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Regeste
Sachverhalt
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2. Die Beschwerdekammer ist im angefochtenen Entscheid zum Schlus ...
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37. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg (Beschwerde in Strafsachen)
 
 
1B_98/2013 vom 25. April 2013
 
 
Regeste
 
Art. 90 Abs. 3 und 4, Art. 90a SVG; Art. 196 f., Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO; "Via sicura"; Einziehungsbeschlagnahme nach qualifiziert grober Verkehrsregelverletzung (Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit ausserorts um 69 km/h).
 
Bei qualifiziert groben Verkehrsregelverletzungen im Sinn von Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG dürfte die Einziehungsvoraussetzung von Art. 90a Abs. 1 lit. a SVG in der Regel erfüllt sein. Für die kumulativ zu erfüllende Voraussetzung von lit. b hat das Gericht im Sinne einer Gefährdungsprognose zu prüfen, ob die Einziehung des Tatfahrzeugs geeignet ist, den Täter vor weiteren groben Verkehrswidrigkeiten abzuhalten. In concreto sind beide Voraussetzungen erfüllt (E. 2.3.3 und 2.3.4).
 
Prüfung der Beschlagnahme unter Verhältnismässigkeitsgesichtspunkten (E. 2.4).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 139 IV 250 (251)Am 10. Januar 2013 stoppte die Kantonspolizei Aargau in Eiken den vom deutschen Staatsangehörigen X. gelenkten BMW X6 M mit dem deutschen Kontrollschild "...", nachdem ihre Geschwindigkeitsmessung ergeben hatte, dass er die ausserorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um netto 69 km/h überschritten hatte. Die Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg liess das Fahrzeug gleichentags zur Sicherstellung von Geldstrafen, Bussen und Kosten sowie zur Einziehung gemäss Art. 263 Abs. 1 lit. b und d StPO beschlagnahmen. Zur Begründung führte sie an, die X. vorgeworfene Verkehrsregelverletzung werde nach Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG mit Freiheitsstrafe zwischen einem und vier Jahren geahndet. ErBGE 139 IV 250 (251) BGE 139 IV 250 (252)habe keinen festen Wohnsitz in der Schweiz, weshalb es nicht möglich sei, sein Vorstrafenregister und seinen automobilistischen Leumund umgehend abzuklären.
Die Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Aargau wies die Beschwerde von X. gegen den Beschlagnahmebefehl am 14. Februar 2013 ab, soweit es darauf eintrat.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X., diesen Entscheid der Beschwerdekammer sowie den Beschlagnahmebefehl der Staatsanwaltschaft aufzuheben und das beschlagnahmte Fahrzeug umgehend freizugeben. Eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
(Zusammenfassung)
 
a) eine grobe Verkehrsregelverletzung in skrupelloser Weise begangen wurde; und
b) der Täter durch die Einziehung von weiteren groben Verkehrsregelverletzungen abgehalten werden kann".
In der Botschaft wird dazu ausgeführt, die Einziehung stelle einen Eingriff in die von Art. 26 BV geschützte Eigentumsgarantie darBGE 139 IV 250 (253) BGE 139 IV 250 (254)und sei nur in Ausnahmefällen verhältnismässig und gerechtfertigt. Ihre Zulässigkeit hänge stark vom Einzelfall ab. Nicht jede grobe Verkehrsregelverletzung solle automatisch zur Einziehung des Tatfahrzeugs führen. Von der Möglichkeit der Einziehung dürfe nur Gebrauch gemacht werden, wenn die Verkehrsregelverletzung in skrupelloser Weise begangen worden sei und sie geeignet sei, den Täter von weiteren groben Verkehrsregelverletzungen abzuhalten; das urteilende Gericht sei verpflichtet, darüber eine Prognose abzugeben (Botschaft vom 20 Oktober 2010 zu via sicura, Handlungsprogramm des Bundes für mehr Sicherheit im Strassenverkehr, BBl 2010 8484 f. Ziff. 1.3.2.23).
Die Einziehungsvoraussetzungen von Art. 90a Abs. 1 lit. a SVG dürften bei Verkehrsdelikten im Sinn von Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG in der Regel gegeben sein. Die Einziehung ist aber nicht auf diese Fälle beschränkt, sondern fällt auch bei groben Verkehrsregelverletzungen im Sinn von Art. 90 Abs. 2 SVG in Betracht. Für die kumulativ zu erfüllende Einziehungsvoraussetzung von Art. 90a Abs. 1 lit. b SVG kann an die bisherige Praxis angeknüpft werden (Darstellung bei JÜRG KRUMM, Die Sicherungseinziehung von Motorfahrzeugen, AJP 2013 S. 375 ff., insbesondere S. 380 ff.). Danach hat das Gericht im Sinne einer Gefährdungsprognose zu prüfen, ob das Fahrzeug in der Hand des Täters in der Zukunft die Verkehrssicherheit gefährdet bzw. ob dessen Einziehung geeignet ist, ihn vor weiteren groben Verkehrswidrigkeiten abzuhalten (BGE 137 IV 249 E. 4.4; Urteil 1B_168/2012 vom 8. Mai 2012 E. 2).
Der Beschwerdeführer ist einer qualifiziert groben Verkehrsregelverletzung im Sinn von Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG dringendBGE 139 IV 250 (254) BGE 139 IV 250 (255)verdächtig, mithin eines Verbrechens und damit einer Straftat, deren Schwere die Einziehung eines Personenwagens rechtfertigen könnte. Damit liegt es im Bereich des Möglichen, dass diese Straftat die Einziehungsvoraussetzung von Art. 90 Abs. 1 lit. a SVG erfüllt. Das Gleiche gilt für die Voraussetzung von lit. b: Der Beschwerdeführer hat sich bisher nach den Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes (Flensburg) bereits vier zum Teil gravierende Geschwindigkeitsübertretungen zu Schulden kommen lassen. Es könnte durchaus sein, dass das sehr leistungsstarke, sportliche Tatfahrzeug weitere Geschwindigkeitsexzesse des Beschwerdeführers begünstigt, eine Einziehung mithin geeignet ist, den Beschwerdeführer von Geschwindigkeitsexzessen in der Schweiz abzuhalten. Dessen Einziehung fällt daher aus materiellrechtlichen Gründen nicht von vornherein ausser Betracht, womit die zu ihrer Sicherung erfolgte Beschlagnahme grundsätzlich nicht zu beanstanden ist.