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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 3
Erwägung 4
Erwägung 4.3
Erwägung 5
Bearbeitung, zuletzt am 15.12.2022, durch: DFR-Server (automatisch)
 
33. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Klinik A. AG gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
8C_141/2022 vom 17. August 2022
 
 
Regeste
 
Art. 57 Abs. 1 UVG; Zuständigkeit des Schiedsgerichts.
 
 
Sachverhalt
 
BGE 148 V 366 (367)A. Mit Eingabe vom 16. Juni 2020 erhob die Klinik A. AG Klage gegen die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) mit folgenden Rechtsbegehren:
    "1. "1.
    Ziff. 4.4 der Weisung 8004-VL-1-Rehabilitation der Beklagten sowie die Beilagen 6 und 7 zu dieser Weisung seien aufzuheben.
    2. 2.
    Eventualiter sei die Beklagte zu verpflichten, Ziff 4.4 ihrer Weisung 8004-VL-1-Rehabilitation sowie die Beilagen 6 und 7 zu dieser Weisung aufzuheben.
    3. 3.
    Es seien der Beklagten zu verbieten, Verunfallte, für die ein Kostengutsprachegesuch für eine Rehabilitationsbehandlung in der Klinik B. oder in einer anderen Rehaklinik der Klägerin gestellt wurde, prioritär ihren eigenen Suva-Kliniken zuzuweisen, indem sie die Rehakliniken der Klägerin nur berücksichtigt bei Leistungen, die von den Suva-KIiniken nicht angeboten werden oder wenn lange Wartefristen bestehen.
    4. 4.
    Es seien der Beklagten Werbung und andere Massnahmen, die geeignet sind, Patienten, die eine Behandlung bei der Klägerin wünschen, bei ihrer Wahl zu beeinflussen, zu verbieten.
    5. 5.
    Es sei die Beklagte zu verpflichten, Kostengutsprachen, die entgegen dem formulierten Patientenwillen im Kostengutsprachegesuch nicht für eine Behandlung bei einer Klinik der Klägerin erteilt wurden, gegenüber dem Gesuchsteller zu begründen.
    6. 6.
    Eventualiter sei festzustellen,
    6.1 6.1
    dass die Beklagte mit ihrer Kostengutsprache vom 18. September 2019 (Referenz der Beklagten 26.57595.19) Art. 10 Abs. 2 i.V.m. Art. 10 Abs. 3 UVG i.V.m. Art. 68 Abs. 3 UVV, Art. 48 und 54 UVG verletzt hat;
    6.2 6.2
    dass die Beklagte mit ihrer Kostengutsprache vom 14. Oktober 2019 (Referenz der Beklagten 26.92588.19.6) Art. 10 Abs. 2 i.V.m. Art. 10 Abs. 3 UVG i.V.m. Art. 68 Abs. 3 UVV, Art. 48 und 54 UVG verletzt hat; und
    6.3 6.3
    dass die Beklagte mit ihrer telefonischen Einflussnahme auf den Patienten betreffend das Kostengutsprachegesuch vom 28. Januar 2020 Art. 10 Abs. 2 i.V.m. Art. 10 Abs. 3 UVG i.V.m. Art. 68 Abs. 3 UVV, Art. 48 und 54 UVG verletzt hat.
    7. 7.
    Alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen (zuzüglich Mehrwertsteuer) zu Lasten der Beklagten."
Das angerufene Schiedsgericht in Sozialversicherungsstreitigkeiten des Kantons Zürich trat auf die Klage mangels sachlicher Zuständigkeit nicht ein (Beschluss vom 26. Januar 2022).
B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt die Klinik A. AG beantragen, die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen mit der Anweisung, auf die Klage vom 16. Juni 2020 einzutreten und diese materiell zu behandeln.BGE 148 V 366 (367)
BGE 148 V 366 (368)C. Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
 
