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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 2
3. Die Vorinstanz verneinte in Ermangelung eines rentenbegrü ...
Erwägung 4
Erwägung 4.1
Erwägung 5
Erwägung 6
Erwägung 6.3
7. In concreto bedeutet dies, dass das (hypothetische) Validenein ...
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9. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Sammelstiftung BVG der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
9C_133/2017 vom 7. März 2018
 
 
Regeste
 
Art. 23 lit. a BVG; Art. 28 Abs. 1 lit. b und Art. 28a Abs. 3 IVG; Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge bei Teilerwerbstätigkeit.
 
Für den Fall, dass die Invalidenversicherung den Invaliditätsgrad bezogen auf ein Vollzeitpensum ermittelt hat, bietet sich als klarster und einfachster Berechnungsvorgang an, dass die Vorsorgeeinrichtung das von der Invalidenversicherung festgesetzte Valideneinkommen, an das sie grundsätzlich gebunden ist, auf das ausgeübte Teilzeitpensum herunterrechnet und gestützt darauf (sowie auf die übrigen grundsätzlich bindenden Parameter) einen neuerlichen Einkommensvergleich durchführt (E. 6.3.2).
 
 
Sachverhalt
 
BGE 144 V 63 (64)A. Der 1970 geborene A. arbeitete vom 8. September 2005 bis zur Kündigung per 30. April 2011 als Verkäufer in einem Tankstellenshop. In dieser Eigenschaft war er bei der Sammelstiftung BVG der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Alianz) berufsvorsorgeversichert. Im August 2011 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Basel-Stadt sprach ihm mit Verfügung vom 19. Juni 2013 eine Viertelsrente ab dem 1. April 2012 zu (Invaliditätsgrad 47 %). Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 16. Dezember 2013 gut, hob die angefochtene Verfügung auf und sprach A. eine halbe Rente zu (Invaliditätsgrad 55 %).
Die Allianz teilte A. mit zwei Schreiben vom 4. November 2014 und vom 19. Januar 2015 mit, er könne seine Teilzeittätigkeit trotz gesundheitlicher Beeinträchtigungen im bisherigen UmfangBGE 144 V 63 (64) BGE 144 V 63 (65)weiterführen. Es bestehe deshalb kein Anspruch auf Leistungen der beruflichen Vorsorge.
B. Die am 14. April 2016 eingereichte Klage gegen die Allianz wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 24. Oktober 2016 ab.
C. A. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, es seien ihm unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids rückwirkend ab dem 1. April 2012 die gesetzlichen und reglementarischen Invalidenleistungen im Rahmen einer Viertelsrente von jährlich Fr. 3'000.- zuzüglich Zins zu 5 % ab Fälligkeit jeder Teilforderung zuzusprechen.
Während die Allianz und das kantonale Gericht je auf Abweisung der Beschwerde schliessen, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf eine Stellungnahme.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
 
