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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 1
Erwägung 1.2
Erwägung 1.3
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
31. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
 
 
6B_1224/2014 vom 9. April 2015
 
 
Regeste
 
Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG und Art. 82 Abs. 4 StPO; Begründungspflicht der Rechtsmittelinstanz.
 
Von der Möglichkeit, auf die Begründung der Vorinstanz zu verweisen (Art. 82 Abs. 4 StPO), ist zurückhaltend Gebrauch zu machen. Ein Verweis kommt bei strittigen Sachverhalten und in Bezug auf die rechtliche Subsumtion nur dann in Frage, wenn die Rechtsmittelinstanz den vorinstanzlichen Erwägungen (vollumfänglich) beipflichtet (E. 1.2.3).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 141 IV 244 (245)A. X. war von Ende Februar 2010 bis Anfang März 2011 an der Lagerung sowie an landesinternen und grenzüberschreitenden Transporten von rund 6,4 kg Kokaingemisch und ca. 75 kg Streckmitteln beteiligt. Drahtzieher und Organisator der einzelnen Tätigkeiten und insbesondere verantwortlich für den Absatz des Kokains und der Streckmittel war A.
B. Das Bezirksgericht Zürich verurteilte X. am 27. Februar 2014 wegen mehrfacher qualifizierter Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (4,4 kg reines Kokain und 75 kg Streckmittel) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Das Obergericht des Kantons Zürich erkannte ein strafbares Verhalten nur hinsichtlich der Handlungen mit 4,4 kg Kokain und sprach ihn von den Vorwürfen des Anstalten-Treffens in Zusammenhang mit Streckmitteln frei. Es verurteilte X. wegen mehrfacher qualifizierter Widerhandlungen gegen das BetmG zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten.
C. X. führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, er sei zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren zu verurteilen, deren Vollzug im Umfang von 18 Monaten aufzuschieben sei. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung der Strafe oder des "Vollzugs" an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf Vernehmlassungen verzichtet.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
 
 
Erwägung 1
 
 
Erwägung 1.2
 
1.2.1 Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, sind den Parteien schriftlich zu eröffnen und müssenBGE 141 IV 244 (245) BGE 141 IV 244 (246)namentlich die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art, insbesondere die Angabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen enthalten (Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG). Aus dem Entscheid muss klar hervorgehen, von welchem festgestellten Sachverhalt die Vorinstanz ausgegangen ist und welche rechtlichen Überlegungen sie angestellt hat (BGE 138 IV 81 E. 2.2; BGE 135 II 145 E. 8.2; je mit Hinweisen). Die Begründungspflicht dient dazu, den Parteien die für den Entscheid massgebenden Umstände zur Kenntnis zu bringen, damit sie sich ein Bild über die Tragweite machen, ihn auf seine Richtigkeit hin überprüfen und gegebenenfalls sachgemäss anfechten können (Urteil 8C_258/2014 vom 15. Dezember 2014 E. 5.2 mit Hinweis). Genügt ein Entscheid diesen Anforderungen nicht, so kann das Bundesgericht ihn in Anwendung von Art. 112 Abs. 3 BGG an die kantonale Behörde zur Verbesserung zurückweisen oder aufheben. Hingegen steht es ihm nicht zu, sich an die Stelle der Vorinstanz zu setzen, die ihrer Aufgabe nicht nachgekommen ist (Urteil 5D_10/2014 vom 25. März 2014 E. 2.1 mit Hinweisen).
Ein Verweis erscheint in erster Linie bei nicht streitigen Sachverhalten und abstrakten Rechtsausführungen sinnvoll, kommt hingegen bei strittigen Sachverhalten und Beweiswürdigungen sowie derBGE 141 IV 244 (246) BGE 141 IV 244 (247)rechtlichen Subsumtion des konkreten Falls nur dann in Frage, wenn die Rechtsmittelinstanz den vorinstanzlichen Erwägungen (vollumfänglich) beipflichtet. Art. 82 Abs. 4 StPO entbindet die Rechtsmittelinstanzen nicht von deren Begründungspflicht und findet seine Grenzen, wenn sich nicht mehr ohne Weiteres feststellen lässt, was die massgebenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen der Rechtsmittelinstanz sind (vgl. Urteile 6B_776/2013 vom 22. Juli 2014 E. 1.5; 6B_356/2012 vom 1. Oktober 2012 E. 3.5; je mit Hinweisen; BERNHARD EHRENZELLER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 7 f. zu Art. 112 BGG).
 
Erwägung 1.3
 
1.3.2 Die vorinstanzlichen Erwägungen sind aufgrund der unklaren Verweise teilweise missverständlich und widersprüchlich. Inwieweit das Bezirksgericht die massgebenden Strafzumessungsfaktoren "grundsätzlich zutreffend genannt und gewürdigt" haben soll, obwohl es entgegen der Vorinstanz auch den Umgang mit Streckmitteln für strafbar hielt und das objektive Tatverschulden als "erheblich" und nicht nur wie die Vorinstanz als "nicht besonders schwer" einstufte,BGE 141 IV 244 (247) BGE 141 IV 244 (248)ist nicht nachvollziehbar. Unklar bleibt, in welchem Umfang die Vorinstanz die Freisprüche von rund der Hälfte der Anklagevorwürfe hinsichtlich des Anstalten-Treffens zu Handlungen mit 75 kg Streckmitteln berücksichtigt. Die rudimentäre Erwägung, "dass der Beschwerdeführer bezüglich der Handlungen mit dem Streckmittel freizusprechen ist, wurde berücksichtigt, wirkt sich bei der Strafzumessung aber nur geringfügig aus (vgl. dazu auch Urk. 71 S. 17 [erstinstanzliches Urteil])", genügt im Hinblick auf eine transparente, in den Grundzügen nachvollziehbare und überprüfbare Strafzumessung nicht. Daran ändert auch der Verweis auf das erstinstanzliche Urteil nichts, der sich zudem als widersprüchlich erweist. Die Vorinstanz stellt zutreffend fest, dass entgegen der erstinstanzlichen Erwägungen das BetmG (SR 812.121) nicht in seiner aktuellen, sondern in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden ist, weshalb die vom Bezirksgericht vorgenommene "leichte Erhöhung" nicht mit Art. 19 Abs. 3 lit. c BetmG (gemeint sein dürfte lit. a), der in der zum Tatzeitpunkt geltenden und anwendbaren Gesetzesfassung noch nicht existierte, begründet werden kann. Dass die Vorinstanz das erstinstanzliche Strafmass von 4 Jahren Freiheitsstrafe in ihren Erwägungen bestätigt, letztlich jedoch eine Freiheitsstrafe von 3 ¾ Jahren ausspricht, ist unerklärlich.