 
Erwägung 3
 
3.2 Im vorliegenden Streit um die prozessuale Frage, ob die von der Beschwerdeführerin angerufene Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie auf die Klage vom 16. Juni 2020 mangels sachlicher Zuständigkeit nicht eintrat, kommt die Ausnahmeregelung des Art. 105 Abs. 3 (in Verbindung mit Art. 97 Abs. 2) BGG nicht zur Anwendung (vgl. Urteil 8C_98/2022 vom 6. April 2022 E. 2.2). Die Rechtsstreitigkeit ist zwar gestützt auf Normen des UVG zu beurteilen, erfasst jedoch nicht die - für einen Beizug der Ausnahmeregelung erforderliche - "Zusprechung oder Verweigerung" von Geldleistungen. Das Bundesgericht kann somit die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen nur im Rahmen von Art. 105 Abs. 1 und 2 (in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1) BGG überprüfen (vgl. BGE 135 V 412 E. 1.2.; vgl. auch SVR 2018 UV Nr. 18 S. 63, 8C_396/2017 E. 2.2; Urteil 8C_98/2022 vom 6. April 2022 E. 2.2 mit Hinweisen). Demnach bleibt es gemäss Art. 105 Abs. 1 BGG an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG Umkehrschluss; vgl. BGE 135 V 412). Es kann diese Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang desBGE 148 V 366 (368) BGE 148 V 366 (369)Verfah rens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch BGE 147 V 16 E. 4.1.1 mit Hinweis und Urteil 8C_81/2021 vom 27. Oktober 2021 E. 1.2 mit Hinweis).
 
Erwägung 4
 
 
Erwägung 4.3
 
4.3.1 Streitigkeiten zwischen Versicherern und Kuranstalten entscheidet ein für das ganze Kantonsgebiet zuständiges SchiedsgerichtBGE 148 V 366 (369) BGE 148 V 366 (370)(Art. 57 Abs. 1 UVG). Dabei gelten die für die sachliche Zuständigkeit der Schiedsgerichte im Krankenversicherungsrecht entwickelten Grundsätze auch für die Schiedsgerichte der obligatorischen Unfallversicherung (BGE 114 V 319). Die Kantone bezeichnen das Schiedsgericht und regeln das Verfahren. Der schiedsgerichtlichen Behandlung eines Streitfalles hat ein Vermittlungsverfahren vorauszugehen, sofern nicht schon eine vertraglich eingesetzte Vermittlungsinstanz geamtet hat. Das Schiedsgericht setzt sich zusammen aus einem neutralen Vorsitzenden und je einer Vertretung der Parteien in gleicher Zahl (Art. 57 Abs. 3 UVG). Die Schiedsgerichte urteilen nicht wie kantonale Versicherungsgerichte auf Verfügung hin als Beschwerdeinstanz, sondern auf Klage hin im Sinne der ursprünglichen Gerichtsbarkeit (vgl. BGE 114 V 319 E. 4a). Für den Bereich des Medizinalrechts und Tarifwesens (Art. 53 bis 57 UVG) findet das ATSG keine Anwendung (Art. 1 Abs. 2 lit. a UVG; Urteil U 404/06 vom 23. März 2007 E. 3.4). Gleiches gilt für die Nebentätigkeiten der Suva nach Art. 67a UVG wie etwa die privatrechtliche Tätigkeit der Führung von Rehabilitationskliniken (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. a bis UVG; vgl. auch KIESER/SCHEIWILLER, in: Kommentar zum Schweizerischen Sozialversicherungsrecht, UVG [nachfolgend: KOSS UVG], Hürzeler/Kieser [Hrsg.], 2018, N. 13 zu Art. 1 UVG).
4.3.2 Das Schiedsgericht nach Art. 57 UVG ist sachlich zuständig für Streitigkeiten zwischen einem Leistungserbringer (hier der Beschwerdeführerin) und einem Unfallversicherer über dessen Weigerung, für die Kosten des Aufenthalts einer Versicherten in einer Institution mangels Zweckmässigkeit aufzukommen (vgl. BGE 136 V 141 E. 4). Die sachliche Zuständigkeit ist für Streitigkeiten zwischen Unfallversicherern und Leistungserbringern zu bejahen, wenn und soweit sie Rechtsbeziehungen zum Gegenstand haben, die sich aus dem UVG ergeben oder aufgrund des UVG eingegangen worden sind (SUSANNE LEUZINGER, in: Basler Kommentar, Unfallversicherungsgesetz [nachfolgend: BSK UVG], 2019, N. 8 zu Art. 57 UVG mit Hinweisen). Ob eine in die sachliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts fallende Streitigkeit zwischen Versicherer und Leistungserbringer vorliegt, lässt sich nicht losgelöst von mitunter komplexen materiellrechtlichen Erwägungen wie beispielsweise über die Natur des betreffenden Rechtsverhältnisses, dessen konkrete Rechtswirkungen und die Zuordnung der ihm zu Grunde liegenden Rechtsnormen zum Privatrecht oder zum öffentlichen Recht beurteilen (vgl. BGE 135 V 124 E. 3.2.1). Die Streitigkeiten müssen unmittel bar aus der Anwendung des UVG resultieren (GÄCHTER/HACK-LEONI, KOSS UVG, a.a.O., N. 5 zu Art. 57 UVG). Fehlt es der Streitigkeit an einer solchen Rechtsbeziehung, ist sie nicht nach sozialversicherungsrechtlichen Kriterien zu beurteilen, so dass nicht die Schiedsgerichte, sondern allenfalls die Zivilgerichte zum Entscheid sachlich zuständig sind (vgl. BGE 114 V 319 E. 3b; BGE 112 V 307 E. 3b i.f.). Dabei bestimmt sich die Zuständigkeit des Schiedsgerichts danach, welche Parteien einander in Wirklichkeit gegenüberstehen (BGE 131 V 191 E. 2 mit Hinweis; vgl. auch KASPAR GEHRING, in: KVG/UVG Kommentar, 2018, N. 2 zu Art. 57 UVG).
 
