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Regeste
Aus den Erwägungen:
Erwägung 4
Erwägung 5
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
27. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Familienausgleichskasse Arbeitgeber Basel gegen T. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
8C_90/2013 vom 10. April 2013
 
 
Regeste
 
Art. 3 Abs. 1 lit. b FamZG; Anspruch auf Ausbildungszulagen.
 
 
BGE 139 V 209 (209)Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 4
 
4.1 Die Vorinstanz hielt fest, dass eine ordentliche Lehre als Kleinkinderzieherin weder ein gesetzliches noch ein reglementarisches Praktikum voraussetze, dass jedoch praktisch alle Institutionen, welche die Ausbildung Fachperson Betreuung/Fachrichtung Kinderbetreuung anbieten, ein Praktikum verlangten. Dies sei auch inBGE 139 V 209 (209) BGE 139 V 209 (210)Anbetracht des hohen Anforderungsprofils bei der angestrebten Tätigkeit sinnvoll. So werden bei den persönlichen Voraussetzungen Freude am Umgang mit Menschen, psychische Stabilität und hohe Belastbarkeit, gute körperliche Verfassung, hohes Verantwortungsbewusstsein, ausgeprägtes Einfühlungsvermögen und Hilfsbereitschaft, Geduld und Respekt, gute Umgangsformen bzw. Team-, Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit, Offenheit und Organisationsfähigkeit, Fähigkeit sich abzugrenzen, Sinn für Sauberkeit und Ordnung, gute Beobachtungsgabe und rasches Reaktionsvermögen, Flexibilität im Sinne von Bereitschaft zu unregelmässiger Arbeitszeit und Fähigkeit, in wechselnden Situationen zu reagieren, verlangt. Daraus folgerte die Vorinstanz, dass das Praktikum nicht in erster Linie dazu diene, sich eigene Branchenkenntnisse und Fertigkeiten anzueignen, sondern dass die Institutionen dadurch die Möglichkeiten erhielten, Lehrstelleninteressentinnen und -interessenten zu finden, welche in persönlicher Hinsicht tatsächlich für die Ausbildung geeignet seien. Demnach - so die Vorinstanz - sei das von der Tochter der Beschwerdegegnerin absolvierte Praktikum als Teil des Ausbildungsganges im Sinne von Art. 25 Abs. 5 AHVG in Verbindung mit Art. 49bis Abs. 1 AHVV (SR 831.101) zu verstehen.
 
Erwägung 5
 
5.1 In BGE 139 V 122 wurde die Frage, ob die Anerkennung bloss faktisch notwendiger Praktika als Ausbildung durch die RWL gegen Art. 49bis Abs. 1 AHVV verstösst, verneint. Denn in dieser Verordnungsbestimmung werden nicht bloss rechtlich, sondern auch faktisch anerkannte Bildungsgänge als Ausbildung qualifiziert. Akzeptiert man notwendige Praktika als zur Ausbildung gehörend, so wirkt es alsBGE 139 V 209 (210) BGE 139 V 209 (211)zweitrangig, ob diese gesetzlich oder reglementarisch vorgeschrieben oder bloss faktisch geboten sind; demnach ist auch ein bloss faktisch notwendiges Praktikum als Ausbildung im Sinne von Art. 49bis Abs. 1 AHVV zu qualifizieren (BGE 139 V 122 E. 4.3 und 4.4 S. 125).
5.2 Gemäss Rz. 3361.1 RWL wird ein faktisch notwendiges Praktikum bloss dann als Ausbildung anerkannt, wenn vom Betrieb schriftlich zugesichert wird, dass das Kind bei Eignung nach Abschluss des Praktikums eine Lehrstelle im betreffenden Betrieb erhält. Eine entsprechende Verknüpfung lässt sich indessen aus dem Wortlaut von Art. 49bis Abs. 1 AHVV nicht ableiten, wird doch darin festgehalten: "In Ausbildung ist ein Kind, wenn es sich auf der Grundlage eines ordnungsgemässen, rechtlich oder zumindest faktisch anerkannten Bildungsganges systematisch und zeitlich überwiegend entweder auf einen Berufsabschluss vorbereitet oder sich eine Allgemeinausbildung erwirbt, die Grundlage bildet für den Erwerb verschiedener Berufe." In der Praxis würde die Umsetzung von Rz. 3361.1 RWL durch die Verknüpfung von Praktikum und Lehrstelle erheblich erschwert oder gar verunmöglicht, weil Ausbildungsbetriebe nur über eine begrenzte Anzahl von Lehrstellen verfügen, und deshalb Praktikum und Lehre häufig nicht am selben Ort absolviert werden können. Auch bezüglich des Zeitpunktes, eine entsprechende Bestätigung eines Lehrbetriebes zu erhalten, können weitere Schwierigkeiten in der Erfüllung von Rz. 3361.1 RWL entstehen, da bei einem einjährigen Praktikum eine Lehrstellenzusage eher an dessen Ende zu erwarten ist. Eine Verknüpfung zwischen Praktikum und Lehrstelle im gleichen Betrieb als Voraussetzung für die Qualifikation einer Ausbildung scheint deshalb weder praktikabel, noch erfüllt sie das Ziel der Ausbildungszulagen, welche in erster Linie der beruflichen Ausbildung von Jugendlichen dienen soll, weshalb der Begriff der Ausbildung in diesem Zusammenhang weit verstanden werden muss (KIESER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Familienzulagen, Praxiskommentar, 2010, N. 38 zu Art. 3 FamZG).