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Informationen zum Dokument  BGer 6S.278/1998  Materielle Begründung
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BGer 6S.278/1998 vom 11.01.2000
 
[AZA 0/4]
 
6S.278/1998
 
126 IV 42
 
7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Januar 2000 i.S. Erben des A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und X. (Nichtigkeitsbeschwerde) Legitimation zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt nach dem Tod des Opfers (Art. 270 BStP, Art. 2 Abs. 2 lit. b und Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG).
 
Die Erben des Opfers sind in dieser Eigenschaft nicht zureidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt befugt(E. 2).
 
Die dem Opfer nahe stehenden Personen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 OHG sind zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerdeim Strafpunkt nicht nur dann legitimiert, wenn sieihrerseits im Strafverfahren adhäsionsweise Zivilansprüchewegen Beeinträchtigung ihrer Person geltend gemacht haben, sondern auch dann, wenn sie eine vom Opfer selbst zu Lebzeiten adhäsionsweise geltend gemachte Zivilforderung(hier: Genugtuungsforderung wegen schwerer Körperverletzung) nach dessen Tod durch Erbgang erworbenhaben und sich der angefochtene Entscheid negativ auf deren Beurteilung auswirken kann (E. 3).
 
Legitimation des Willensvollstreckers zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt? Frage offen gelassen(E. 4).
 
Qualité pour former un pourvoi en nullité contre lejugement pénal après le décès de la victime (art. 270 PPF, art. 2 al. 2 let. b et art. 8 al. l let. c LAVI).
 
La qualité d'héritiers de la victime ne confère pas àceux-ci le droit de former un pourvoi en nullité contre lejugement pénal (consid. 2).
 
Les proches de la victime énumérés à l'art. 2 al. 2 LAVIsont légitimés à former un pourvoi en nullité contre lejugement pénal dans les deux cas suivants. D'une part, lorsqu'ils ont fait valoir par voie d'adhésion leurspropres prétentions civiles découlant d'atteintes à leurpersonne; d'autre part, lorsqu'ils ont hérité d'une créanceque la victime avait elle-même fait valoir, de son vivant, par voie d'adhésion à l'action pénale et que le jugementpénal attaqué peut avoir des effets négatifs sur lejugement de ces prétentions civiles (ici, réparation moraledemandée en raison de lésions corporelles graves) (consid. 3).
 
Légitimation de l'exécuteur testamentaire pour former unpourvoi en nullité? Question laissée indécise (consid. 4).
 
Legittimazione a proporre ricorso per cassazione controuna decisione penale dopo il decesso della vittima (art.
 
270 PP, art. 2 cpv. 2 lett. b e art. 8 cpv. 1 lett. c LAV).
 
La qualità di eredi della vittima non da loro il dirittodi proporre ricorso per cassazione contro una decisionepenale (consid. 2).
 
Le persone elencate nell'art. 2 cpv. 2 LAV sonolegittimate a proporre ricorso per cassazione nei due casiseguenti: da un lato, se fanno valere in via adesivapretese civili proprie contro l'autore del reato, e,dall'altro, se hanno ereditato le pretese civili che lastessa vittima, ancora in vita, aveva fatto valerecostituendosi parte civile nel procedimento penale e ladecisione impugnata possa avere delle conseguenze negativesul giudizio relativo a tali pretese (nella fattispecie: riparazione morale derivante da lesioni personali gravi)(consid. 3).
 
L'esecutore testamentario è legittimato a proporrericorso per cassazione? Questione lasciata indecisa(consid. 4).
 
Anlässlich eines Handgemenges löste sich am 10. September 1991 aus der Waffe von X. ein Schuss, der A. vonvorne in den Hals traf und schwer verletzte (unheilbare Tetraplegie). A. ist knapp vier Jahre später, am 10. August1995, gestorben. Nachdem die Urteile des Obergerichts des Kantons Zürichvom 26. Februar 1993 respektive vom 2. März 1994 vom Zürcher Kassationsgericht beziehungsweise vom Kassationshofdes Bundesgerichts aufgehoben worden waren, wurde X. am 19. Dezember 1995 vom Obergericht wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung verurteilt und zur Zahlung einer Genugtuungssumme an die Erben des inzwischen verstorbenen A. verpflichtet.
 
Nach Aufhebung dieses Urteils durch das Zürcher Kassationsgericht sprach das Obergericht des Kantons Zürich X. am 19. Dezember 1997 vom Vorwurf der fahrlässigenschweren Körperverletzung frei. Auf die Adhäsionsklage der Erben von A. auf Leistung einer Genugtuung trat es nichtein.
 
Die Erben von A. fechten das Urteil des Obergerichts im Strafpunkt mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde an. Am 20. Juli 1999 wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde der Erben von
 
A. ab, soweit es darauf eintrat.
 
Aus den Erwägungen:
 
2.- a) Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde stehtdem Angeklagten und dem öffentlichen Ankläger des Kantonszu (Art. 270 Abs. 1 Satz 1 BStP [SR 312. 0]). Sie steht auchdem Geschädigten zu, wenn er sich bereits vorher am Verfahren beteiligt hat und soweit sich der Entscheid aufdie Beurteilung seiner Zivilforderung auswirken kann (Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP).
 
