Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:


Zitiert selbst:


Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Eine der gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch au ...
2. a) Zur Begründung ihres Standpunktes macht die Beschwerde ...
3. a) Das KIGA pflichtet dem kantonalen Gericht insoweit bei, als ...
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
20. Auszug aus dem Urteil vom 10. März 1994 i.S. Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit gegen G. und Verwaltungsgericht des Kantons Bern
 
 
Regeste
 
Art. 14 Abs. 2 AVIG.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 120 V 145 (145)A.- Die 1951 geborene G. war seit 1984 als teilzeitbeschäftigte Sekretärin beim Kanton Bern angestellt. Nachdem ihr Ehegatte seine Stelle als Geschäftsleiter der Firma S. AG verloren hatte, versuchte sie zunächst, eine zweite Halbtagesstelle zu finden. Als ihr dies nicht gelang, unterzog sie sich ab 7. Mai 1992 der Stempelkontrolle und beanspruchte Taggelder der Arbeitslosenversicherung. Mit Verfügung vom 24. Juli 1992 lehnte das Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit des Kantons Bern (KIGA) ihr Begehren indessen mit der Begründung ab, sie habe die Mindestbeitragszeit für ein 50% übersteigendes Arbeitspensum nicht erfüllt und auch die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit seien nicht gegeben.
BGE 120 V 145 (145)
BGE 120 V 145 (146)B.- In Gutheissung der hiegegen erhobenen Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Sache mit Entscheid vom 23. April 1993 an das KIGA zurück, damit es nach Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen über das Leistungsbegehren neu verfüge.
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das KIGA die Aufhebung des kantonalen Entscheids.
G. schliesst sinngemäss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) dem Beschwerdeantrag beipflichtet.
Auf die einzelnen Vorbringen in den Rechtsschriften wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
 
