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Informationen zum Dokument  BGer U 156/1999  Materielle Begründung
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BGer U 156/1999 vom 14.02.2000
 
«AZA»
 
U 156/99 Vr
 
III. Kammer
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; Gerichtsschreiberin Glanzmann
 
Urteil vom 14. Februar 2000
 
in Sachen
 
S.________, 1942, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M.________,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Luzern, Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
A.- Der 1942 geborene S.________ ist seit Dezember 1970 als Disponent bei der Firma A.________ AG tätig und damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen Berufs- und Nichtberufsunfälle versichert. Am 16. Januar 1989 stiess er mit dem Fahrrad frontal mit einem Auto zusammen, wobei er sich eine nicht dislozierte Densfraktur und Os Zygomaticusfraktur, eine Impressionsfraktur der hinteren Kieferwand rechts sowie eine Orifizienblutung zuzog. Anhaltende Verspannungen im Halswirbelsäulen (HWS)Bereich und zunehmende Spannungskopfschmerzen führten zu zwei Rückfällen, nämlich im Januar 1990 und wiederum im Januar 1991. Am 19. Juni 1992 war S.________ in eine Auffahrkollision verwickelt, bei welcher er ein Schleudertrauma der HWS erlitt. Wegen persistierenden zervikogenen Kopfschmerzen veranlasste die SUVA eine Untersuchung am Neuropsychologischen Institut X.________ (NPI) (Gutachten des Prof. Dr. P.________ vom 6. November 1993). Ausserdem liess sie den Versicherten an der Neurologischen Klinik des Spitals Y.________ (im Folgenden: Neurologische Klinik) begutachten, welche am 28. Februar 1995 Bericht erstattete. Schliesslich holte sie eine Beurteilung des SUVA-Arztes Dr. R.________, Unfallabteilung, vom 22. April 1996 ein. Gestützt darauf sprach sie dem Versicherten mit Verfügung vom 11. Juni 1996 für die verbliebene Beeinträchtigung aus den beiden Unfällen vom 16. Januar 1989 und 19. Juni 1992 eine Invalidenrente von 30 % ab 1. Juni 1996 und eine Integritätsentschädigung von insgesamt 5 % zu. Die dagegen eingereichte Einsprache, mit welcher S.________ weitere Pflegeleistungen und Kostenvergütung für therapeutische und medizinische Massnahmen und Behandlungen nach Anordnung des Hausarztes sowie eine Integritätsentschädigung von mindestens 30 % beantragen liess, wies die Anstalt im letzteren Punkt mit Entscheid vom 6. November 1996 ab; auf den Antrag hinsichtlich der zusätzlichen Heilbehandlung trat sie nicht ein.
 
B.- Beschwerdeweise liess S.________ seine Einsprachebegehren erneuern. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat (Entscheid vom 11. März 1999).
 
C.- Der Versicherte lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Verfügung der SUVA vom 11. Juni 1996 (recte: Einspracheentscheid vom 6. November 1996) sei dahingehend abzuändern, dass ihm weitere Pflegeleistungen und Kostenvergütung für therapeutische und medizinische Massnahmen und Behandlungen nach Anordnung des Hausarztes zuzuerkennen seien; ferner sei ihm eine Integritätsentschädigung von mindestens 50 % zuzusprechen. Eventuell sei ihm vorerst eine Integritätsentschädigung von 10 % für die "reinen Schäden" an der HWS, d.h. der neurologischen und rheumatologischen Schäden auszurichten und die Sache zur Abklärung und Therapie der Schmerz- und Schwindelkomponenten sowie zur Durchführung einer neuro-ophtalmologischen Untersuchung und zur anschliessenden Neubeurteilung der Integritätseinbusse, insbesondere der neuropsychologischkognitiven Störungen, zurückzuweisen. Dazu wird ein audioneurootologischer Bericht des Dr. A.________, Spezialarzt FMH für Otorhinolaryngologie sowie Hals- und Gesichtschirurgie, vom 13. April 1999 neu ins Recht gelegt.
 
Die SUVA verzichtet auf eine Stellungnahme. Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Die Vorinstanz hat die massgeblichen Bestimmungen über den Beginn des Rentenanspruchs (Art. 19 Abs. 1 UVG), die Heilbehandlung nach Festsetzung der Rente (Art. 21 Abs. 1 UVG) und den Anspruch auf Integritätsentschädigung (Art. 24 Abs. 1 UVG; Art. 36 Abs. 1 UVV) sowie deren Abstufung nach der Schwere des Integritätsschadens (Art. 25 Abs. 1 UVG; Art. 36 Abs. 2 UVV in Verbindung mit Anhang 3 zur UVV, in der hier anwendbaren, bis Ende 1997 gültig gewesenen Fassung; BGE 124 V 32 Erw. 1b mit Hinweisen) und die Voraussetzungen einer Leistungskürzung (Art. 36 Abs. 2 UVG) zutreffend dargelegt. Korrekt wiedergegeben ist auch die Rechtsprechung zum Anspruch auf eine Integritätsentschädigung bei psychischen Unfallfolgen (BGE 124 V 29). Gleiches gilt in Bezug auf den Beweiswert medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 122 V 160 Erw. 1c mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden.
 
2.- Auf das Begehren des Beschwerdeführers um weitere Heilbehandlung sind die SUVA und das kantonale Gericht zu Recht nicht eingetreten. Es kann diesbezüglich auf die eingehenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen werden, denen das Eidgenössische Versicherungsgericht nichts beizufügen hat. Aus den im kantonalen Entscheid erörterten Gründen kann auch es nicht auf den im vorliegenden Verfahren wiederholten Antrag auf Heilbehandlung eintreten.
 
