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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Streitig ist die Pflicht des Beschwerdegegners zur Nachzahlung ...
Erwägung 3
Erwägung 4
Erwägung 5
Erwägung 5.2
Bearbeitung, zuletzt am 07.09.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
20. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Kanton Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
9C_31/2021 vom 14. April 2022
 
 
Regeste
 
Art. 2 Abs. 1 und 4 BVG; Art. 1j Abs. 1 lit. c BVV 2.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 148 V 234 (234)A.
A.a Der 1965 geborene A. war vom 1. April 2011 bis 31. Mai 2017 als Sozialarbeiter im Zentrum B. in einem 100 %-Pensum tätig und bei der BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich (nachfolgend: BVK) berufsvorsorgeversichert. Daneben arbeitete er von Februar 2013 bis Mai 2014 und im Jahr 2015 als sozialpädagogischer Familienbegleiter für die Pflege C. des Kantons Zürich. Für diese Tätigkeit wurden ihm vom erzielten Verdienst keine BVG-Beiträge abgezogen. Mit Verfügung vom 17. März 2020 wurde A. ab 1. April 2017 eine ganze Rente der Invalidenversicherung zugesprochen; zudem bezieht er seit 1. Juni 2017 eine Rente der BVK.BGE 148 V 234 (234)
BGE 148 V 234 (235)A.b Mit Schreiben vom 19. September 2019 monierte A. bei der BVK den fehlenden Abzug der BVG-Beiträge vom erzielten Verdienst als sozialpädagogischer Familienbegleiter. Die BVK teilte dem Versicherten mit, dass der Arbeitgeber ihr dieses Einkommen nicht gemeldet habe; dieses sei bei ihr nicht versichert. Mit Verfügung vom 10. Juli 2020 lehnte der Kanton Zürich, vertreten durch die Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich, eine Beitragspflicht für die Tätigkeit als sozialpädagogischer Familienbegleiter ab.
B. Am 16. Juli 2020 erhob A. vor dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Klage gegen den Kanton Zürich mit dem Hauptantrag, es sei der Beklagte zu verpflichten, der BVK zu Gunsten des Klägers für die Lohnbestandteile Fr. 16'320.- (2013), Fr. 9'660.- (2014) und Fr. 7'620.- (2015) die ordentlichen BVK-Beiträge (Sparbeitrag und Risikoprämie, Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) zu entrichten. Das kantonale Gericht wies die Klage mit Urteil vom 30. Oktober 2020 ab.
C. A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit den Rechtsbegehren, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und es sei der Beschwerdegegner zu verpflichten, der BVK zu Gunsten des Beschwerdeführers für die Lohnbestandteile Fr. 16'320.- (2013), Fr. 9'660.- (2014) und Fr. 7'620.- (2015) die ordentlichen Berufsvorsorgebeiträge (Sparbeitrag und Risikoprämie, Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) zu entrichten; eventualiter sei der Beschwerdegegner zu verpflichten, dem Beschwerdeführer den ordentlichen Sparbeitrag des Arbeitgebers für die genannten zusätzlichen Lohnbestandteile als Entschädigung nebst 5 % Zins ab 1. Juli 2014 (mittlerer Verfall) auszurichten; subeventualiter sei die Sache zur Abklärung des Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Der Kanton Zürich, vertreten durch die Oberjugendanwaltschaft, schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
 
2. Streitig ist die Pflicht des Beschwerdegegners zur Nachzahlung von BVG-Beiträgen für die in den Jahren 2013 bis 2015 ausgeübteBGE 148 V 234 (235) BGE 148 V 234 (236)Tätigkeit des Beschwerdeführers als sozialpädagogischer Familienbegleiter bei der Pflege C. des Kantons Zürich.
 
