den übrigen Gästen unterschieden wurden. Zwar habe der Beschwerdeführer ein Gespräch mit denBGE 137 IV 159 (161) BGE 137 IV 159 (162)Frauen geführt und dabei auf das Aussehen, die Umgangsformen und die Sprachkenntnisse geachtet. Dabei habe es sich jedoch nicht um ein eigentliches Rekrutieren gehandelt, sondern vielmehr um eine Art Eingangskontrolle, wie sie auch bei anderen öffentlich zugänglichen Lokalen üblich sei, etwa bei Diskotheken, wo am Eingang ebenfalls kontrolliert werde, ob die Gäste dem Niveau des Clubs entsprechen.
1.4 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zum früheren Recht erfüllte den Tatbestand der Beschäftigung von Ausländerinnen ohne Bewilligung (Art. 23 Abs. 4 ANAG) der Betreiber eines Etablissements, der für dessen Infrastruktur zuständig war und entschied,BGE 137 IV 159 (162) BGE 137 IV 159 (163)welche Ausländerinnen im Etablissement als Prostituierte arbeiten konnten (BGE 128 IV 170 E. 4.2). Diese Rechtsprechung hat unter dem neuen Recht weiterhin Bestand, da auch nach diesem von einem weiten, faktischen Arbeitgeberbegriff auszugehen ist (siehe NÄGELI/SCHOCH, in: Ausländerrecht, 2. Aufl. 2009, N. 22.55). Im Lichte dieser Rechtsprechung ist der Beschwerdeführer aus nachstehenden Gründen im Sinne von Art. 117 Abs. 1 AuG als Arbeitgeber zu betrachten, der die im Club als Prostituierte tätigen Ausländerinnen beschäftigte.
1.4.1 Der Beschwerdeführer stellte als Geschäftsführer des Clubs die Infrastruktur zur Verfügung, bestehend einerseits aus den allgemein zugänglichen Anlagen (Bar, Sauna, Whirlpool etc.), in denen Kontakte geknüpft werden konnten, und andererseits aus acht Zimmern, in welchen sexuelle Handlungen vorgenommen wurden. Die Frauen waren, wie der Beschwerdeführer wusste und sich aus der Werbung für den Club ergibt, Prostituierte, welche sich im Club aufhielten, um dort sexuelle Dienstleistungen gegen Geld zu erbringen. Der Beschwerdeführer stellte mithin den Frauen eine Infrastruktur zwecks Ausübung der Prostitution zur Verfügung. Er konnte zudem darüber entscheiden, welche Frauen zum Zwecke der Ausübung der Prostitution in den Club eingelassen wurden. Zwar mochte es selten vorgekommen sein, dass der Beschwerdeführer einer Interessentin den Zutritt zum Club verweigerte. Dies änderte indessen nichts daran, dass der Beschwerdeführer ihm ungeeignet beziehungsweise unpassend erscheinende Interessentinnen ablehnen konnte. In Anbetracht des engen Zusammenhangs zwischen der Funktion des Beschwerdeführers als Geschäftsführer und der Tätigkeit der Prostituierten im Saunaclub ist der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 117 Abs. 1 AuG als Arbeitgeber anzusehen, der die ausländischen Frauen beschäftigte (siehe BGE 128 IV 170 E. 4.2). Dies ergibt sich auch daraus, dass auf der Homepage des Clubs im Internet unter anderem auch die Frauen vorgestellt wurden, die an einem bestimmten Tag im Club anwesend waren.
1.4.2 Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers sieht das Bundesgericht das Beschäftigungsverhältnis beziehungsweise die Arbeitgeberstellung im Sinne des Ausländerrechts nicht nur dann als gegeben an, wenn die Ausländerin einen Teil ihrer Einnahmen aus der Prostitution dem Betreiber des Clubs abgeben muss und der Geschäftsführer seinen Zulassungsentscheid von der Umsatzerwartung der Ausländerin abhängig macht. Das Bundesgericht gibt in der vom BGE 137 IV 159 (163) BGE 137 IV 159 (164)Beschwerdeführer zitierten E. 2.1 von BGE 128 IV 170 lediglich die Erwägungen der kantonalen Vorinstanz in jenem Verfahren wieder, welche zur Begründung des Beschäftigungsverhältnisses unter anderem auch festgehalten hatte, dass die im Etablissement tätigen Prostituierten dem Geschäftsführer Abgaben nach Massgabe ihres Umsatzes leisten mussten. Das Bundesgericht seinerseits hat jedoch in BGE 128 IV 170 E. 4.2 nicht auch auf die Umsatzbeteiligung abgestellt.
