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Regeste
Aus den Erwägungen:
Erwägung 3
4. Beim zu prüfenden Anspruch auf Ergänzungsleistungen  ...
Erwägung 5
6. Zu prüfen bleibt, ob die Heizkostenpauschale in der festg ...
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35. Auszug aus dem Urteil i.S. R. und M. gegen Amt für Sozialbeiträge Basel-Stadt und Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
 
 
P 10/03 vom 4. August 2005
 
 
Regeste
 
Art. 8, 9 und 12 BV; Art. 3a Abs. 7 lit. h ELG; Art. 16b ELV: Heizkostenpauschale.
 
In der Pauschalierung der Heizkosten liegt keine Verletzung des Anspruchs auf ein menschenwürdiges Dasein nach Art. 12 BV. (Erw. 6)
 
 
BGE 131 V 256 (257)Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 3
 
 
BGE 131 V 256 (258)Erwägung 5
 
5.1 Zum Rechtsgleichheitsgebot machen die Beschwerdeführer geltend, die Pauschalierung falle offensichtlich viel zu tief aus und werde dem konkreten Einzelfall einer Selbstbeheizung in keiner Weise gerecht. Das zeige sich bereits aus der Art, wie die Pauschale fixiert worden sei. Diese betrage die Hälfte der Nebenkostenpauschale gemäss Art. 16a ELV, welche die Nebenkostenabdeckung bei selbstgehörenden Liegenschaften betreffe. Es werde somit ein Quervergleich zu einer Kategorie - dem selbstgenutzten Wohneigentum - gezogen, welcher offensichtlich sachlich unhaltbar sei. Dies deshalb, weil es sich bei Mietwohnungen, welche noch selbst beheizt werden müssten, augenscheinlich um Altbauten handle, die äusserst schlecht isoliert seien und einen entsprechenden Energiebedarf aufwiesen, wie es der vorliegende Fall im Übrigen mit fast nicht zu übertreffender Klarheit belege. Dies im Gegensatz zum selbstgenutzten Wohneigentum, welches notorischerweise baulich gut unterhalten sei. Die Anwendung des hälftigen Ansatzes für selbstbeheizte Mietwohnungen sei demnach nicht nachvollziehbar. Dies gelte umso mehr, als bei Altbauten ausser den Heiz- und Wasserkosten keine Nebenkosten anfallen würden. Zudem sei bei Altbauten nicht zuletzt in Ausgleichung des fehlenden Heizkomforts der Basismietzins regelmässig sehr tief, er liege weit unter der anrechenbaren Kostenlimite von jährlich Fr. 12'000.-. Nachvollziehbar und der Tatsache des erhöhten Energiebedarfs bei Altbauten gerecht werde die Pauschalierung nur dann, wenn als Referenz die statistisch festgehaltenen Akonto-Zahlungen für Heizkosten von Vergleichsobjekten herangezogen würden.
5.4 Auf die Verfassungskonformität hin überprüfbar bleibt hingegen die konkrete Verordnungsbestimmung. Nach der Rechtsprechung kann das Eidgenössische Versicherungsgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei (unselbstständigen) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es in erster Linie, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen gesetz- oder verfassungswidrig sind. Es kann jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen. Die vom Bundesrat verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen das in Art. 9 BV verankerte Willkürverbot, wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt resp. sinn- oder zwecklos ist. Gegen das in Art. 8 Abs. 1 BV festgeschriebene Gebot der rechtsgleichen Behandlung verstösst sie, wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nichtBGE 131 V 256 (259) BGE 131 V 256 (260)finden lässt, oder Unterscheidungen unterlässt, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen (BGE 129 V 330 Erw. 4.1 mit Hinweisen; zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene Rechtsprechung, welche gemäss BGE 126 V 52 Erw. 3b unter der Herrschaft der neuen Bundesverfassung weiterhin Geltung beansprucht: BGE 128 I 312 Erw. 7b mit Hinweis, BGE 125 V 30 Erw. 6a, BGE 124 II 245 Erw. 3, BGE 124 V 583 Erw. 2a, BGE 124 V 15 Erw. 2a, BGE 124 V 194 Erw. 5a, je mit Hinweisen).
