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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
3. Streitig und zu prüfen ist die Höhe der Erwerbsersat ...
Erwägung 4
5. Es fragt sich, was unter einer Erwerbstätigkeit von l&aum ...
Erwägung 6
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28. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. B. gegen AHV-Ausgleichskasse des Kantons Graubünden (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
9C_364/2009 vom 10. Juni 2010
 
 
Regeste
 
Art. 10 EOG; Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV; Auslegung des Begriffs der Erwerbstätigkeit von längerer Dauer.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 136 V 231 (231)A. Der 1988 geborene B. beantragte am 28. November 2007 (Eingangsdatum) bei der AHV-Ausgleichskasse des Kantons Graubünden (nachfolgend: Ausgleichskasse) eine Entschädigung für Dienstleistende der Schweizer Armee aufgrund eines entgangenen Monatslohnes von Fr. 6'900.-. Zur Begründung gab er an, er hätte, statt Militärdienst zu leisten, in der Firma X. AG arbeiten können. Dem Antrag legte er ein Bestätigungsschreiben vom 19. November 2007 der Firma bei. Die Ausgleichskasse wies das Gesuch mit Verfügung vom 16. Januar 2008 ab, weil der Gesuchsteller im Zeitpunkt des Einrückens in die Rekrutenschule im Sommer 2007 als nichterwerbstätige Person gelte. Daran hielt sie auf erhobene Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 31. Juli 2008).BGE 136 V 231 (231)
BGE 136 V 231 (232)B. Die dagegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Entscheid vom 3. Februar 2009 ab.
C. B. erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, die Erwerbsausfallentschädigung sei für die Zeit vom 24. November 2007 bis 23. April 2008 auf der Basis eines entgangenen Verdienstes von Fr. 6'900.- zu bezahlen.
Ausgleichskasse und Vorinstanz schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
D. Am 23. Dezember 2009 fordert das Bundesgericht das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) zur Vernehmlassung auf. Diese erging am 25. Januar 2010; das BSV schliesst darin sinngemäss auf Abweisung der Beschwerde.
Der Beschwerdeführer äussert sich am 18. Februar 2010 zur Stellungnahme des BSV, wobei er an seinem Standpunkt festhält.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
 
 
Erwägung 4
 
4.1 Unter dem Kapitel "Erfüllung der Ausbildungsdienstpflicht ohne Unterbrechung" regelt Art. 54a Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 3. Februar 1995 über die Armee und MilitärverwaltungBGE 136 V 231 (233) BGE 136 V 231 (234)(Militärgesetz, MG; SR 510.10), dass der Militärdienstpflichtige seine Ausbildungsdienstpflicht freiwillig ohne Unterbrechung erfüllen kann. Die Anzahl der berücksichtigten Dienstpflichtigen richtet sich nach dem Bedarf der Armee. Gemäss Absatz 2 der Bestimmung absolviert die Rekrutenschule und leistet unmittelbar danach die restlichen Diensttage ohne Unterbruch, wer seine Ausbildungsdienstpflicht ohne Unterbrechung leistet. Angehörige der Armee, die ihre Ausbildungsdienstpflicht nach Art. 54a MG freiwillig ohne Unterbrechung erfüllen, leisten den Ausbildungsdienst, wenn sie Angehörige der Armee mit Mannschaftsgraden sind, an 300 aufeinander folgenden Tagen (Art. 10 lit. a der Verordnung vom 19. November 2003 über die Militärdienstpflicht [MDV; SR 512.21]).
4.3 Hingegen ist die Aussage im angefochtenen Entscheid zu präzisieren, für die Bezugsberechtigung und Höhe der EO-Entschädigung seien die Erwerbsverhältnisse im Zeitpunkt des Einrückens massgebend. Zwar richtet sich die Frage, ob eine dienstleistende Person im Sinne von Art. 1 Abs. 1 EOV als erwerbstätig gilt, nach den Verhältnissen, wie sie sich bis zum Einrücken entwickelt haben. Mit Blick auf Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV ist rechtlich jedoch auch dieBGE 136 V 231 (234) BGE 136 V 231 (235)Glaubhaftmachung bedeutsam, dass zwar nicht im Zeitpunkt des Einrückens, wohl aber während der Dienstzeit eine Erwerbstätigkeit anstelle des Militärdienstes aufgenommen worden wäre. Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV lässt es genügen, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit für eine längere Dauer glaubhaft zu machen. Nicht verlangt wird der Nachweis, die Aufnahme einer Tätigkeit bereits ab dem Zeitpunkt des Einrückens geplant zu haben. Zu beachten ist allerdings der Grundsatz, dass sich die versicherungsmässigen Voraussetzungen und namentlich auch die Höhe der Versicherungsleistungen nach den Verhältnissen bestimmen, die vor Eintritt des Versicherungsfalles eingetreten sind (vgl. Art. 1 Abs. 1 EOV; vgl. etwa Urteil B 137/06 vom 14. Dezember 2007 E. 4, Zusammenfassung in: SZS 2008 S. 362).
5.1 Der in Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV verwendete Begriff der "Erwerbstätigkeit von längerer Dauer" ist unbestimmt, weshalb derBGE 136 V 231 (235) BGE 136 V 231 (236)Norminhalt unter Berücksichtigung der allgemeinen Auslegungsregeln zu ermitteln ist. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm und ihren Zweck sowie auf die Bedeutung, die der Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf das grammatische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergab (BGE 136 III 23 E. 6.6.2.1 S. 37; BGE 135 V 153 E. 4.1 S. 157; BGE 124 II 372 E. 5 S. 376 mit Hinweisen).
Verordnungsrecht ist gesetzeskonform auszulegen. Es sind die gesetzgeberischen Anordnungen, Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit seinen Grenzen zu berücksichtigen. Im Rahmen verfassungskonformer oder verfassungsbezogener Auslegung ist sodann der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Der klare Sinn einer Gesetzesnorm darf indessen nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung beiseitegeschoben werden (BGE 131 V 263 E. 5.1 S. 266; BGE 128 V 20 E. 3a S. 24; BGE 126 V 468 E. 5a S. 472; BGE 122 V 85 E. 5a/aa S. 93; BGE 111 V 310 E. 2b S. 314).
 