3.- Was die Höhe der Integritätsentschädigung betrifft, so stellten sowohl Anstalt als auch Vorinstanz auf die ärztliche Beurteilung des SUVA-Arztes Dr. R.________ vom 22. April 1996 ab. Dieser kam gestützt auf das bei der Neurologischen Klinik eingeholte Gutachten vom 28. Februar 1995 - in organischer Hinsicht - zum Schluss, dass es sich um einen erheblichen und voraussichtlich stabilen Zustand im Bereich der HWS bei Cervicalarthrose handle. In der Folge veranschlagte er die Integritätseinbusse entsprechend der Befunderhebung (Osteochondrose mit mittelgradigen Beschwerden) auf brutto 10 %, wovon er 5 % wegen der vorbestandenen Arthrose abzog. Zu der von Prof. Dr. P.________ im Gutachten vom 6. November 1993 - aus neuropsychologischer Sicht - geschätzten Integritätseinbusse von 20 % hielt das kantonale Gericht fest, dass diese Beurteilung das spätere Gutachten der Neurologischen Klinik vom 28. Februar 1995 nicht umzustossen vermöge, zumal danach keine hirnorganische Schäden vorliegen würden und neuropsychologische Ausfälle auf die stattgefundene depressive Entwicklung zurückzuführen seien.
 
4.- Der vorinstanzlichen Auffassung kann nicht beigepflichtet werden.
 
a) Bei näherer Betrachtung des Gutachtens der Neurologischen Klinik vom 28. Februar 1995 fällt zunächst auf, dass dieses keine Ausführungen zum Integritätsschaden enthält. Im Weiteren wird ersichtlich, dass der Anteil des beim ersten Unfall im Januar 1989 erlittenen Kopftraumas an den geklagten Beschwerden wesentlich stärker gewichtet wird als derjenige des beim zweiten Unfall im Juni 1992 zugezogenen HWS-Traumas (20-30 %). Auch Prof. Dr. P.________ mass in seinem Gutachten vom 6. November 1993 dem Unfall im Jahre 1989 ein grösseres Gewicht (doppelt) als demjenigen im Jahre 1992 zu. Ausserdem werden im Gutachten der Neurologischen Klinik vom 28. Februar 1995 die neuropsychologischen Ausfälle "wohl zur Hauptsache" der depressiven Entwicklung im Anschluss an das HWS-Distorsionstrauma (des Unfalles im Jahre 1992) zugeschrieben. Damit ist aber das Gutachten des Prof. Dr. P.________ vom 6. November 1993 keineswegs widerlegt. Im Gegenteil überzeugt dessen Einschätzung mehr. Denn mit der im Gutachten der Neurologischen Klinik vom 28. Februar 1995 gewählten Formulierung ("wohl") wird eine gewisse Unsicherheit zum Ausdruck gebracht. Dazu kommt, dass sich Kreisarzt Dr. L.________ anlässlich einer Untersuchung vom 19. November 1993 der Beurteilung des Prof. Dr. P.________ vom 6. November 1993 vollumfänglich anschloss, während sich Dr. R.________ mit dessen Gutachten überhaupt nicht auseinander gesetzt hat.
 
Selbst wenn die neuropsychologischen Ausfälle eine Folge psychischer Störungen (Depression) wären, könnten sie mit der von der Vorinstanz geltend gemachten fehlenden Adäquanz nicht beiseite geschoben werden, hat doch die SUVA bei der Bemessung der Invalidenrente von 30 % die psychische Komponente gleichermassen mitberücksichtigt. Nur der Osteochondrose wegen hätte sie jedenfalls nicht eine Invalidenrente in dieser Höhe gewährt.
 
b) Zu beantworten bleibt die Frage nach der Dauerhaftigkeit der neuropsychologischen Ausfälle (Art. 36 Abs. 1 UVV). Gemäss Gutachten des Prof. Dr. P.________ vom 6. November 1993 ist diese zu bejahen, rechnet der Arzt doch auf isoliert-neuropsychologischer Ebene mit einem stabilen Verlauf: Die Folgen des Unfalles im Jahre 1989 würden schon vier Jahre zurück liegen und diejenigen des zweiten traumatischen Ereignisses seien ohnehin gering. Demnach sind zu den 5 % Integritätsentschädigung, welche die SUVA dem Versicherten wegen der Osteochondrose zugesprochen hat, noch 20 % hinzuzurechnen, welche Prof. Dr. P.________ im Einklang mit Anhang 3 der UVV befürwortet hat.
 
Auf ergänzende Abklärungen kann verzichtet werden, da hievon keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Hinsichtlich des letztinstanzlich aufgelegten Gutachtens des Dr. A.________ vom 13. April 1999 ist darauf hinzuweisen, dass sich dessen Beurteilung auf die Folgen des im Juni 1992 zugezogenen HWS-Distorsionstraumas beziehen, dessen Dauerhaftigkeit nicht gesichert ist.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I. In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbe-
 
schwerde wird der Entscheid des Sozialversicherungs-
 
gerichts des Kantons Zürich vom 11. März 1999 und der
 
Einspracheentscheid der SUVA vom 6. November 1996 auf-
 
gehoben, und es wird festgestellt, dass der Beschwer-
 
deführer Anspruch auf eine Integritätsentschädigung
 
von 25 % hat. Im Übrigen wird die Verwaltungsgerichts-
 
beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Die SUVA hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren
 
vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine
 
Parteientschädigung von Fr. 1000.- zu bezahlen.
 
IV. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird
 
über eine Neuverlegung der Parteikosten für das kanto-
 
nale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letzt-
 
instanzlichen Prozesses zu befinden haben.
 
V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-
 
rungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
 
Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 14. Februar 2000
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der III. Kammer:
 
Die Gerichtsschreiberin:
 
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