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Informationen zum Dokument  BGer H 27/1999  Materielle Begründung
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BGer H 27/1999 vom 15.03.2000
 
[AZA]
 
H 27/99
 
H 28/99 Gi
 
IV. Kammer
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger;
 
Gerichtsschreiber Hadorn
 
Urteil vom 15. März 2000
 
in Sachen
 
1.B.________, 2. P.________,
 
Beschwerdeführer, P.________ vertreten durch Rechtsanwalt E.________,
 
gegen
 
Ausgleichskasse des Kantons Graubünden, Rosenweg 4, Chur,
 
Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur
 
A.- Mit Verfügungen vom 29. Januar 1998 verpflichtete die Ausgleichskasse des Kantons B.________ und P.________, bis Ende Juli 1996 bzw. ab 2. September 1996 Verwaltungsratsmitglieder der in Konkurs gefallenen S.________ AG, unter solidarischer Haftbarkeit Schadenersatz im Umfang von Fr. 30'013. 55 für nicht entrichtete Sozialversicherungsbeiträge zuzüglich Verzugszinsen und Mahngebühren zu leisten.
 
B.- Auf Einspruch beider Belangten hin klagte die Kasse auf Bezahlung des erwähnten Betrages. Mit Entscheiden vom 6. Oktober 1998 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden die Klage gegen B.________ im Ausmass von Fr. 25'889. 45 teilweise und diejenige gegen P.________ vollumfänglich gut.
 
C.- B.________und P. ________reichen zwei Verwaltungsgerichtsbeschwerden ein mit den jeweiligen Anträgen, der kantonale Entscheid sei aufzuheben, und die Klage der Kasse sei abzuweisen. Eventualiter verlangen sie, die Sache sei zu näheren Abklärungen an das kantonale Gericht zurückzuweisen. P.________ lässt subeventualiter überdies beantragen, er sei zur Leistung von Schadenersatz nach richterlichem Ermessen gegen Abtretung einer Konkursdividende zu verurteilen.
 
Die Ausgleichskasse wünscht, die zwei Verfahren zu vereinigen, und schliesst auf Abweisung beider Verwaltungsgerichtsbeschwerden, soweit darauf einzutreten sei. B.________ äussert sich zur Beschwerde von P.________, ohne ein konkretes Rechtsbegehren zu stellen. Dieser wiederum lässt sich zur Beschwerde von B.________ ebenfalls vernehmen, ohne einen Antrag zu formulieren. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat keine Stellungnahme eingereicht.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Da den beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden der selbe Sachverhalt zu Grunde liegt, sich die gleichen Rechtsfragen stellen und die Rechtsmittel den nämlichen vorinstanzlichen Entscheid betreffen, rechtfertigt es sich, die beiden Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (BGE 123 V 215 Erw. 1, 120 V 466 Erw. 1 mit Hinweisen; Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. 1, S. 343 unten f.).
 
2.- a) Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerden kann nur so weit eingetreten werden, als die Schadenersatzforderung kraft Bundesrechts streitig ist. Im vorliegenden Verfahren ist deshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerden in dem Umfang nicht einzutreten, als sie sich gegen die Schadenersatzforderung für entgangene Beiträge an die kantonale Familienausgleichskasse richtet (vgl. BGE 119 V 80 Erw. 1b, 118 V 69 Erw. 1b mit Hinweis).
 
b) Da es sich bei den angefochtenen Verfügungen nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
 
3.- Das kantonale Gericht hat unter Hinweis auf Gesetz (Art. 52 AHVG) und Rechtsprechung (vgl. statt vieler BGE 123 V 15 Erw. 5a) die Voraussetzungen zutreffend dargelegt, unter welchen verantwortliche Organe juristischer Personen der Ausgleichskasse den durch schuldhafte Missachtung der Vorschriften über die Beitragsabrechnung und -zahlung (Art. 14 Abs. 1 AHVG; Art. 34 ff. AHVV) verursachten Schaden zu ersetzen haben. Zu ergänzen ist, dass sich gemäss der Rechtsprechung nicht allein nach formellen Kriterien beurteilt, wer als Organ belangt werden kann. Massgebend ist vielmehr, ob die betreffende Person tatsächlich die Funktion von Organen erfüllt hat, indem sie solchen vorbehaltene Entscheide getroffen oder die eigentliche Geschäftsführung besorgt und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend beeinflusst hat (BGE 114 V 78 und 213; Nussbaumer, Die Ausgleichskasse als Partei im Schadenersatzprozess nach Art. 52 AHVG, in ZAK 1991 S. 386 f.; vgl. auch BGE 117 II 441 Erw. 2b).
 