Im Weiteren lässt sich die Festsetzung der Heizkostenpauschale in sachlicher Hinsicht nicht beanstanden. Sie basiert entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht etwa auf Ansätzen für Wohneigentum, sondern auf einem nachvollziehbaren, durchschnittlichen Nebenkostenansatz für Mietwohnungen von Fr. 35.- pro Zimmer, ausgehend von einer 4-Zimmer-Wohnung, was Nebenkosten von Fr. 140.- entspricht (AHI-Praxis 1998 S. 33). Mit Blick auf die weiteren anfallenden Nebenkosten, zu denen neben den bereits im Gesetz erwähnten Heiz- und Warmwasserkosten (Art. 257b Abs. 1 OR) als Beispiele etwa die Kosten für allgemeine Beleuchtung, Hauswart, Gartenpflege und allenfalls Lift gehören (Urteil 4C.82/2000 vom 24. Mai 2000) und welche - abgesehen vielleicht von den Liftkosten - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer auch bei Altbauten anfallen, erscheint es durchaus sachgerecht, für die Heizkostenpauschale von diesem Ansatz nur die Hälfte, somit Fr. 70.- zu berücksichtigen. Abgesehen davon kann auch nicht gesagt werden, im Gegensatz zu Mietwohnungs-Altbauten sei selbstbenutztes Wohneigentum notorischerweise gut unterhalten, weisen doch gerade auch Einfamilienhäuser mit Baujahr vor 1973 (Ölkrise) auf Grund der schlechten Isolation einen höheren Energiebedarf auf. Schliesslich lässt sich die Festsetzung der Heizkostenpauschale auf Fr. 70.- pro Monat auch mit Blick auf die Preisstatistik 2002 nicht beanstanden, welche in derBGE 131 V 256 (260) BGE 131 V 256 (261)Kategorie Rentner einen Anteil des Heizöls an der Wohnungsmiete von 9.5 % ausweist (vgl. Preisstatistik 2002 des Bundesamtes für Statistik vom Februar 2003, S. 23, Tabelle 3), wenn, wie das BSV zutreffend ausgeführt hat, zum Vergleich die anrechenbaren Bruttomietzinse bei den Ergänzungsleistungen (Median des Bruttomietzinses bei Alleinstehenden Fr. 750.-, bei Ehepaaren Fr. 920.-; vgl. Statistik der Ergänzungsleistungen zur AHV und IV 2002 des BSV, S. 48, Tabelle A 4.4) herangezogen und daraus die entsprechenden Heizkosten abgeleitet werden (bei Alleinstehenden 9.5 % von Fr. 750.- = Fr. 64.50, bei Ehepaaren 9.5 % von Fr. 920.- = Fr. 79.10). Eine unsachliche Regelung, welche ein Abgehen von der durch den Bundesrat festgesetzten Pauschale rechtfertigt, liegt deshalb nicht vor.
BGE 131 V 256 (261)
BGE 131 V 256 (262)6.2 Im Rahmen der Konkretisierung menschenwürdiger Existenzbedingungen kann aus dem Anspruch auf Obdach unter anderem auch ein Anspruch auf Beheizbarkeit der zu bewohnenden Räume abgeleitet werden (vgl. KATHRIN AMSTUTZ, Das Grundrecht auf Existenzsicherung, Diss. Bern 2001 S. 217). Die Anerkennung dieses Anspruchs im System der Ergänzungsleistungen findet darin ihren Niederschlag, dass Heizkosten ausdrücklich als Ausgaben anerkannt werden. Was die Höhe dieser anerkannten Heizkosten betrifft, muss aber bedacht werden, dass der verfassungsmässige Anspruch lediglich ein Minimum im Sinne einer Überlebenshilfe garantiert (vgl. Erw. 6.1 hievor) und dieser weniger mit Blick auf einzelne Positionen der Ergänzungsleistungsberechnung denn auf die Gesamtleistung zu beurteilen ist.
Unter Berücksichtigung, dass sich die Heizkostenpauschale über Fr. 840.-, wie bereits dargelegt, im Rahmen des üblicherweise von Rentnern für Heizkosten aufgewendeten Betrages bewegt (vgl. dazu im Übrigen auch die Bemerkung des Amtes für Sozialbeiträge in seiner Vernehmlassung, wonach bei rund 8000 Ergänzungsleistungsbezügern kein anderer Fall bekannt sei, in welchem solch hohe Heizkosten wie vorliegend geltend gemacht würden) und zudem nicht davon auszugehen ist, dass die normalerweise anfallenden Heizkosten nur gerade dazu ausreichen, im Sinne eines "Minimalstandards" das an Beheizung zum Überleben Notwendige sicherzustellen, wird der von Art. 12 BV garantierte, in einer Notlage unerlässliche Minimalanspruch jedenfalls gewährleistet. Sollte die Ergänzungsleistung unter Einschluss der Heizkostenpauschale in einem ganz speziell gelagerten Einzelfall für ein menschenwürdiges Dasein nicht ausreichen, wäre diesem Umstand nicht bei den Ergänzungsleistungen, sondern im Rahmen der Sozialhilfe Rechnung zu tragen. Dies ist indessen praktisch kaum vorstellbar, da die Ergänzungsleistungen von Verfassungs wegen den Existenzbedarf decken (in Art. 196 enthaltene Ziff. 10 ÜbBest BV zu Art. 112 BV). Eine Prüfung, ob die Heizkostenpauschale im konkreten Einzelfall kostendeckend ist, entfällt damit in diesem Verfahren. Art. 16b ELV erweist sich deshalb auch mit Bezug auf Art. 12 BV als verfassungskonform.BGE 131 V 256 (262)