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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt ha ...
Erwägung 3
4. In sachverhaltlicher Hinsicht steht fest, dass die Beschwerdef ...
Erwägung 5
Bearbeitung, zuletzt am 15.12.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
29. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
8C_742/2021 vom 4. März 2022
 
 
Regeste
 
Art. 19 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 1 Satz 1 ATSG; Art. 49 UVG; Rückerstattung unrechtmässig bezogener Unfalltaggelder durch die Arbeitgeberin.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 148 V 327 (327)A. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) zahlte der A. AG als Arbeitgeberin eines verunfallten Arbeitnehmers für die Zeit vom 14. September 2016 bis 28. Februar 2017 Unfalltaggelder im Betrag von Fr. 22'572.- aus. Diese leitete dem verunfallten B. einen Betrag von Fr. 7'518.05 weiter und zahlte ihm ab Januar 2017 keinen Lohn mehr. Ab 1. März 2017 erbrachte die Suva Taggeldleistungen direkt an den Versicherten. Mit Verfügung vom 20. Dezember 2019 forderte sie von der A. AG Taggelder in der Höhe von Fr. 15'053.95 unter Verweis auf unterbliebene Lohnfortzahlungen an B. zurück. Dessen Taggeldanspruch für die Zeit vor dem 1. März 2017 beglich die Suva mittels Direktzahlung an ihn im Februar 2020. Infolge eines Rechenfehlers reduzierte sie den Rückforderungsbetrag gegenüber der A. AG einspracheweise auf Fr. 13'613.95 (Einspracheentscheid vom 1. Dezember 2020).BGE 148 V 327 (327)
BGE 148 V 327 (328)B. Die hiergegen erhobene Beschwerde der A. AG wies das Kantonsgericht Freiburg mit Urteil vom 30. September 2021 ab.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt die A. AG beantragen, es sei in Aufhebung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass seitens der Suva kein Rückforderungsanspruch bestehe. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht verzichtete auf einen Schriftenwechsel.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
 
 
Erwägung 3
 
4. In sachverhaltlicher Hinsicht steht fest, dass die Beschwerdeführerin in den Jahren 2016 und 2017 von der Suva erhalteneBGE 148 V 327 (328) BGE 148 V 327 (329)Unfalltaggelder von insgesamt Fr. 13'613.95 mit zivilrechtlichen Forderungen verrechnete, die sie gegenüber dem verunfallten Arbeitnehmer geltend gemacht hatte. Der vorinstanzlich festgestellte Umfang der Rückforderung durch die Suva bleibt, anders als ihr Bestand, vor Bundesgericht unbestritten.
 
