Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:


Zitiert selbst:


Regeste
Sachverhalt
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1. Streitig ist die Zulässigkeit der von der Verwaltung  ...
2. Da Streitigkeiten über den Auszahlungsmodus rechtspre ...
Erwägung 3
Erwägung 4
5. Zu prüfen bleibt, ob der auf den 1. Januar 2000 neu e ...
Erwägung 5.2
6. Zusammenfassend lässt sich demnach gegen die Auszahlu ...
7. Obschon nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versic ...
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
55. Urteil i.S. J. gegen IV-Stelle Schaffhausen und Obergericht des Kantons Schaffhausen
 
 
I 492/01 vom 22. Mai 2003
 
 
Regeste
 
Art. 35 Abs. 4 IVG; Art. 82 IVV in Verbindung mit Art. 71ter AHVV; Art. 285 Abs. 2 und 2bis ZGB: Auszahlung von Kinderrenten an den Ehegatten der anspruchsberechtigten Person.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 129 V 362 (362)A.- Mit Verfügung vom 26. Januar 2000 sprach die IV-Stelle Schaffhausen dem 1954 geborenen J. für die Zeit ab 1. Februar 2000 eine ganze Invalidenrente zu. Mit einer gleichentags an die von J. geschiedene Ehefrau S. gerichteten Verfügung ordnete sie die Auszahlung der zur Rente des Vaters gehörenden Kinderrente für den gemeinsamen Sohn T. an dessen Mutter an. Am 24. Februar 2000 BGE 129 V 362 (362) BGE 129 V 362 (363) erliess die IV-Stelle eine weitere Verfügung, mit welcher sie J. rückwirkend ab 1. November 1997 eine halbe und ab 1. Februar 1999 eine ganze Invalidenrente gewährte. Die dazugehörenden Kinderrenten für den Sohn T. und die Tochter D. sollten gemäss zwei ebenfalls am 24. Februar 2000 ergangenen Verfügungen der Mutter ausbezahlt werden, wobei diejenige für D. im Hinblick auf den erfolgten Lehrabschluss bis Ende Juli 1999 befristet war. Weiter wurden von den am 24. Februar 2000 zugesprochenen Kinderrenten-Nachzahlungen Fr. 12'514.- resp. Fr. 3'294.- mit Leistungen verrechnet, welche die Alimenteninkassostelle X. für T. und D. vorschussweise erbracht hatte.
B.- Eine unter anderm gegen die Auszahlung der Kinderrenten an die geschiedene Ehefrau gerichtete Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen mit Entscheid vom 22. Juni 2001 ab.
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt J. erneut beantragen, die Kinderrenten seien ihm und nicht seiner geschiedenen Ehefrau auszuzahlen.
Die IV-Stelle sieht von einer materiellen Stellungnahme ab und ersucht, die Ausgleichskasse des Kantons Luzern zur Vernehmlassung einzuladen. Diese und S. schliessen als Mitinteressierte auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) setzt sich insbesondere näher mit den Auswirkungen des auf den 1. Januar 2000 in Art. 285 ZGB neu eingefügten Abs. 2bis - wozu es im vorinstanzlichen Verfahren eine am 19. Mai 2000 erstattete Stellungnahme des Bundesamtes für Justiz eingeholt hatte - auseinander und trägt des Weitern ebenfalls auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an.
 
BGE 129 V 362 (363)
BGE 129 V 362 (364)2. Da Streitigkeiten über den Auszahlungsmodus rechtsprechungsgemäss nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen betreffen, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
 