 
Erwägung 2
 
 
BGE 144 V 63 (66)Erwägung 4
 
 
Erwägung 4.1
 
4.1.2 Aus dem Entscheid vom 16. Dezember 2013 ergeben sich folgende Eckwerte: Keine Arbeitsunfähigkeit vor April 2011 und Invaliditätsgrad in der Höhe von 55 %; unter Annahme eines vollen Valideneinkommens - für einen Versicherten ohne Ausbildung gemäss Art. 26 Abs. 1 IVV (SR 831.201) - in der Höhe von Fr. 77'108.55 und eines Invalideneinkommens in der Höhe von Fr. 34'739.-. Dass im Entscheid vom 16. Dezember 2013 auch die Einschätzung des behandelnden Psychiaters Erwähnung fand, wonach eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % bereits ab Oktober 2009 bestanden habe, ändert nichts. Das kantonale Gericht nahm auf die erwähnte Einschätzung allein in Zusammenhang mit der Ermittlung des (im vorliegenden Verfahren ohnehin unstreitigen) Invalideneinkommens Bezug, stützte sich in der Hauptsache aber auf die psychiatrische Expertise des Dr. med. B. vom 14. Januar 2013, wonach ab April 2011 in der angestammten Tätigkeit noch eine um 20-50 % reduzierte Leistung erwartet werden könne. Es wurde denn auch von keiner Seite - vor allem vom Versicherten nicht - ein früherer Rentenanspruch geltend gemacht, obwohl dies aufgrund des Anmeldezeitpunkts möglich gewesen wäre (vgl. Sachverhalt lit. A.). Damit steht gleichzeitig fest, dass hier kein Anwendungsfall von Art. 23 lit. c BVG (Frühinvalidität), sondern der "normale" Tatbestand von lit. a vorliegt (vgl. dazu auch BASILE CARDINAUX, Psychische Erkrankungen in der beruflichen Vorsorge, in: Psyche und Sozialversicherung, Luzerner Beiträge zur Rechtswissenschaft [LBR], 2014, S. 70).BGE 144 V 63 (66)
BGE 144 V 63 (67)4.2 Der Beschwerdeführer hatte in seiner Klage vom 14. April 2016 vorgebracht, sein Beschäftigungsgrad habe vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit 80 % betragen. Daran hielt er in seiner Beschwerde ans Bundesgericht fest. Auch die Beschwerdegegnerin ging und geht - im Grundsatz - nach wie vor von einer Teilzeittätigkeit vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit aus, stellt jedoch den Umfang in Frage. Die Vorinstanz hat dazu, anders als die Beschwerdegegnerin glauben zu machen versucht, keine Feststellungen getroffen. Der Vorsorgeeinrichtung ist insoweit zuzustimmen, dass den Angaben (Beschäftigungsgrad 80 %) auf dem Vorsorgeausweis per 1. Januar 2011 reiner Informationscharakter zukommt (Urteil 9C_871/2011 vom 7. Mai 2012 E. 4.2) und nicht als direkter Beweis - aber immerhin als Indiz - zu dienen vermögen. Auf jeden Fall gaben beide ehemaligen Arbeitgeber (vgl. Sachverhalt lit. A) als betriebsübliche Arbeitszeit 41 Stunden pro Woche an, wobei aus den Lohnabrechnungen für das Jahr 2011 (Januar bis April) erhellt, dass der Beschwerdeführer im Durchschnitt 138,9 Stunden pro Monat resp. durchschnittlich 34,7 Stunden pro Woche (138,9 : 4) arbeitete, was das behauptete Pensum untermauert (41 x 0,8 = 32,8 Stunden); insbesondere auch wenn von einer 42-Stunden-Woche ausgegangen wird, wofür die Beschwerdegegnerin plädiert (42 x 0,8 = 33,6 Stunden). Dass der Beschwerdeführer in den einzelnen Monaten in zeitlicher Hinsicht sehr unterschiedlich tätig war (im Januar 118 Stunden, im Februar 131 Stunden, im März 137,75 Stunden, im April 169 Stunden) ist im Rahmen der konkreten Beschäftigung an einer Tankstelle mit Shop, die rund ums Jahr von morgens früh bis abends spät geöffnet ist, nicht aussergewöhnlich. So oder anders: Aus prozessrechtlichen Gründen verbietet sich an dieser Stelle eine abschliessende Beurteilung. Bei den Lohnblättern betreffend die Monate Januar bis April 2011 handelt es sich um unzulässige Noven, da sie ohne weitere Begründung erst vor Bundesgericht aufgelegt wurden. Sie haben daher im vorliegenden Verfahren unbeachtlich zu bleiben (vgl. nicht publ. E. 1.2).
 
Erwägung 5
 
5.1 Ein Anspruch auf Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge ist nur gegeben, sofern eine entsprechende Versicherungsdeckung vorhanden ist. Deren Umfang bemisst sich nach dem Beschäftigungsgrad bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, unter Berücksichtigung einer allfälligen vorbestandenen gesundheitlich bedingten Arbeitsunfähigkeit (BGE 141 V 127 E. 5.3.2 S. 134 f.). Die Höhe der konkreten Salarierung spieltBGE 144 V 63 (67) BGE 144 V 63 (68)diesbezüglich keine Rolle (MARKUS MOSER, Teilzeitarbeitsbedingte Anwendungsprobleme im Leistungsbereich der beruflichen Vorsorge, AJP 2001 S. 1182). Versah die versicherte Person ein Teilzeitpensum, besteht kein Anspruch auf Leistungen, wenn und jedenfalls solange sie trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung im bisherigen Umfang weiterarbeiten kann oder könnte; das Risiko Invalidität hat sich lediglich in dem berufsvorsorgerechtlich nicht versicherten Anteil einer Vollzeitbeschäftigung (100 % - Beschäftigungsgrad) verwirklicht (BGE 141 V 127 E. 5.3.2 S. 135 mit weiteren Hinweisen). Demgemäss lässt sich nicht in jedem Fall folgern, eine Leistung sei bei Eintritt eines Versicherungsfalles nicht geschuldet, wenn der Lohn unverändert weiter fliesst (vgl. BGE 129 V 132 E. 4.3.1 S. 141 f.).
 
