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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
4. Nach Art. 10 AHVG bezahlen Nichterwerbstätige einen Beitr ...
Erwägung 5
Erwägung 6
Erwägung 6.3
Bearbeitung, zuletzt am 12.07.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
27. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Ausgleichskasse Zug (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
9C_121/2017 vom 6. Juni 2017
 
 
Regeste
 
Art. 10 Abs. 1 und 3 AHVG; Art. 28 Abs. 1 AHVV; Art. 8 und Art. 26 Abs. 1 BV; Beiträge Nichterwerbstätiger.
 
Frage offengelassen, ob Nichterwerbstätige, welche der Beitragsbemessung auf der Grundlage des Vermögens durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit entgehen könnten, die Eigentumsgarantie anrufen können (E. 6.4.2).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 143 V 254 (255)A. A. hat als Nichterwerbstätiger Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen. Mit Verfügung vom 1. Februar 2016 erhob die Ausgleichskasse des Kantons Zug für 2016 auf der Grundlage eines massgebenden Vermögens von 5 Mio. Fr. provisorische Beiträge (einschliesslich Verwaltungskosten) in der Höhe von Fr. 13'680.95. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 6. Juni 2016 fest.
B. Die Beschwerde des A. wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, nach zweifachem Schriftenwechsel mit Entscheid vom 22. Dezember 2016 ab, soweit darauf einzutreten war.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A., der Entscheid vom 22. Dezember 2016 und die Verfügung vom 1. Februar 2016 seien aufzuheben. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)
 
4. Nach Art. 10 AHVG bezahlen Nichterwerbstätige einen Beitrag nach ihren sozialen Verhältnissen. Der Mindestbeitrag beträgt (seit 1. Januar 2015) 392 Franken, der Höchstbetrag entspricht demBGE 143 V 254 (255) BGE 143 V 254 (256)50-fachen Mindestbeitrag pro Jahr (Abs. 1 Satz 1 und 2; in der seit 1. Januar 2012 geltenden Fassung). Der Bundesrat kann den Grenzbetrag nach den sozialen Verhältnissen des Versicherten erhöhen, wenn dieser nicht dauernd voll erwerbstätig ist (Abs. 1 Satz 4, in Kraft seit 1. Januar 1979). Er erlässt nähere Vorschriften über den Kreis der Personen, die als Nichterwerbstätige gelten, und über die Bemessung der Beiträge (Abs. 3 Satz 1). Die Beiträge der Nichterwerbstätigen, für die nicht der jährliche Mindestbeitrag vorgesehen ist, bemessen sich aufgrund ihres Vermögens und des mit 20 multiplizierten Renteneinkommens nach einer Tabelle mit abgestuften Zuschlägen (Art. 28 Abs. 1 AHVV [SR 831.101]).
 
Erwägung 5
 
5.2 Der Beschwerdeführer rügt zur Hauptsache, das kantonale Verwaltungsgericht habe die zentrale Bedeutung der Überlegungen des Bundesrates zu dem von ihm 1947 gewählten mathematischen Modell, aus welchem die Zahlen in der Beitragstabelle hergeleitet würden, verkannt. Dementsprechend habe es zu Unrecht die späteren Änderungen, namentlich das Hinzufügen der starren 50'000 Franken-Stufen, bei welchen es sich um ein systemfremdes Element im horizontal und vertikal strukturierten Modell des Verordnungsgebers handle, als rechtmässig erachtet. Das mit der ersten Fassung vonBGE 143 V 254 (256) BGE 143 V 254 (257)Art. 28 AHVV noch beachtete "Recht auf Rechtsgleichheit gegenüber Erwerbstätigen ohne Beitragspflicht auf Vermögen" sei so "im Rücken der Öffentlichkeit aus der Beitragstabelle entfernt" worden. Das derzeit verwendete dahinter stehende Berechnungsmodell verletze die verfassungsmässigen Grundrechte, wenn es aufgrund finanzmathematisch falscher Annahmen Nichterwerbstätige gegenüber den nach den Regeln in Art. 4 ff. AHVG zu Beiträgen herangezogenen Erwerbstätigen um mehrere 100 % diskriminiere. Die von ihm für 2016 (provisorisch) geforderten Beiträge als Nichterwerbstätiger verletzten jedenfalls die Eigentumsgarantie.
 