Erwägung 3
 
3.2 Bezüglich der massgebenden gesetzlichen Grundlage für eine Auszahlung von Kinderrenten an den Ehegatten der anspruchsberechtigten Person (Art. 35 Abs. 4 IVG in der auf den 1. Januar 1997 in Kraft getretenen und bis Ende 2002 gültig gewesenen, hier anwendbaren Fassung [vgl. Erw. 3.1 hievor]) ist ergänzend zu den Ausführungen des kantonalen Gerichts zu erwähnen, dass Art. 35 IVG in der bis Ende 1996 gültig gewesenen Fassung anders als der damalige, die Zusatzrente für die Ehefrau betreffende Art. 34 IVG keine Regelung hinsichtlich einer Drittauszahlung der Renten beinhaltete. Mit Blick auf den gesetzlichen Zweck, wonach die Kinderrente ausschliesslich für den Unterhalt und die Erziehung des Kindes zu verwenden ist, hatte das Eidgenössische Versicherungsgericht hingegen ergänzende Regeln zu den Bestimmungen über die zweckgemässe Rentenverwendung (Art. 50 IVG in Verbindung mit Art. 45 AHVG sowie Art. 84 IVV und Art. 76 AHVV) aufgestellt und eine Auszahlung der Kinderrente an die getrennt lebende oder geschiedene Mutter unter der Voraussetzung zugelassen, dass diese die elterliche Gewalt innehat, das Kind nicht beim rentenberechtigten BGE 129 V 362 (364) BGE 129 V 362 (365) Vater wohnt und sich dessen Unterhaltspflicht in einem Kostenbeitrag erschöpft ( BGE 103 V 134 Erw. 3 mit Hinweisen). In einem Kostenbeitrag erschöpft sich die Unterhaltspflicht nach dieser Rechtsprechung, wenn die Unterhaltsbeiträge die von HANS WINZELER (Die Bemessung der Unterhaltsbeiträge für Kinder, Diss. Zürich 1974) in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt des Kantons Zürich ermittelten Ansätze für den Unterhaltsbedarf von Kindern nicht erreichen (SVR 2002 IV Nr. 5 S. 11 Erw. 3c/aa, 1999 IV Nr. 2 S. 6 Erw. 2a; vgl. auch BGE 122 V 125 ). Diese nunmehr vom BSV regelmässig der Lohn- und Preisentwicklung angepassten Ansätze werden jeweils im Anhang III der bundesamtlichen Wegleitung über die Renten (RWL) veröffentlicht.
3.4 Erst mit der gleichzeitigen Änderung von AHVV und IVV vom 14. November 2001 hat der Bundesrat unter anderm für die Auszahlung von Kinderrenten der Invalidenversicherung bei getrennter oder geschiedener Ehe gestützt auf die Delegationsnorm in Satz 3 von Art. 35 Abs. 4 IVG eine spezielle Regelung auf Verordnungsstufe geschaffen, indem er in Art. 82 IVV den Art. 71ter AHVV für die Auszahlung der Kinderrenten der Invalidenversicherung als sinngemäss anwendbar erklärt hat (Änderung der AHVV vom 14. November 2001, AS 2002 199; Änderung der IVV vom 14. November 2001; AS 2002 200). Nach Art. 71ter Abs. 1 AHVV ist die Kinderrente, wenn die Eltern des Kindes nicht oder nicht mehr BGE 129 V 362 (365) BGE 129 V 362 (366) miteinander verheiratet sind oder getrennt leben, auf Antrag dem nicht rentenberechtigten Elternteil auszuzahlen, wenn diesem die elterliche Sorge über das Kind zusteht und es bei ihm wohnt (Satz 1); abweichende vormundschaftliche oder zivilrichterliche Anordnungen bleiben vorbehalten (Satz 2). Laut Abs. 2 gilt dies auch für die Nachzahlung von Kinderrenten (Satz 1); hat der rentenberechtigte Elternteil seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind erfüllt, so steht ihm die Nachzahlung im Umfang der monatlich erbrachten Leistungen zu (Satz 2).
Diese Ordnung ist erst auf den 1. Januar 2002 in Kraft getreten, sodass sie im vorliegenden Fall, in welchem es um die Auszahlung von bereits am 26. Januar und 24. Februar 2000 zugesprochenen Kinderrenten geht, keine Anwendung findet.
 
