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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuersta ...
3. Das kantonale Gericht hat zutreffend festgestellt, dass der An ...
Erwägung 4
Erwägung 5
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2. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. S. gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
9C_276/2012 vom 14. Dezember 2012
 
 
Regeste
 
Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG; Auslösung der Verwirkungsfrist.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 139 V 6 (6)A. Nachdem seine erste Ehefrau am 29. April 2000 verstorben war, sprach die Ausgleichskasse des Kantons Bern (nachfolgend: Ausgleichskasse) dem 1964 geborenen S. ab Mai 2000 eine ordentliche Witwerrente der Alters- und Hinterlassenenversicherung zu (Verfügung vom 14. Juni 2000). Im Zusammenhang mit einer Abgleichung der Zivilstandsdaten aus dem zentralen Rentenregister der AHV/IV mit denjenigen des Informatisierten Standesregisters erfuhr die Ausgleichskasse im September 2011, dass sich der Versicherte bereits am 2. April 2004 wieder verheiratet hatte. Darauf verfügte die Kasse am 27. September 2011 (sinngemäss) die rückwirkendeBGE 139 V 6 (6) BGE 139 V 6 (7)Aufhebung der Witwerrente ab Mai 2004 und forderte gleichzeitig sämtliche unrechtmässig bezogenen Rentenbetreffnisse im Gesamtbetrag von Fr. 103'434.- von S. zurück. Auf dessen Einsprache hin reduzierte die Ausgleichskasse den Rückerstattungsbetrag auf Fr. 70'890.-, was den ab Oktober 2006 zu Unrecht ausgerichteten Witwerrenten entspricht (Einspracheentscheid vom 22. November 2011).
B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 6. März 2012 ab, soweit es darauf eintrat.
C. S. führt Beschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag, eine Rückerstattungspflicht sei gänzlich zu verneinen. Überdies lässt er um unentgeltliche Rechtspflege (unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung) im letztinstanzlichen Verfahren ersuchen.
Während die Ausgleichskasse auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichten kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf eine Vernehmlassung.
 
 
Erwägung 4
 
BGE 139 V 6 (9)Im Kanton Bern errichten die Einwohnergemeinden Zweigstellen der kantonalen Ausgleichskasse; mehrere Einwohnergemeinden können eine Zweigstelle gemeinsam führen (Art. 7 Abs. 1 und 2 des kantonalen Einführungsgesetzes vom 23. Juni 1993 zum AHVG [EG AHVG; BSG 841.11]). Nach Abs. 5 der letztgenannten Gesetzesbestimmung werden die Aufgaben und Befugnisse der Zweigstellen durch Verordnung des Regierungsrates geregelt. Gestützt darauf hat der Regierungsrat des Kantons Bern als weitere Aufgaben im Sinne von Art. 116 Abs. 1 in fine AHVV die Entgegennahme von Anmeldungen und Leistungsgesuchen, die Weiterleitung der überprüften Unterlagen sowie die laufende Meldung aller erheblichen Veränderungen den Gemeindezweigstellen übertragen (Art. 9 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 der Verordnung vom 4. November 1998 über die kantonale Ausgleichskasse und ihre Zweigstellen [AKBV; BSG 841.111]). Überdies wirken die Zweigstellen nach Art. 10 Abs. 2 AKBV u.a. mit bei der Überprüfung von Leistungsansprüchen (lit. d) und von Arbeitgebern, die nicht der Arbeitgeberkontrolle unterstehen (lit. e).
 
Erwägung 5
 
Soweit sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt stellt, das Wissen von Zivilstandsbehörde und IV-Stelle um die neuerliche Heirat sei auch den AHV-Organen zuzurechnen, kann ihm nicht gefolgt werden. Nach Art. 63 Abs. 1 lit. b und c AHVG obliegt die Festsetzung und die Auszahlung der AHV-Renten (und somit auch die Rückforderung unrechtmässig bezogener Renten) allein den AusgleichskassenBGE 139 V 6 (9) BGE 139 V 6 (10)(vgl. auch die in vorstehender E. 4.2 dargelegte Zuständigkeitsregelung). Offenkundig können weder Zivilstandsbehörde noch IV-Stelle als mit der Durchführung der Alters- und Hinterlassenenversicherung betraute Behörden im Sinne der angeführten Rechtsprechung gelten (E. 4.1 hievor in fine). Die Kenntnis einer in diesem Lichte unzuständigen Verwaltungsstelle vermag die einjährige Verwirkungsfrist des Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG nicht auszulösen. An dieser Betrachtungsweise ändert nichts, dass die Ausgleichskasse bei einer früheren Abgleichung des zentralen Rentenregisters mit den Daten der Zivilstandsbehörden auch entsprechend früher auf die Wiederverheiratung des Beschwerdeführers gestossen wäre. Anzumerken bleibt, dass dem Zivilstandsregister gegenüber Sozialversicherungsträgern rechtsprechungsgemäss keine (mit dem Handelsregister vergleichbare) Publizitätswirkung beizumessen ist (SVR 2002 IV Nr. 2 S. 5, I 678/00 E. 3b).
Der Frage, ob der Beschwerdeführer die (weiter nicht ausgefüllten) Formulare für die Lohnabrechnungen der Jahre 2004 und 2005 sowie allenfalls 2007 ff. tatsächlich mit einem Verweis auf seine neuerliche Eheschliessung an die zuständige AHV-Zweigstelle X. (vgl. E. 4.2 hievor) zurückgesandt hat, ist entscheidwesentliche Bedeutung beizumessen: Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG verlangt bloss, dass die Versicherungseinrichtung (hier die Ausgleichskasse) vom Rückforderungsanspruch Kenntnis erhält; auf welchem Wege dies geschieht, spielt grundsätzlich keine Rolle. So hat sich eine Ausgleichskasse das Wissen um einen zur Rentenrückforderung Anlass gebenden Sachverhalt rechtsprechungsgemäss auch dann anrechnen zu lassen, wenn ihrBGE 139 V 6 (10) BGE 139 V 6 (11)dieser im Zusammenhang mit der beitragsrechtlichen Erfassung des Rentenbezügers als Nichterwerbstätiger zur Kenntnis gelangte (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 26/93 vom 25. Oktober 1995 E. 4d). Dies muss auch gelten, wenn die Kenntnisnahme durch die Kasse im Rahmen der Erfassung des Rentenbezügers als beitragspflichtiger Arbeitgeber erfolgt. Falls die Ausgleichskasse des Kantons Bern oder deren Gemeindezweigstelle X. tatsächlich auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Art und Weise wiederholt von der neuerlichen Heirat vom 2. April 2004 erfahren hat, wäre der Rückforderungsanspruch zufolge Ablaufs der einjährigen Verwirkungsfrist längst erloschen gewesen, als die Kasse am 27. September 2011 die Rückerstattung der unrechtmässig bezogenen Witwerrenten verfügte. Etwas anderes gilt nur für die innerhalb eines Jahres vor Erlass der Rückerstattungsverfügung ausgerichteten Rentenbetreffnisse: Der diesbezügliche Rückforderungsanspruch konnte solange nicht verwirken, als die monatlichen Renten noch gar nicht ausbezahlt waren (BGE 122 V 270 E. 5b/bb S. 276; SVR 2012 IV Nr. 33 S. 131, 9C_363/2010 E. 3.1 und 3.2).