Erwägung 6
 
 
Erwägung 6.3
 
Bei der angesprochenen Problematik geht es um Erwerbstätige, bei denen die Beiträge auf dem Erwerbseinkommen erhoben werden, und solchen, die gleichwohl nach Gesetz als Nichterwerbstätige gelten. Dazu hat das Bundesgericht im Urteil H 29/06 vom 6. Februar 2007 E. 5.2, in: SVR 2007 AHV Nr. 16 S. 45, erwogen, die Festlegung des Grenzbetrages nach den sozialen Verhältnissen der versicherten Person gemäss Art. 10 Abs. 1 Satz 4 (bis 31. Dezember 2011: Satz 3) AHVG führe zwar dazu, dass bei einer nicht dauernd vollen Erwerbstätigkeit die Höhe des Erwerbseinkommens darüber entscheide, ob die Beiträge nach dem Vermögen und dem Renteneinkommen zu bemessen seien, d.h. die betreffende Person als nichterwerbstätig gelte. Darin liege ein zufälliges Element, und es bestehe die Möglichkeit der Beitragsumgehung. Diese Folgen ergäben sich indessen unmittelbar aus dem Gesetz. An dieses seien die kantonalen Versicherungsgerichte und auch das Bundesgericht im Rahmen konventions- und verfassungskonformer Auslegung gebunden (Art. 190 BV; BGE 131 II 562 E. 3.2 S. 566). Daran ist festzuhalten.
6.4 Schliesslich rügt der Beschwerdeführer, die Beitragsbemessung bei Vermögen zwischen 4 Mio. Fr. und 8,4 Mio. Fr. verletze die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV), was er wie folgt begründet: Bei Anlage seines gesamten Vermögens von 5 Mio. Fr. am Kapitalmarkt würde er bei einer Rendite von 0,22 % (Referenzwert für inländische Verpflichtungen aus Kundengeldanlagen in SchweizerBGE 143 V 254 (259) BGE 143 V 254 (260)Franken 2015 des Bundesamtes für Statistik) ein jährliches Einkommen von Fr. 11'000.- erzielen. Die Beiträge als Nichterwerbstätiger von Fr. 13'680.95 seien höher. Dazu kämen die weiteren Steuern, welche 2016 mit rund Fr. 14'000.- zu Buche schlügen, und Abgaben sowie die im Kanton Zug überdurchschnittlichen Lebenshaltungskosten. Er könne somit die von der öffentlichen Hand geforderten Abgaben und Steuern nur bezahlen, wenn er hierzu die Mittel seines Vermögens heranziehe. Damit würde nicht nur sein Vermögen stetig vermindert, sondern, weil er aus den Früchten daraus lebe, auch seine Einkommensbasis geschmälert. Die Nichterwerbstätigenbeiträge seien somit konfiskatorischer Natur.
6.4.1 Die Eigentumsgarantie nach Art. 26 Abs. 1 BV bezweckt in ihrer Funktion als Institutsgarantie den Schutz der Eigentumsordnung in ihren Grundzügen; sie bietet auch Schutz gegen eine konfiskatorische Besteuerung (BGE 105 Ia 134 E. 3a S. 140). Der absolut geschützte Kernbereich der Garantie umfasst die Wahrung des Vermögens in seiner Substanz und die Erhaltung der Möglichkeit der Neubildung von Vermögen (BGE 128 II 112 E. 10b/bb S. 126). Ob eine Steuer die Grenze des Zulässigen überschreitet, beurteilt sich nach der Gesamtheit aller konkreten Umstände wie Steuersatz, Bemessungsgrundlage, Dauer des fiskalischen Eingriffs und dessen Kumulation mit anderen Abgaben (Urteil 1P.586/2004 vom 28. Juni 2005 E. 4.3.1 mit Hinweisen, in: RDAF 2007 I S. 573). Die Besteuerung des Vermögens im Besonderen ist erst dann konfiskatorisch, wenn die Erträgnisse auf Dauer nicht ausreichen, um die Steuerlast zu decken, wobei ausserordentliche Umstände ausser Acht zu bleiben haben (BGE 143 I 73 E. 5.1 S. 75).
6.5 Nach dem Gesagten hält der angefochtene Entscheid vor Bundesrecht Stand. Die Beschwerde, in welcher allzu stark von derBGE 143 V 254 (260) BGE 143 V 254 (261)Beitragsskala nach Art. 28 Abs. 1 der Vollzugsverordnung vom 31. Oktober 1947 zum AHVG bzw. dem dazugehörigen mathematischen Berechnungsmodell aus argumentiert wird, ist unbegründet. (...)BGE 143 V 254 (261)