Erwägung 3
 
 
Erwägung 4
 
4.1 Die Vorinstanz stellte fest, als Sozialarbeiter im Zentrum B. habe der Beschwerdeführer seit April 2011 in einem 100 %-Pensum gearbeitet. Zuletzt habe er einen Jahreslohn vonBGE 148 V 234 (236) BGE 148 V 234 (237)Fr. 99'123.- erzielt. Demgegenüber sei er als sozialpädagogischer Familienbegleiter für die Pflege C. bloss in den Jahren 2013, 2014 und 2015 im Rahmen einer einzigen Fallbegleitung tätig gewesen. Im Jahr 2013 habe er dadurch ein Einkommen von Fr. 16'320.-, im Jahr 2014 von Fr. 9'660.- und im Jahr 2015 von Fr. 7'620.- generiert.
Weiter erwog das kantonale Gericht, der Beschwerdeführer schliesse gestützt auf den Umstand, dass er für die beiden von ihm ausgeübten Tätigkeiten beim Kanton Zürich angestellt gewesen sei, das Vorliegen einer Nebentätigkeit aus. Dem sei nicht so. Die Rechtsprechung habe zwar Ausnahmen definiert, in welchen die Bestimmung von Art. 1j BVV 2 nicht zur Anwendung gelange. Massgebendes Kriterium hierfür sei aber nicht, ob ein Arbeitnehmer bei zwei verschiedenen Arbeitgebern tätig sei, sondern ob die Tätigkeiten als gleichwertig zu qualifizieren seien (BGE 136 V 390 E. 3.1; BGE 129 V 132 E. 3). Wenn eine Gleichwertigkeit zu verneinen sei, sei zwischen der Haupt- und der Nebentätigkeit zu unterscheiden. Dies müsse kohärenterweise auch im Fall von Mehrfachbeschäftigungen beim gleichen Arbeitgeber gelten, die - wie vorliegend - in keinem Zusammenhang zueinander stünden. Im Rahmen seiner Rechtsprechung im Steuerrecht (Urteil 2C_786/2008 vom 11. Juni 2009 E. 2.1) habe das Bundesgericht denn auch festgehalten, dass ein Nebenerwerb vorliege, wenn eine hauptberuflich erwerbstätige Person beim gleichen oder bei anderen Arbeitgebern nebenberuflich tätig sei oder wenn eine nicht hauptberuflich tätige Person zeitweilig bei einem oder mehreren Arbeitgebern erwerbstätig sei.
Die Vorinstanz schloss, mit Blick auf die konkreten Umstände sei ohne Weiteres ersichtlich, dass die Tätigkeit als Sozialarbeiter die Haupttätigkeit darstelle. In deren Rahmen sei der Beschwerdeführer bei der BVK denn auch obligatorisch versichert gewesen. Die Anstellung als sozialpädagogischer Familienbegleiter habe bloss zu einem Nebenerwerb geführt. Hierfür bestehe keine Versicherungspflicht.
4.2 Nach unbestrittener und für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlicher Feststellung der Vorinstanz betrug der Jahreslohn des Beschwerdeführers als Sozialarbeiter im Zentrum B. Fr. 99'123.-, womit sein Erwerbseinkommen den Mindestlohn von Art. 7 Abs. 1 BVG überstieg (vgl. vorangehende E. 3.1). Weiter stellte das kantonale Gericht verbindlich fest, dass der Beschwerdeführer als sozialpädagogischer Familienbegleiter in den Jahren 2013, 2014 und 2015 Fr. 16'320.-, Fr. 9'660.- und Fr. 7'620.- verdiente. DamitBGE 148 V 234 (237) BGE 148 V 234 (238)wurde die Eintrittsschwelle für die obligatorische Versicherung gemäss Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 BVG nicht erreicht. Würde es sich bei der Tätigkeit als sozialpädagogischer Familienbegleiter um einen Nebenerwerb im Dienste eines anderen Arbeitgebers als jenem seines Haupterwerbes handeln, so wäre der Beschwerdeführer für das bei dieser Nebenerwerbstätigkeit erzielte Einkommen bereits aufgrund des Nichterreichens der Eintrittsschwelle gemäss Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 BVG nicht berufsvorsorgeversichert. Das kantonale Gericht ging indessen in seinen weiteren Erwägungen von einer Mehrfachbeschäftigung beim gleichen Arbeitgeber - dem Kanton Zürich - aus, was letztinstanzlich unbestritten geblieben ist. Es stellt sich daher die Frage, ob der vom Kanton Zürich bei der BVK zu versichernde Lohn einzig aufgrund des beim Zentrum B. erzielten Verdienstes zu bemessen ist, oder ob zu diesem Lohn auch die Entschädigung für die Tätigkeit als sozialpädagogischer Familienbegleiter bei der Pflege C. des Kantons Zürich hinzuzurechnen ist.
 