Erwägung 5
 
5.3.1 Unfalltaggelder sind zweckgebunden. Sie dienen dazu, einen unfallbedingt erlittenen Verdienstausfall mittels Entschädigung auszugleichen und so den Lebensunterhalt einer arbeitsunfähigen versicherten Person zu gewährleisten (vgl. Art. 20 und Art. 22 Abs. 1 ATSG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 UVG; BGE 138 V 140 E. 3.1; BGE 135 V 2 E. 6.1.1; Botschaft vom 18. August 1976 zum UVG [nachfolgend: Botschaft UVG], BBl 1976 III 189, 203; einlässlich dazu bereits THEO KÜNDIG, Die Verrechnung im Sozialversicherungsrecht, Diss. Bern 1957, S. 72 ff.; siehe ferner FRÉSARD/MOSER-SZELESS, L'assurance-accidents obligatoire, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV,BGE 148 V 327 (329) BGE 148 V 327 (330)3. Aufl. 2016, S. 973 Rz. 211 und S. 1065 Rz. 603 ff.; KASPAR GEHRING, in: Kommentar zum Schweizerischen Sozialversicherungsrecht, UVG [nachfolgend: KOSS UVG], Hürzeler/Kieser [Hrsg.], 2018, N. 1 ff. zu Art. 50 UVG). Die Bedeutung des Unterhaltszwecks von Unfalltaggeldern wird durch deren Unverpfändbarkeit und Unabtretbarkeit zusätzlich unterstrichen (vgl. Art. 22 Abs. 1 ATSG; REMO DOLF, in: Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts, 2020, N. 9 zu Art. 22 ATSG; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 4. Aufl. 2020, N. 23 zu Art. 22 ATSG).
5.3.5 Hat die Arbeitgeberin vom Versicherer Unfalltaggelder erhalten (vgl. Art. 49 UVG), ohne ihrer Lohnfortzahlungspflicht (vgl. Art. 324a Abs. 1 OR) im geschuldeten Umfang gegenüber dem Arbeitnehmer nachzukommen, hat sie zwar eine faktische Verfügungsmacht inne, jedoch stehen ihr - ungeachtet allfälliger zivilrechtlicher Ansprüche - an den Taggeldansprüchen der versicherten Person (vgl. Art. 16 Abs. 1 UVG) keine Rechte zu (vgl. Art. 19 Abs. 2 ATSG im Umkehrschluss; E. 5.3.4 hiervor). Diesfalls verfügt die versicherte Person über einen Direktauszahlungsanspruch gegen den Unfallversicherer (vgl. GEHRING, in: KVG/UVG Kommentar, a.a.O., N. 4 f. zu Art. 49 UVG; MARKUS SCHMID, KOSS UVG, a.a.O., N. 2 zu Art. 49 UVG; HÜRZELER, a.a.O., N. 10 zu Art. 49 UVG). Damit fehlt es im Verhältnis zwischen der Arbeitgeberin und der versicherten Person bereits an der für die Verrechnung erforderlichen Grundvoraussetzung der Gegenseitigkeit von Haupt- und Verrechnungsforderung (vgl. Art. 120 Abs. 1 OR; SVR 2007 UV Nr. 38 S. 128, U 507/05 E. 4.1; ANDREAS MÜLLER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 7. Aufl. 2020, N. 5 ff. zu Art. 120 OR). Die von der Beschwerdeführerin angerufenen Regeln des Obligationenrechts liessen, soweit sie denn überhaupt direkt Anwendung fänden, demnach keine Verrechnung zu. Vor diesem Hintergrund kann die Frage offenbleiben, ob Art. 50 UVG als insgesamt abschliessende Ordnung zu interpretieren wäre, die eine Verrechnung von eigenen (zivilrechtlichen) Ansprüchen der Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin mit Taggeldansprüchen ihres Arbeitnehmers von vornherein ausschlösse.
5.3.6 Die vorgängig beschriebene gesetzliche Ordnung dient dem Schutz der versicherten Person vor bestimmungswidriger Verwendung der Taggeldleistungen (vgl. Botschaft UVG, BBl 1976 III 203). Der Gesetzgeber wollte mit Art. 49 UVG den Versicherungsbetrieb erleichtern und zur Verminderung von Verwaltungskosten beitragen (vgl. Botschaft UVG, BBl 1976 III 202). Eine Verrechnung durch die Arbeitgeberin käme einer Zweckentfremdung von Unfalltaggeldern gleich, die hinsichtlich ihres Unterhaltszwecks unzulässig ist.BGE 148 V 327 (331) BGE 148 V 327 (332)Die in Art. 49 UVG und Art. 19 Abs. 2 ATSG vorgesehene Möglichkeit der Drittauszahlung (vgl. E. 5.3.3 hiervor) dient anders gesagt nicht dazu, die Arbeitgeberin zulasten der Unfallversicherung vor dem Risiko einer allfälligen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis oder unerlaubter Handlung zu schützen. Aufgrund der besonderen Natur des Unfalltaggeldes ist in Anlehnung an Art. 125 Ziff. 2 OR nur eine Realerfüllung zulässig (vgl. Urteil 8C_130/2008 vom 11. Juli 2008 E. 2.3 mit Hinweisen).