1.4.3 Dass die Frauen wie die Kunden für den Eintritt in die Räumlichkeiten des Clubs den Betrag von Fr. 90.- zu zahlen hatten, bedeutet nicht, dass die Frauen gleich den Kunden als Gäste im Club zu betrachten sind und der Beschwerdeführer daher nicht als Arbeitgeber der Frauen qualifiziert werden kann. Für die Kunden mag allein schon der Aufenthalt im Saunaclub als solcher angesichts der Anwesenheit der Frauen angenehm und den Preis von Fr. 90.- wert sein. Demgegenüber zahlten die Frauen den Betrag von Fr. 90.- für den Eintritt in den Club offensichtlich bloss beziehungsweise überwiegend zu dem Zweck, dass sie im Club der Erwerbstätigkeit der Prostitution nachgehen konnten. Der Beschwerdeführer kassierte mithin von den Frauen in Form eines Pauschalbetrags von Fr. 90.- einen fixen Teil von deren Umsatz. Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob es zur Erfüllung des Tatbestands von Art. 117 Abs. 1 AuG im Zusammenhang mit sexuellen Dienstleistungen erforderlich ist, dass die Frauen dem Betreiber des Etablissements, in dem sie tätig sind, für die Benützung der Infrastruktur eine Entschädigung zu zahlen haben. Offenbleiben kann daher auch, aus welchen Gründen die Frauen im vorliegenden Fall den Betrag von Fr. 10.- pro bedienten Kunden an den Club zahlen mussten. Im Übrigen ist immerhin darauf hinzuweisen, dass die im Club als Prostituierte tätigen Frauen entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers schon deshalb nicht mehrwertsteuerpflichtig sind, weil sie nicht unter eigenem Namen oder sonst wie direkt nach aussen auftreten und daher die Umsätze aus ihren sexuellen Dienstleistungen mehrwertsteuerrechtlich nicht ihnen, sondern dem Unternehmen, in dem sie als Prostituierte arbeiten, zuzurechnen sind, welches den Club betreibt (siehe Bundesgerichtsurteile 2C_426/2008 vom 18. Februar 2009 und 2C_518/2007/2C_519/2007 vom 11. März 2008).
1.4.4 Unerheblich ist, dass der Beschwerdeführer den Frauen keinerlei Weisungen betreffend die Arbeitszeit, die Anzahl der zu bedienenden Kunden, die Art der zu erbringenden DienstleistungenBGE 137 IV 159 (164) BGE 137 IV 159 (165)etc. erteilte und die Frauen darüber selber bestimmen konnten. Eine solche Weisungsbefugnis, bei deren Ausübung der Beschwerdeführer im Übrigen Gefahr liefe, wegen Förderung der Prostitution (Art. 195 Abs. 3 StGB) verfolgt zu werden, ist zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses beziehungsweise der Arbeitgeberstellung im Sinne der Ausländergesetzgebung nicht erforderlich (siehe BGE 128 IV 170 E. 4.2 mit Hinweisen).
 
Erwägung 1.5
 
BGE 137 IV 159 (166)1.5.3 Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt entspricht im Wesentlichen dem in BGE 128 IV 170 beurteilten Fall. Er weicht in verschiedener Hinsicht vom Sachverhalt ab, der Gegenstand von BGE 137 IV 153 bildete. Im letztgenannten Fall beschränkte sich der Beschuldigte darauf, die Identität der Frauen festzustellen, indem er von ihnen die Vorlage eines Passes verlangte. Der Beschuldigte in jenem Fall nahm jedoch keinerlei Einfluss darauf, welche Frauen Zutritt zum Etablissement erhielten. Er schrieb den Frauen nicht eine bestimmte Arbeitskleidung vor und überliess ihnen vollumfänglich die Bestimmung der Preise für die einzelnen sexuellen Dienstleistungen. Die Frauen konnten diese Dienstleistungen gegenüber den Kunden, mit denen sie im Etablissement in Kontakt kamen, auch ausserhalb desselben erbringen. Der Beschuldigte in jenem Fall machte keinerlei Werbung für das Etablissement und für die Prostituierten, die darin allenfalls angetroffen werden konnten. Unter den gegebenen konkreten Umständen bestand im Fall, welcher BGE 137 IV 153 zugrunde lag, zwischen der Funktion des Beschuldigten als Geschäftsführer des Etablissements und der Ausübung der Prostitution im Etablissement ein deutlich weniger enger Zusammenhang als im vorliegend zu beurteilenden Fall.