Erwägung 4
 
Nach Massgabe der auch nach Inkraftsetzung des Art. 35 Abs. 4 IVG auf den 1. Januar 1997 zunächst weiterhin geltenden Rechtsprechung ist der Anspruch der Ehefrau des Beschwerdeführers auf direkte Auszahlung der Kinderrenten demnach ausgewiesen.
Mit dem neu eingefügten Abs. 2bis von Art. 285 ZGB ist eine für den unterhaltspflichtigen Rentenberechtigten im Vergleich zur früheren Rechtslage vorteilhaftere Regelung getroffen worden. Diese wirkt sich in erster Linie auf die Höhe der noch geschuldeten Unterhaltsbeiträge aus. Ein direkter Einfluss auf die Zulässigkeit einer Auszahlung von Kinderrenten an den selbst nicht anspruchsberechtigten Ehegatten, der die elterliche Sorge über die bei ihm wohnenden gemeinsamen Kinder innehat, ist daraus nicht zwingend abzuleiten.
BGE 129 V 362 (367)
 
BGE 129 V 362 (368)Erwägung 5.2
 
Gegen die Ausrichtung der für die Zeit bis Ende 1999 zugesprochenen Kinderrenten an die Ehefrau des Anspruchsberechtigten ist demnach, entsprechend der bis dahin massgebend gewesenen Rechtslage, ungeachtet des damit verbundenen Zusammentreffens von Renten- und Unterhaltszahlungen, nichts einzuwenden.
Es ist indessen nicht Sache des Sozialversicherungsgerichts, über eine allfällige Rückforderung früher zu viel bezahlter Unterhaltsbeiträge zu befinden. Aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht kann sich einzig die Frage stellen, ob der Entstehung einer solchen für den rentenberechtigten Unterhaltspflichtigen unbefriedigenden Situation allenfalls im Sinne einer Vorbeugung mit einer Einschränkung der bei der Auszahlung von Kinderrenten an den getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten der anspruchsberechtigten Person bestehenden Praxis wirksam entgegengetreten werden kann. Dies liesse sich unter Umständen realisieren, indem etwa, wie vom Bundesamt BGE 129 V 362 (368) BGE 129 V 362 (369) für Justiz in der mehrfach erwähnten Stellungnahme vom 19. Mai 2000 angeregt und auch vom BSV dem Grundsatz nach befürwortet, die Auszahlung von Kinderrenten an den Ehegatten des Rentenberechtigten nur in dem Umfang zugelassen würde, in welchem für die nämliche Zeitspanne nicht bereits Unterhaltsbeiträge geleistet wurden.
Die Schaffung einer speziellen Auszahlungsregelung, welche der mit Art. 285 Abs. 2bis ZGB verfolgten Zielsetzung angemessen Rechnung trägt und dabei doch auch allenfalls davon tangierte andere Interessen, etwa das Bestreben nach Geringhaltung des administrativen Aufwandes der Verwaltung, nicht vernachlässigt, würde die blosse Auslegung bestehender Normen indessen bei weitem sprengen. Hinsichtlich des bis Ende 2001 anhaltenden Fehlens einer genaueren Regelung der Auszahlungsmodalitäten auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe kann auch nicht von einer echten Lücke gesprochen werden, deren Schliessung durch das Sozialversicherungsgericht an sich zulässig wäre (vgl. BGE 127 V 41 Erw. 4b/cc und 4b/dd mit Hinweisen). Eine Ergänzung der bis Ende 2001 aktuellen normativen Ordnung, wie sie nunmehr mit Art. 71ter AHVV in Verbindung Art. 82 IVV verwirklicht worden ist, auch für die Zeit vor dem 1. Januar 2002 liegt deshalb nicht im Zuständigkeitsbereich der Sozialversicherungsgerichte. Einzig dem Gesetzgeber oder allenfalls - auf Verordnungsstufe - dem Bundesrat stand die Kompetenz zu, der nicht ohne weiteres überzeugenden früheren Auszahlungsregelung durch den Erlass einschlägiger Bestimmungen zu begegnen, wie dies nunmehr mit der Schaffung von Art. 71ter AHVV und dem Verweis darauf in Art. 82 IVV auch geschehen ist.