4.- Als erstes ist die Schadenersatzpflicht des Beschwerdeführers B.________ zu prüfen.
 
a) Ob ein Organ schuldhaft gehandelt hat, hängt entscheidend von der Verantwortung und den Kompetenzen ab, die ihm von der juristischen Person übertragen wurden (BGE 108 V 202 Erw. 3a; ZAK 1985 S. 620 Erw. 3b). Bei einfachen Verhältnissen muss vom einzigen Verwaltungsratsmitglied einer Aktiengesellschaft, das als solches die Verwaltung der Gesellschaft als einzige Person in Organstellung zu besorgen hat, in der Regel der Überblick über alle wesentlichen Belange der Firma verlangt werden, und dies selbst dann, wenn es seine Befugnisse weitgehend an eine geschäftsführende Person delegiert hat. Es kann mit der Delegation der Geschäftsführung nicht zugleich auch seine Verantwortung als einziges Verwaltungsorgan an diese Person delegieren (BGE 108 V 203 Erw. 3b).
 
b) Die Vorinstanz hat in für das Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlicher Weise (Erw. 2b hievor) festgestellt, dass B.________ bis zu seinem Austritt einziges Mitglied im Verwaltungsrat einer kleinen und übersichtlich strukturierten Firma war. Als solcher hatte er dafür zu sorgen, dass die Beiträge an die Sozialversicherungen korrekt bezahlt wurden. Dabei entlastete ihn die Delegation des Finanzwesens an die F.________ AG nicht. Wie die Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht festgestellt hat, weist B.________ keine stichhaltigen Exkulpationsgründe und keine energischen Massnahmen zur Bezahlung der ausstehenden Beiträge nach, obwohl er sich angesichts der ungenügenden Studentenzahlen im klaren darüber sein musste, dass die Existenz der Firma gefährdet war. Diese Passivität ist grobfahrlässig im Sinne von Art. 52 AHVG (ZAK 1989 S. 104). Den Erwägungen der Vorinstanz ist nichts weiteres beizufügen.
 
5.- a) Der Beschwerdeführer P.________ wurde zwar erst am 2. September 1996 in den Verwaltungsrat der S.________ gewählt. Die Vorinstanz hat jedoch festgehalten, dass er bereits vorher einziges Mitglied des Verwaltungsrats und wirtschaftlicher Eigentümer der F.________ AG war, welche die gesamte Administration der S.________ abgewickelt hatte. Diese Feststellung ist für das Eidgenössische Versicherungsgericht verbindlich (Erw. 2b hievor), steht doch im Erhebungsbogen für Arbeitgeber vom 13. Juni 1996 ausdrücklich, dass die F.________ die S.________ verwalte. Sodann war P.________ nach eigenen Angaben im Gesuch um Konkursaufschub vom 7. August 1996 Gründungsmitglied der S.________, hatte die Erklärung vom 11. Januar 1994 mit unterzeichnet und demnach das betriebliche Konzept für die Hotelschule ausgearbeitet. Er nahm an den Sitzungen der S.________ teil und stimmte z.B. gemäss Protokoll vom 6. März 1996 dafür, die Schule trotz der prekären finanziellen Lage unbedingt weiter zu führen. Die Liste der von ihm bzw. der F.________ AG erledigten und der S.________ AG verrechneten Arbeiten umfasst nicht nur Buchhaltung und Finanzwesen, sondern auch Anstellungen von Personal, Kontakte mit Studenten, Fremdenpolizei und Schweizer Botschaften im Ausland. P.________ vertrat somit die S.________ AG nach aussen und erfüllte verschiedene Aufgaben, wie sie namentlich in den Art. 716a und b sowie Art. 718 OR für den Verwaltungsrat als Leitungsorgan der AG umschrieben sind. Überdies war er Hauptaktionär der Firma mit 102 von 420 Aktienstimmen. Demnach nahm er bereits seit der Gründung der Schule und nicht erst seit dem formellen Eintritt in den Verwaltungsrat am 2. September 1996 massgeblichen Einfluss auf den Geschäftsgang und ist als faktisches Organ der S.________ AG zu betrachten.
 
b) P.________ kannte angesichts der ihm bei seiner Tätigkeit für die Firma zugegangenen Informationen die Probleme mit dem schlechten Zustand der Schulgebäude, den unzuverlässig arbeitenden Studentenanwerbern und der schlechten Belegung und wusste, dass erhebliche finanzielle Schwierigkeiten die Fortführung des Betriebs gefährdeten. Auch er weist keine stichhaltigen Exkulpationsgründe nach. Da die Studentenzahlen schon vor dem Konkursaufschub unbefriedigend waren, hätte er im Herbst 1996 Vorsicht waltenlassenmüssen, verfügtedochdieS. ________nachseineneigenenAngabenimGesuchumKonkursaufschubüberpraktischkeineverwertbarenAktiven. Effiziente Massnahmen sind jedoch nicht belegt. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die mit der Studentenanwerbung beauftragten Agenten kontrolliert worden wären. Konkrete, objektive Aussichten auf eine Sanierung bestanden daher trotz des bewilligten Konkursaufschubes nicht. Damit hat auch P.________ sich grobfahrlässig im Sinne von Art. 52 AHVG verhalten.
 
6.- Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen ging, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Die unterliegenden Beschwerdeführer haben die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerden werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
II.Die Gerichtskosten von total Fr. 5000. - werden den Beschwerdeführern je zur Hälfte auferlegt und mit den geleisteten Kostenvorschüssen verrechnet.
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 15. März 2000
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der IV. Kammer:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
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