Geschädigter im Sinne des Strafprozessrechts und damitauch gemäss Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP ist diejenige Person, welcher durch das eingeklagte strafbare Verhaltenunmittelbar ein Schaden zugefügt wurde oder zu erwachsendrohte. Das ist in der Regel der Träger des Rechtsgutes, welches durch die fragliche Strafbestimmung vor Verletzungoder Gefährdung geschützt werden soll (BGE120 Ia 220 E. 3b; 120 IV 154 E. 3c/cc S. 159; 117 Ia 135 E. 2a, mit zahlreichen Hinweisen).
 
Nach dem Tod des Angeklagten steht die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde seinen Verwandten und Verschwägertenin auf- und absteigender Linie, seinen Geschwistern und dem Ehegatten zu (Art. 270 Abs. 2 BStP).
 
Dagegen sieht das Gesetz nicht vor, dass nach dem Tod des Geschädigten die Erben oder irgendwelche Angehörige zureidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunktlegitimiert sind.
 
b) Die vom Geschädigten A. adhäsionsweise geltendgemachte Genugtuungsforderung wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung ist nach dessen Tod auf die Erbenübergegangen (siehe BGE 118 II 404 E. 3a S. 407 mit Hinweisen). Der Freispruch des Beschuldigten mangels Fahrlässigkeit kann sich auf die Beurteilung dieser Forderung negativ auswirken.
 
Daraus ergibt sich indessen nicht die Legitimation der Erben zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt. Hiefür ist nach der insoweit abschliessendengesetzlichen Regelung zusätzlich erforderlich, dass der Beschwerdeführer ein Geschädigter (Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP), ein Opfer (Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten [OHG; SR 312. 5]) oder eine dem Opfer gleichgestellte Person (Art. 2 Abs. 2 OHG) ist. Die Erben eines Opfers bzw. eines Geschädigten gehören in ihrer Eigenschaft als Erben nichtzu diesem Personenkreis. Sie sind daher, auch wenn sieeinen Zivilanspruch aus angeblich strafbarer Handlung durch Erbgang erworben haben, nicht zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert (ebenso SCHWERI, Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, 1993, N. 261, 294; SCHMID, Strafprozessrecht, 3. Aufl. 1997, N. 1093; a.M. insbesondere BERNHARD STRÄULI, Pourvoi en nullité et recours de droit public au Tribunalfédéral, thèse Genève 1995, N. 105 f., 128 f.).
 
3.- Bei den Erben des am 10. August 1995 verstorbenen Opfers A. handelt es sich gemäss einem Schreiben der als Willensvollstreckerin eingesetzten Rechtsanwältin an das Bundesgericht um die Witwe und drei Kinder, welche im Kosovo leben. Diese vier Personen sind Personen im Sinnevon Art. 2 Abs. 2 OHG.
 
a) Gemäss Art. 2 Abs. 2 OHG werden der Ehegatte des Opfers, dessen Kinder und Eltern sowie andere Personen, dieihm in ähnlicher Weise nahe stehen, dem Opfergleichgestellt u.a. bei "der Geltendmachung von Verfahrensrechten und Zivilansprüchen (Art. 8und 9), soweit ihnen Zivilansprüche gegenüber dem Täterzustehen" (lit. b). Die in Art. 2 Abs. 2 OHG erwähnten Personen sind somit unter den in Art. 2 Abs. 2 lit. b undin Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG genannten Voraussetzungen zureidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunktlegitimiert, obschon sie nicht Geschädigte im Sinne von Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP sind.
 
Damit stellt sich die Frage, was unter den"Zivilansprüchen gegenüber dem Täter" im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. b OHG zu verstehen ist.
 