Erwägung 5
 
 
Erwägung 5.2
 
5.2.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 BVG unterstehen der obligatorischen Versicherung Arbeitnehmer, die das 17. Altersjahr überschritten haben und bei einem Arbeitgeber einen über dem Grenzbetrag von Art. 7 Abs. 1 BVG liegenden Jahreslohn beziehen. Diese Bestimmung äussert sich nicht explizit dazu, wie es sich bei Mehrfachbeschäftigungen beim gleichen Arbeitgeber verhält. DieBGE 148 V 234 (238) BGE 148 V 234 (239)Formulierung, wonach der Mindestlohn "bei einem Arbeitgeber" ("d'un même employeur", "un datore di lavoro") zu erzielen ist, weist indes darauf hin, dass zur Beurteilung der Frage, welcher Verdienst in Art. 2 Abs. 1 BVG anzurechnen ist, einzig massgebend ist, ob dieser beim selben Arbeitgeber erzielt wurde, wohingegen es keine Rolle spielt, aus welchem Arbeitsverhältnis der Verdienst stammt. Nichts anderes ergibt sich aus der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 19. Dezember 1975 zum Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BBl 1976 I 219). Danach ist - neben der altersmässigen Voraussetzung - für die Unterstellung unter die obligatorische Versicherung einzig erforderlich, dass ein Arbeitnehmer "bei ein und demselben Arbeitgeber" einen anrechenbaren Jahreslohn von (damals) mehr als Fr. 12'000.- verdient.
BGE 148 V 234 (240)5.3.1 Gemäss dieser Bestimmung sind Arbeitnehmer, die nebenberuflich tätig sind und bereits für eine hauptberufliche Erwerbstätigkeit obligatorisch versichert sind oder im Hauptberuf eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, der obligatorischen Versicherung nicht unterstellt. Dem Wortlaut ist nicht zu entnehmen, ob es sich beim Arbeitnehmer um eine Person handelt, die ihre Haupt- und Nebentätigkeit beim gleichen Arbeitgeber hat oder nicht. In der Erläuterung des BSV zur damaligen Bestimmung (aArt. 1 Abs. 1 lit. c BVV 2) wurde einzig die Konstellation von einem Arbeitnehmer, der im Dienste von mehreren Arbeitgebern steht, erwähnt (Kommentar des BSV zum Entwurf der Verordnung 2 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVV 2] vom Sommer 1983, S. 7). Auch die Lehre äussert sich in diese Richtung (SCHNEIDER, in: BVG und FZG, Schneider/Geiser/Gächter [Hrsg.], 2. Aufl. 2019, Rz. 48; CORINNE MONNARD SÉCHAUD, La protection offerte par la prévoyance professionnelle et les nouvelles exigences en matière d'aménagement du temps et des modes de travail, SZS 2001 S. 113; BRÜHWILER, Die betriebliche Personalvorsorge in der Schweiz, 1989, S. 277 Rz. 29).
BGE 148 V 234 (241)Dieser aus dem Verhältnismässigkeitsprinzip abgeleitete Zweckgedanke kommt indes nicht zum Tragen, wenn ein Arbeitnehmer beim gleichen Arbeitgeber mehrere Tätigkeiten ausübt, ist in diesen Fällen doch grundsätzlich jeweils dieselbe Vorsorgeeinrichtung zuständig, womit der Mehraufwand für die Versicherung jeder dieser Löhne kaum ins Gewicht fällt. Im Weiteren ist - unabhängig vom vorliegenden Fall - auf die nicht unerhebliche Missbrauchsgefahr hinzuweisen, welche bestünde, wenn keine Kumulation der beim gleichen Arbeitgeber aus verschiedenen Tätigkeiten erzielten Verdienste erfolgen würde. Ein Arbeitgeber könnte durch den Abschluss von mehreren Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitnehmer Arbeitsverhältnisse mit Verdiensten unter dem Mindestlohn von Art. 7 Abs. 1 BVG schaffen und auf diese Weise das Obligatorium von Art. 2 Abs. 1 BVG ganz oder teilweise umgehen.