Erwägung 5
 
BGE 148 V 366 (370)
BGE 148 V 366 (372)5.3 Soweit sich die Beschwerdeführerin auf Art. 10 Abs. 2 UVG beruft, steht dieses - im Übrigen nicht uneingeschränkte (vgl. MARTINA FILIPPO, BSK UVG, a.a.O., N. 32 zu Art. 10 UVG; GÄCHTER/ HACK-LEONI, KOSS UVG, a.a.O., N. 31 zu Art. 53 UVG) - Recht der Wahlfreiheit nicht der Leistungserbringerin, sondern der versicherten Person zu (vgl. PÄRLI/KUNZ, BSK UVG, a.a.O., N. 8 zu Art. 53 UVG mit Hinweis). Dass die Suva Art. 10 Abs. 2 UVG in einem von der Beschwerdeführerin unter dem Rechtsbegehren Ziffer 6 anvisierten Fälle tatsächlich verletzt hätte, wird nicht geltend gemacht und ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Suva die gewünschten Kostengutsprachen auch in diesen Fällen jeweils erteilt. Würde sich der Streit in einem konkreten Anwendungsfall um die Wahlfreiheit nach Art. 10 Abs. 2 UVG drehen, stünden sich im Prozess als Parteien die versicherte Person und der Unfallversicherungsträger gegenüber und gelangten diesfalls auch die Bestimmungen des ATSG zur Anwendung (vgl. Art. 1 UVG). Im Streit vor dem kantonalen Schiedsgericht nach Art. 57 Abs. 1 UVG kann jedoch die versicherte Person nicht als Partei teilnehmen (GÄCHTER/ HACK-LEONI, KOSS UVG, a.a.O., N. 4 zu Art. 57 UVG mit Hinweis).
5.5 Nach dem Gesagten vermag die Beschwerdeführerin aus dem wiederholten Verweis auf BGE 144 V 138 nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Diesem Urteil lag in Anwendung der vereinbarten, zwischenzeitlich jedoch angepassten Tarifstruktur TARMED eineBGE 148 V 366 (372) BGE 148 V 366 (373)konkrete Entschädigungsforderung des Leistungserbringers gegenüber dem Versicherer aus teilweise nicht vergüteten Leistungen zu Grunde. Die hier zu beurteilende Streitigkeit dreht sich demgegenüber um die Frage eines angeblich generell wettbewerbsverzerrenden Verhaltens der Beschwerdegegnerin, ohne dass eine tatsächliche Verletzung von Art. 10 Abs. 2 UVG oder einer anderen Bestimmung des UVG konkret ersichtlich oder substanziiert geltend gemacht worden wäre.