a) Unbestrittenermassen hat die Versicherte innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist für die Beitragszeit (Art. 9 Abs. 1 und 3 AVIG) neben ihrer Halbtagesstelle als Verwaltungsbeamtin des Kantons Bern keine weitere beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt, weshalb für die von ihr gesuchte zweite Halbtagesstelle die Beitragszeit nicht erfüllt ist (Art. 13 Abs. 1 AVIG); auch liegen keine Gründe vor, welche eine Anrechnung gewisser Zeitabschnitte trotz fehlenden Arbeitsverhältnisses zuliessen (Art. 13 Abs. 2 AVIG).
b) Fragen kann sich damit lediglich, ob die Leistungsansprecherin im Sinne von Art. 14 AVIG als von der Erfüllung der Beitragszeit befreit gelten kann.
Ausser Betracht fallen dabei offensichtlich die in Abs. 1 dieser Bestimmung aufgeführten Befreiungsgründe. Zu prüfen bleibt somit einzig noch eine Befreiung aufgrund von Art. 14 Abs. 2 AVIG. Danach sind von der Erfüllung der Beitragszeit Personen befreit, die wegen Trennung oder Scheidung ihrer Ehe, wegen Invalidität oder Todes des Ehegatten oder aus ähnlichen Gründen oder wegen Wegfalls einer Invalidenrente gezwungen sind, eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder zu erweitern. Im vorliegenden Fall stellt sich nur die Frage, ob die Beschwerdegegnerin aus den in dieser Norm erwähnten "ähnlichen Gründen" einen Befreiungstatbestand verwirklicht, sindBGE 120 V 145 (146) BGE 120 V 145 (147)doch die übrigen darin aufgeführten Befreiungsgründe zweifellos nicht erfüllt. Bezüglich der dem unbestimmten Rechtsbegriff "aus ähnlichen Gründen" nach Lehre und Rechtsprechung zukommenden Bedeutung kann dabei auf die zutreffenden Ausführungen im kantonalen Entscheid verwiesen werden (vgl. auch BGE 119 V 54 Erw. 3a mit Hinweis).
b) Das kantonale Gericht ging ebenfalls davon aus, dass die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse infolge des Stellenverlusts des Ehemannes der Beschwerdegegnerin und der weiteren damit verbundenen finanziellen Nachteile eine Erweiterung der erwerblichen Tätigkeit der Versicherten selbst aufdrängten; auch sei sie aufgrund des neuen Eherechts verpflichtet gewesen, ihre ausserhäusliche Arbeit auszudehnen. Damit lag auch nach der vorinstanzlichen Auffassung hinreichende Veranlassung für eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit "aus ähnlichen Gründen" im Sinne von Art. 14 Abs. 2 AVIG vor.
Sicherlich gerechtfertigt erscheint die Forderung des KIGA, dass die unter den Begriff "ähnliche Gründe" in Art. 14 Abs. 2 AVIG fallenden Umstände den in derselben Bestimmung ausdrücklich erwähnten Ereignissen "Trennung oder Scheidung der Ehe" und "Invalidität oder Tod des Ehegatten" in Auswirkung und Tragweite zu entsprechen haben. Wenn das beschwerdeführende Amt darausBGE 120 V 145 (147) BGE 120 V 145 (148)schliesst, dass es sich um Vorkommnisse handeln müsse, welche dazu führen, dass der Ehepartner, der bisher allein oder überwiegend für den ehelichen Unterhalt aufgekommen ist, dazu endgültig nicht mehr in der Lage oder bereit ist und sich der andere Ehegatte deshalb gezwungen sieht, diese Rolle durch Aufnahme einer eigenen oder Steigerung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit zu übernehmen, lässt sich dies nicht beanstanden. Tatsächlich muss für die Annahme eines "ähnlichen Grundes" im Sinne von Art. 14 Abs. 2 AVIG verlangt werden, dass der Ehegatte des Leistungsansprechers voraussichtlich dauernd oder zumindest längerfristig nicht mehr bereit oder fähig sein wird, wie bisher für die ehelichen Bedürfnisse zu sorgen.
b) Solche Verhältnisse liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Der Ehemann der Beschwerdegegnerin ist zwar seit längerer Zeit arbeitslos und hat offenbar auch erhebliche Schwierigkeiten auf der Suche nach einer geeigneten neuen Stelle. Zur zumindest teilweisen Deckung des dadurch bedingten Lohnausfalles stehen ihm jedoch bereits Ansprüche auf Arbeitslosenentschädigung zu, womit der finanzielle Engpass einigermassen überwunden werden kann. Insbesondere lässt sich aber - wie das KIGA zu Recht einwendet - nicht sagen, dass er dauernd oder zumindest für voraussichtlich sehr lange Zeit objektiv gar nicht in der Lage wäre, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und damit seinen Beitrag an die ehelichen Lebenshaltungskosten zu leisten, wie dies bei den übrigen in Art. 14 Abs. 2 AVIG aufgelisteten Beispielen der Fall ist. Daraus ergibt sich aber, dass der Eintritt der Arbeitslosigkeit eines Ehegatten den in Art. 14 Abs. 2 AVIG ausdrücklich genannten Beispielen nicht gleichgesetzt werden kann und demnach nicht unter den in dieser Bestimmung enthaltenen Begriff der "ähnlichen Gründe" fällt. Wie das KIGA zutreffend ausführt, lässt sich gegen diese Betrachtungsweise auch nicht BGE 119 V 54 Erw. 3a anführen, wo das Eidg. Versicherungsgericht für die Ehefrau eines in Konkurs geratenen Unternehmers einen "ähnlichen Grund" im Sinne von Art. 14 Abs. 2 AVIG angenommen hat. Anders als im vorliegenden Fall erhielt der betroffene Ehegatte dort nämlich keinen Ausgleich in Form von Arbeitslosenentschädigungen. An diesem Ergebnis ändert ferner auch nichts, dass die durch den Konkurs der früheren Arbeitgeberfirma des Ehemannes der Beschwerdegegnerin zusätzlich ausgelösten Verluste allenfalls trotz der Leistungen der Arbeitslosenversicherung eine Weiterführung der bisherigen Lebenshaltung nicht mehr zulassen. Wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und auch in der Vernehmlassung des BIGA richtig festgehalten wird, hat die Arbeitslosenversicherung weder für solche auf die frühereBGE 120 V 145 (148) BGE 120 V 145 (149)Risikobereitschaft des Ehepaares zurückzuführende noch für anderweitige, nicht direkt durch das versicherte Risiko der Arbeitslosigkeit ausgelöste finanzielle Schwierigkeiten einzustehen. Insbesondere ist festzuhalten, dass es natürlich nicht angeht, einen Teil des beim Aufbau eines Betriebes in Kauf genommenen Risikos auf die Arbeitslosenversicherung abzuwälzen und diese Institution damit zweckfremden Bedürfnissen nutzbar zu machen. Gerade dies würde indirekt aber erreicht, wollte man einem Leistungsansprecher eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit zubilligen, wenn sein arbeitslos gewordener Ehegatte infolge von früheren Investitionen in die in Konkurs geratene Arbeitgeberfirma zu Verlust gekommen ist.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 23. April 1993 aufgehoben.BGE 120 V 145 (149)