Erwägung 6
 
6.2 Unter Gleichbehandlungsaspekten spricht nichts dagegen, jedenfalls regelmässige Erwerbstätigkeiten im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. a EOV als von längerer Dauer anzuerkennen, hingegen nicht unbesehen unregelmässige Beschäftigungen gemäss Art. 6 EOV. Denn Art. 6 EOV beschlägt - neben anderen - auch befristete kurze Tätigkeiten, die von vornherein nicht unter Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV fallen, was eine weitergehende Abgrenzung innerhalb der Gruppe der unterjährigen Erwerbstätigkeiten notwendig machte, wollte man dieselben zur Glaubhaftmachung zulassen. Ein sachgerechtes Abgrenzungskriterium liesse sich jedoch mit Blick auf das Erfordernis rechtsgleicher Behandlung nicht leicht finden. Zu beachten sind sodann die grundsätzlichen Schwierigkeiten, gestützt auf ein unterjähriges Arbeitsverhältnis die Aufnahme einer Arbeit von längerer Dauer glaubhaft zu machen, zumal der Beweis nach dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV auf der Grundlage nur eines Arbeitsverhältnisses zu erbringen ist. Darüber hinaus werden unterjährige Beschäftigungsverhältnisse oftmals von Personen gewählt, die nur vorübergehend erwerbstätig sein wollen, zur Hauptsache aber anderem nachgehen. So verhält es sich namentlich bei Studenten, welche lediglich in den Semesterferien arbeiten, derweil die Ausbildung ganz klar im Vordergrund steht. Deswegen gelten sie arbeitslosenversicherungsrechtlich mit Ausnahme von Werkstudenten als nicht vermittelbar, und einen Anspruch auf Arbeitslosengelder haben sie nicht (Art. 15 Abs. 1 AVIG [SR 837.0]; BGE 120 V 385 E. 4c/cc S. 391; BGE 108 V 100;BGE 136 V 231 (237) BGE 136 V 231 (238)Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts C 87/95 vom 12. Juli 1995 E. 3b/aa und 3b/bb; für das Invalidenversicherungsrecht vgl. Urteil I 72/06 vom 24. April 2007 E. 6). Demgegenüber weist eine glaubhaft gemachte Beschäftigung von mindestens einem Jahr oder ohne Befristung das Merkmal der Beständigkeit in einem Mass auf, welches beweisrechtlich unmittelbar den Schluss auf die Absicht der versicherten Person erlaubt, eine Erwerbstätigkeit von längerer Dauer aufgenommen zu haben, wäre sie nicht eingerückt.
6.3 Hingegen sind mindestens einjährige und unbefristete Erwerbstätigkeiten zuzulassen, auch wenn der dabei erzielte Lohn starken Schwankungen unterliegt (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. a EOV). Diesfalls handelt es sich zwar nicht um eine Beschäftigung mit regelmässigem Einkommen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. a EOV. Jedoch nimmt Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV nur Bezug auf die Dauer der Tätigkeit und anderweitige Einschränkungen - wie ein stabiler Lohn - lassen sich der Bestimmung nicht entnehmen. Allerdings dürfen die starken Lohnschwankungen nicht auf Gründe zurückzuführen sein, die im Einflussbereich des Arbeitnehmers liegen, weil sonst beweisrechtlich dessen Wille, eine mindestens einjährige Erwerbstätigkeit aufzunehmen, nicht hinlänglich klar zu Tage träte (vgl. E. 6.2 hievor) und sich mitunter die Frage stellte, ob arbeitsrechtlich tatsächlich ein unbefristeter Arbeitsvertrag vorläge. Darüber hinaus wäre eine einjährige Tätigkeit, die nach dem Willen des Werktätigen beispielsweise nur während einiger Monate in unregelmässigen Abständen ausgeübt würde, im hier zu beurteilenden Zusammenhang faktisch der unterjährigen Beschäftigung gleichzustellen. Nur mit der genannten Einschränkung lässt sich eine rechtsgleiche Behandlung zu denjenigen Versicherten herstellen, die bloss eine unterjährige Beschäftigung glaubhaft machen können und damit die Erfordernisse von Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV nicht erfüllen. Die Anforderungen an den Lohnnachweis bei stark schwankendem Einkommen richten sich jedoch nach der Notwendigkeit, ein Durchschnittseinkommen zu ermitteln (Art. 6 EOV), wobei der Versicherte die Beweislast trägt. Insgesamt ist die Glaubhaftmachung gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. b EOV, ohne Einrücken eine Erwerbstätigkeit von längerer Dauer aufgenommen zu haben, auf unbefristete oder mindestens einjährige Erwerbstätigkeiten zu beschränken. Starke Lohnschwankungen dürfen nicht auf Umstände zurückzuführen sein, die im Einflussbereich der versicherten Person liegen.BGE 136 V 231 (238)