Erwägung 6
 
Anzufügen ist, dass das neue Modell der gemischten Methode (vgl. Art. 27 bis Abs. 2 bis 4 IVV, in Kraft seit 1. Januar 2018) wohl insoweit eine Änderung mit sich bringt, als das Teilzeit-Valideneinkommen nunmehr auf eine (hypothetische) VollerwerbstätigkeitBGE 144 V 63 (69) BGE 144 V 63 (70)hochgerechnet wird (Abs. 3 lit. a). Es ändert indessen nichts daran, dass die berufliche Vorsorge abweichend von Invaliden- und Unfallversicherung konzeptioniert ist. Abgesehen davon, dass die berufliche Vorsorge nur den erwerblichen Bereich umfasst, ist sie - gerade hinsichtlich nachträglicher Pensen- und (regelmässig) damit einhergehenden Lohnänderungen - weit individualistischer ausgestaltet (vgl. Art. 11 BVV 2 sowie Art. 79b BVG und Art. 20 FZG). Sich nicht deckende Invaliditätsgrade und entsprechend unterschiedliche Entwicklungen finden sich auch zwischen der Invaliden- und Unfallversicherung. Im Übrigen sind rechnerische Anpassungen vom Aufwand her vertretbar.
 
Erwägung 6.3
 
6.3.1 Hat die Invalidenversicherung den Invaliditätsgrad bezogen auf ein Vollzeitpensum ermittelt, bieten sich mehrere Möglichkeiten der "Umrechnung" an, womit der erste Kritikpunkt in den Vordergrund rückt. Dazu ist festzuhalten, dass nicht die Wahl des Faktors (Berücksichtigung des [erwerblichen] Invaliditätsgrades gemäss IV oder der Arbeitsunfähigkeit) entscheidend ist. Massgebend ist, dass die in den vorsorgerechtlich versicherten Anteil fallende Grösse dem zeitlichen Moment des ausgeübten Pensums Rechnung trägt: Erzielt eine zu 80 % erwerbstätige Person mit diesem Teilzeitpensum ein jährliches Einkommen von Fr. 80'000.- und ist sie in der bisherigen Tätigkeit noch im Umfange von 40 % arbeitsfähig (verdient also noch Fr. 40'000.-), resultiert nach dem (bis Ende 2017 gültigen) Modell der gemischten Methode ein erwerblicher Invaliditätsgrad von 50 % (die Geldrelation beinhaltet bereits die Zeitrelation). Basiert die IV-Berechnung auf einer (hypothetischen) Vollzeittätigkeit (jährliches Einkommen also Fr. 100'000.-) ergibt sich ein Invaliditätsgrad von 60 %. Davon fallen 20 % in den vorsorglich nicht versicherten und 40 % in den vorsorglich versicherten Anteil (vgl. E. 5.1 vorne). Bezogen auf das effektiv ausgeübte Teilzeitpensum von 80 % (die Zeitrelation ist in der Geldrelation nicht einkalkuliert) ergibt dies einen Invaliditätsgrad von 50 % (40 : 80 x 100). Zu keinem anderen Ergebnis führt das Abstellen auf die verbliebene Arbeitsfähigkeit. (Lediglich) 40 % der Arbeitsunfähigkeit fallen in den versicherten Anteil, was in Bezug auf das 80 %-Pensum einen Invaliditätsgrad von 50 % gibt (40 : 80 x 100). Dass mit dem Urteil 9C_403/2015 (vgl. E. 5.3 vorne) eine Berechnungsgrundlage eingeführt wurde, die verschiedene Resultate zur Folge hat, kann daher nicht gesagt werden. Ebenso wenig kann davon gesprochenBGE 144 V 63 (70) BGE 144 V 63 (71)werden, dass mit dem Urteil 9C_403/2015 eine Invaliditätsbemessung eingeführt wurde, in der der Teilzeitfaktor doppelt durchschlägt.
Basiert die Invaliditätsberechnung der Invalidenversicherung trotzdem auf einer (hypothetischen) Vollzeitbeschäftigung, ist gleichermassen wie in E. 6.3.2 beschrieben vorzugehen.BGE 144 V 63 (71)
BGE 144 V 63 (72)7. In concreto bedeutet dies, dass das (hypothetische) Valideneinkommen in der Höhe von Fr. 77'108.55, dessen Ermittlung res iudicata darstellt (vgl. E. 4.1.1 vorne), auf das von der Vorinstanz noch festzusetzende Arbeitspensum (vgl. E. 4.2 vorne) herunterzurechnen und der Invaliditätsgrad bezogen darauf, unter Heranziehung des ebenfalls rechtskräftig festgesetzten Invalideneinkommens von Fr. 34'739.-, neu zu bemessen ist. Die Sache ist in diesem Sinne zur neuen Entscheidung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.BGE 144 V 63 (72)