b) Gemäss den Ausführungen in der Botschaft zum Opferhilfegesetz sind die in Art. 2 Abs. 2 OHG erwähnten Personen dem Opfer in Bezug auf die Verfahrensrechte nurgleichgestellt, "soweit die betreffenden Personen selbstzivilrechtliche Ansprüche gegenüber dem Täter haben, dieauf einer Beeinträchtigung der eigenen Person oder auf Rechtsnachfolge beruhen" (BBl 1990 II 961 ff., 978), soweitsie "des prétentions civiles propres ou dérivées" gegen den Täter geltend machen können (FF 1990 II 909 ff., 925). Zuden "prétentions dérivées" im Sinne der Ausführungen in derfranzösischsprachigen Botschaft gehören insbesondere die Ansprüche des Opfers, die dessen Angehörige nach dem Toddes Opfers geerbt haben (BERNARD CORBOZ, Les droitsprocéduraux découlant de la LAVI, SJ 1996 S. 53 ff., 59f. ). Art. 2 Abs. 2 lit. b OHG betrifft Zivilansprüche, dieden in Art. 2 Abs. 2 OHG erwähnten Personen "auserbrechtlicher Sicht oder gestützt aufhaftpflichtrechtliche Überlegungen zustehen"(GOMM/STEIN/ZEHNTNER, Kommentar zum Opferhilfegesetz, 1995, Art. 2 N. 29). Es geht um Zivilansprüche, die den in Art. 2 Abs. 2 OHG erwähnten Personen "von Gesetzes wegen, sei esaus eigenem Recht oder aufgrund einer Rechtsnachfolge, zustehen" (EVA WEISHAUPT, Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Opferhilfegesetzes (OHG), Diss. Zürich1998, S. 48). Zu den Zivilansprüchen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. b OHG gehören somit zum einen die selbständigen Ansprüche der in Art. 2 Abs. 2 OHG erwähnten Personen gegenden Täter etwa auf Ersatz des Versorgerschadens (Art. 45 Abs. 3 OR) oder auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung(Art. 47 und 49 OR), zum andern aber auch die Zivilansprüche der in Art. 2 Abs. 2 OHG erwähnten Personenaus Erbnachfolge, d.h. etwa Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen des Opfers (im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG) gegen den Täter, welche beim Tod des Opfers durch Erbgang auf die in Art. 2 Abs. 2 OHG erwähnten Personenübergegangen sind (EVA WEISHAUPT, a.a.O., S. 49 f.). c) Die Witwe und die drei Kinder des Opfers A. sind indieser Eigenschaft zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert. Denn siesind dem Opfer nahe stehende Personen gemäss Art. 2 Abs. 2 OHG. Sie haben nach dem Tod des Opfers dessenadhäsionsweise geltend gemachte Genugtuungsforderung durch Erbgang erworben. Damit steht ihnen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. b OHG ein Zivilanspruch gegenüber dem Täter zu.
 
Das angefochtene Urteil, durch welches der Beschuldigtemangels Fahrlässigkeit vom Vorwurf der fahrlässigenschweren Körperverletzung freigesprochen worden ist, kannsich im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG auf die Beurteilung dieser Zivilforderung auswirken.
 
d) Dabei ist jede einzelne dem Opfer nahe stehende Person, soweit sie als Erbe an einem Zivilanspruch gegenden Täter mitberechtigt ist, selbständig zureidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunktbefugt. Denn nicht als Erbe und somit Angehörige der Erbengemeinschaft ist sie zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert, sonderndeshalb, weil sie dem Opfer nahe stand.
 
4.- Die vorliegende Beschwerdeschrift ist von einer Rechtsanwältin unterzeichnet, die zugleich als Willensvollstreckerin des verstorbenen Opfers eingesetztist. Eine Vollmacht der gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt befugten Personenliegt nicht vor.
 
a) Die Rechtsanwältin vertritt den Standpunkt, als Willensvollstreckerin habe sie den Willen des Erblassers zuvertreten, der u.a. darin bestehe, allfällige Forderungendurchzusetzen und einzutreiben, allenfalls auch vor Bundesgericht. Mit der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerdegehe es um die Durchsetzung einer Forderung des Erblassers. Da ein Willensvollstrecker nicht von den Weisungen der Erben abhängig sei, bedürfe er für seine Handlungen auchkeiner Vollmacht der Erben.
 
b) Sofern der Willensvollstrecker mit der Verwaltung der Erbschaft im Sinne von Art. 518 ZGB betraut ist, steht ihmanstelle des materiell Berechtigten die aktive und passive Prozessführungsbefugnis im eigenen Namen und als Partei zu(BGE 116 II 131 E. 3; 94 II 141 E. 1, je mit Hinweisen; MARTIN KARRER, Basler Kommentar, N. 14 und N. 68 ff. zu Art. 518 ZGB).
 
c) Es ist indessen fraglich, ob der Willensvollstreckerim Rahmen seiner Prozessführungsbefugnis auch zureidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt befugtist. Wohl haben die Witweund die drei Kinder des Opfers dessen adhäsionsweisegeltend gemachte Genugtuungsforderung gegen den Beschuldigten durch Erbgang erworben. Sie sind aber, wieerwähnt, nicht in ihrer Eigenschaft als Erben, sondern inihrer Eigenschaft als dem Opfer nahe stehende Personen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 OHG zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert. Zwardient die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde eines Opfers im Strafpunkt auch der Durchsetzung desadhäsionsweise geltend gemachten Zivilanspruchs im Strafverfahren, da der Strafrichter nach dem Opferhilfegesetz (s. Art. 9 OHG) nur im Falle einer Verurteilung des Beschuldigten verpflichtet ist, zumindestdem Grundsatz nach über den Zivilanspruch zu entscheiden. Das Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt ist aber auch in diesem Fall kein Prozessbetreffend eine Zivilforderung und somit auch kein Prozessbetreffend einen zum Nachlass gehörenden Vermögenswert.
 
Ob in einer Konstellation der hier vorliegenden Art der Willensvollstrecker im Rahmen seiner Prozessführungsbefugnis auch zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt befugt ist, kannindessen offen bleiben, da die Beschwerde ohnehinabzuweisen ist.
 
5.
 
Lausanne, 11. Januar 2000
 
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