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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Strittig ist, ob der Beschwerdegegner als Rechtsnachfolger des ...
Erwägung 3
Erwägung 3.4
4. Die Beschwerdeführerin wiederholt schliesslich letztinsta ...
5. Da sich der Verstorbene selbstständig gemacht und vor sei ...
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
5. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. GastroSocial Pensionskasse gegen R. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
9C_172/2007 vom 6. November 2007
 
 
Regeste
 
Art. 2 Abs. 2 ZGB; Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG; Art. 18 lit. a, Art. 20a Abs. 1 lit. b, Art. 22 Abs. 1 BVG; Eintritt des Vorsorgefalles "Tod".
 
Präzisierung der Rechtsprechung zum Eintritt des Vorsorgefalles "Invalidität" (E. 3.4).
 
Kein offenbarer Rechtsmissbrauch, wenn sich der Versicherte selbstständig macht, um seinem Bruder die Austrittsleistung vererben zu können (E. 4).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 134 V 28 (29)A. W., geboren 1947, war im Restaurant B. als Kellner tätig und dadurch bei der GastroSocial Pensionskasse obligatorisch berufsvorsorgeversichert. Wegen eines metastasierenden Bronchialkarzinoms war er ab 12. September 2004 in seinem bisherigen Beruf vollständig arbeitsunfähig. Am 14. Januar 2005 löste er sein Arbeitsverhältnis per sofort auf, da er die seit 1. Oktober 2004 nebenberuflich ausgeübte Beratungs- und Konfliktlösungstätigkeit im Partnerbereich ab 15. Januar 2005 zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit ausweiten wollte. Am 14. Februar 2005 verlangte er bei der Pensionskasse die Barauszahlung seiner Austrittsleistung. Am 16. Februar 2005 schied W. freiwillig aus dem Leben. R., der von seinem Bruder am 21. Januar 2005 testamentarisch als Universalerbe eingesetzt worden war, ersuchte die Pensionskasse am 13. Mai 2005 um Überweisung der Freizügigkeitsleistung, was diese wiederholt ablehnte, da die Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zum Tod geführt habe, während des Vorsorgeverhältnisses eingetreten sei. Der damit eingetretene Vorsorgefall "Tod" schliesse den Freizügigkeitsfall aus.
B. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hiess die von R. am 22. Februar 2006 eingereichte Klage mit Entscheid vom 13. März 2007 gut und verpflichtete die Pensionskasse, ihm die Austrittsleistung seines verstorbenen Bruders (Stichtag: 14. Januar 2005) zuzüglich Zins zu bezahlen.
C. Die Pensionskasse lässt Beschwerde führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sei zustimmend zur Kenntnis zu nehmen, dass sie die gesetzlichen und reglementarischen Hinterlassenenleistungen ausrichte.
R. lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen, während das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) in der StellungnahmeBGE 134 V 28 (29) BGE 134 V 28 (30)- ohne einen Antrag zu stellen - anregt, die hinsichtlich der Frage des Eintritts des Vorsorgefalles "Invalidität" unterschiedlichen Praxen des Bundesgerichts zu vereinheitlichen.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
 
Erwägung 3
 
3.2 Zur Frage, wann der Vorsorgefall "Tod" im Sinne von Art. 2 Abs. 2 FZG eingetreten ist, hat sich das Bundesgericht bisher nicht geäussert. Die Vorinstanz hat dazu erwogen, der Vorsorgefall "Tod"BGE 134 V 28 (30) BGE 134 V 28 (31)trete mit dem Tod und nicht mit der allfällig zugrunde liegenden Arbeitsunfähigkeit ein. Eine dem Tod vorangegangene Arbeits- oder Erwerbsunfähigkeit bilde kein notwendiges Begriffselement des versicherten Risikos. Diese Auslegung deckt sich mit der in Lehre und Rechtsprechung verwendeten allgemeinen Definition des Versicherungsfalles: Unter einem solchen wird der Eintritt des versicherten Risikos in der gesetzlich normierten Weise verstanden (ULRICH MEYER, Allgemeine Einführung, in: Schweiz. Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl., Rz. 115 S. 73 mit Hinweis auf BGE 100 V 208). Der Anspruch auf Hinterlassenenleistungen nach BVG entsteht mit dem Tod des Versicherten, frühestens jedoch mit Beendigung der vollen Lohnfortzahlung (Art. 22 Abs. 1 BVG). Der hier in Frage stehende Versicherungs- oder Vorsorgefall tritt nach dem Gesagten also frühestens mit dem Tod des Versicherten ein.
 
Erwägung 3.4
 
3.4.1 In verschiedenen Urteilen des Eidg. Versicherungsgerichts (heute: Bundesgericht) wurde die in E. 3.3 dargestellte begriffliche Unterscheidung des Eintritts der Invalidität und derBGE 134 V 28 (31) BGE 134 V 28 (32)Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, vermischt (letztmals Urteile B 116/04 vom 26. August 2005; B 9/05 vom 9. Juli 2005 und B 88/03 vom 28. Mai 2004), was dem BSV Anlass zur Bemerkung gibt, zum Eintritt des Vorsorgefalles "Invalidität" bestünden unterschiedliche Rechtsprechungen. Dem ist indessen bei genauer Betrachtung nicht so:
3.5 Aus dieser Klärung kann die Beschwerdeführerin indessen nichts zu ihren Gunsten ableiten. Das kantonale Gericht hat festgestellt, dass sich der Bruder des Beschwerdegegners das Leben genommen hat. Die Beschwerdeführerin geht in ihrer Sachverhaltsdarstellung - allerdings ohne nähere Begründung und ohne sich mit der Sachverhaltsfeststellung des kantonalen Gerichts auseinanderzusetzen - davon aus, das Krebsleiden habe zum Tode geführt. Dass das kantonale Gericht von einer offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung ausgegangen sein oder eine Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 begangen haben soll, wird nicht behauptet. Somit bleibt die Feststellung der Vorinstanz, der Versicherte seiBGE 134 V 28 (32) BGE 134 V 28 (33)freiwillig aus dem Leben geschieden, für das Bundesgericht verbindlich. War damit weder das Krebsleiden, das zur Arbeitsunfähigkeit führte, Ursache des Todes, noch der Verstorbene im Zeitpunkt seines Todes bei der Beschwerdeführerin berufsvorsorgeversichert (auch die Nachdeckungsfrist von einem Monat [Art. 10 Abs. 3 BVG] war abgelaufen), hatte der Bruder des Beschwerdegegners die Vorsorgeeinrichtung verlassen, bevor der Vorsorgefall "Tod" eingetreten ist. Damit ist hier der Anspruch auf eine Austrittsleistung im Grundsatz entstanden (Art. 2 Abs. 1 FZG). Die Sache wäre auch nicht anders zu beurteilen, wenn W. an den Folgen seiner Krebserkrankung verstorben wäre. Entscheidend ist allein, dass sein im Sommer 2004 ausgebrochenes Leiden nicht zu einer Invalidität geführt hatte, wie das kantonale Gericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat.