VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2A.76/2000  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2A.76/2000 vom 05.05.2000
 
[AZA 0]
 
2A.76/2000/leb
 
II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ***********************************
 
5. Mai 2000
 
Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
 
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hartmann, Betschart und
 
Gerichtsschreiber Feller.
 
---------
 
In Sachen
 
A.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Tim Walker, Hinterdorf 27, Trogen,
 
gegen
 
Sicherheitsdirektion des Kantons Appenzell A. Rh.,Verwaltungsgericht des Kantons Appenzell A. Rh.,
 
betreffend
 
Aufenthaltsbewilligung, hat sich ergeben:
 
A.-Die kroatische Staatsangehörige A.________ reiste am 22. August 1991, im Alter von 17 3/4 Jahren, zu ihren Eltern in die Schweiz ein und erhielt im Rahmen des Familiennachzugs eine Aufenthaltsbewilligung, die in der Folge mehrmals, zuletzt mit Wirkung bis 29. August 1998, verlängert wurde. Sie blieb allerdings nicht dauernd in der Schweiz, sondern kehrte nach Kroatien zurück, beendete die Mittelschule und nahm dort auch ein Studium auf, so dass sie insgesamt weitaus häufiger in ihrer Heimat weilte als bei den Eltern in der Schweiz. 1998 heiratete sie in ihrer Heimat einen Landsmann; sie wohnt mit diesem zusammen in Kroatien in einer Wohnung, die ihrem Vater gehört. Sie hält sich weiterhin nur wochenweise bei ihren Eltern in X.________ auf.
 
Mit Verfügung vom 12. Januar 1999 wies das Amt für Ausländerfragen des Kantons Appenzell A.Rh. das Gesuch von A.________ um eine weitere Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung mit der Begründung ab, dass sie sich seit längerer Zeit nur noch sporadisch in der Schweiz aufhalte und zudem nun im Ausland geheiratet und dort einen eigenen Familienstand gegründet habe, so dass sich der Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse nicht mehr in der Schweiz befinde. Die Sicherheitsdirektion des Kantons Appenzell A.Rh. wies den gegen diese Verfügung erhobenen Rekurs am 9. April 1999 ab.
 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Appenzell A.Rh.
 
wies die gegen den Rekursentscheid der Sicherheitsdirektion erhobene Beschwerde am 24. November 1999 ab.
 
B.-Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde, allenfalls staatsrechtlicher Beschwerde vom 17. Februar 2000 beantragt A.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Appenzell A.Rh. vom 24. November 1999 sei aufzuheben und das Amt für Ausländerfragen des Kantons Appenzell A.Rh. anzuweisen, ihre Jahresaufenthaltsbewilligung antragsgemäss zu verlängern.
 
Das Verwaltungsgericht hat die kantonalen Akten eingereicht und beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten.
 
Das Amt für Ausländerfragen hat sich nicht vernehmen lassen. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement wurde nicht zur Vernehmlassung eingeladen.
 
C.-Mit Verfügung vom 17. April 2000 ist das in der Beschwerdeschrift gestellte Gesuch um vorsorgliche Massnahmen abgewiesen worden.
 
D.-Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung wurde ein Beweisverfahren durchgeführt (Schreiben des Abteilungspräsidenten vom 22. Februar und 9. März 2000, Eingabe des Vertreters der Beschwerdeführerin vom 7. März 2000, Antworten der Gemeindekanzlei Y.________ vom 13. März und von B.________, Z.________, vom 16. März 2000).
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.-Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist, gleich wie die staatsrechtliche Beschwerde, innert 30 Tagen seit Eröffnung des anzufechtenden Entscheids beim Bundesgericht einzureichen (Art. 106 Abs. 1 bzw. Art. 89 Abs. 1 OG).
 
Das Urteil des Verwaltungsgerichts wurde dem Vertreter der Beschwerdeführerin am 18. Januar 2000 zugestellt, sodass die Beschwerdefrist am 17. Februar 2000 abgelaufen ist. Wohl stellt sich angesichts des Poststempels der Poststelle St. Gallen Briefzentrum ("18.-2.00--2") auf dem Briefumschlag, in welchem die Beschwerde eingereicht wurde, die Frage, ob die Beschwerde in der Nacht vom 17. auf den
 
18. Februar 2000 erst nach Mitternacht in den Postbriefkasten eingeworfen wurde; aus der schriftlichen Auskunft von B.________ vom 16. März 2000 lässt sich, erst recht unter Berücksichtigung der Eingabe der Gemeindekanzlei Y.________ vom 13. März 2000, hingegen mit genügender Bestimmtheit schliessen, dass die Beschwerde noch am 17. Februar 2000, d.h. rechtzeitig der Post übergeben worden ist.
 
2.-Die Beschwerdeführerin erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde. Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer anderen Bundesbehörde gerügt werden kann (Art. 84 Abs. 2 OG). Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist auf dem Gebiete der Fremdenpolizei unzulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt (Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG).
 
a) Angefochten ist ein Entscheid, womit die Verlängerung der am 29. August 1998 abgelaufenen Aufenthaltsbewilligung verweigert wird. Kein Anspruch auf Bewilligungsverlängerung lässt sich aus dem Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142. 20) oder einem anderen Bundesgesetz ableiten. Art. 9 Abs. 1 lit. c ANAG, welchen die Beschwerdeführerin erwähnt, ist nicht einschlägig, da nicht das Erlöschen einer Aufenthaltsbewilligung durch tatsächliche Aufgabe des Aufenthalts zu beurteilen ist; vielmehr steht unstreitig fest, dass die Bewilligung mit dem Ablauf der Bewilligungsfrist am 29. August 1998 gemäss Art. 9 Abs. 1 lit. a ANAG erloschen ist.
 
b) Die Beschwerdeführerin will einen Anspruch auf Erneuerung der Aufenthaltsbewilligung offenbar vorerst aus Art. 9 BV ableiten, wonach jede Person Anspruch darauf hat, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
 
Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung anerkannt, dass sich aus dem aus Art. 4 aBV abgeleiteten und nun in Art. 9 BV ausdrücklich festgeschriebenen Vertrauensgrundsatz ein Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung ergeben kann (Alain Wurzburger, La jurisprudence récente du Tribunal Fédéral en matière de police des étrangers, in: RDAF 53/1997 S. 305 f.): Nach diesem allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzip wirkt eine (selbst unrichtige) Auskunft oder Zusicherung bindend, wenn sich diese auf eine konkrete, den Bürger betreffende Angelegenheit bezieht; die Amtsstelle, welche die Auskunft erteilt hat, hierfür zuständig war oder als zuständig erachtet werden durfte; die Unrichtigkeit des Bescheids für den Betroffenen nicht ohne weiteres erkennbar war und er im Vertrauen darauf nicht wieder rückgängig zu machende Dispositionen getroffen hat; zudem muss die Rechtslage bei Verwirklichung des Tatbestands die gleiche sein wie im Zeitpunkt der Auskunftserteilung (BGE 118 Ia 245 E. 4b S. 254; 117 Ia 285 E. 2b S. 287).
 
Da die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde davon abhängt, ob ein (bedingter) Rechtsanspruch auf Bewilligung besteht, genügt es nicht, wenn der Ausländer sich auf den Vertrauensgrundsatz beruft. Umgekehrt ist nicht schon im Rahmen der Eintretensfrage zu prüfen, ob sämtliche Voraussetzungen für die Annahme einer die Behörden bindenden Zusicherung erfüllt sind. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist dann zuzulassen, wenn die Sachdarstellung in der Beschwerde geeignet ist, eine Bindungswirkung aufgrund des Vertrauensgrundsatzes mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit als möglich erscheinen zu lassen, d.h. einen Sachvortrag vorauszusetzen, der - wenn er zutrifft - den entsprechenden Anspruch verschafft (nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 8. Juni 1998 i.S. Ringstad E. 3b/bb).
 
Die Tatsache allein, dass der Beschwerdeführerin die Bewilligung während Jahren erneuert wurde, erscheint nicht als Zusicherung weiterer Bewilligungsverlängerungen.
 
Im Übrigen hat sich die Situation der Beschwerdeführerin durch die Heirat gerade in fremdenpolizeilicher Hinsicht massgeblich geändert. Die Beschwerdeführerin hat keinen Sachverhalt behauptet, welcher geeignet wäre, unter dem Gesichtspunkt von Art. 9 BV einen Bewilligungsanspruch zu bejahen; insofern ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zulässig.
 
c) Weiter will die Beschwerdeführerin einen Bewilligungsanspruch aus Art. 8 EMRK ableiten. Wohl schützt diese Konventionsnorm die familiären Beziehungen zu Verwandten in einem weiteren Sinn. Ein Anspruch auf Erteilung (oder Verlängerung) einer fremdenpolizeilichen Bewilligung besteht nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung jedoch nur dann, wenn durch die Bewilligungsverweigerung eine Trennung von den nächsten Familienangehörigen, die ihrerseits eine gefestigte Anwesenheit in der Schweiz haben, bewirkt wird (Vereitelung des Zusammenlebens von Ehegatten bzw. von Eltern und minderjährigen Kindern; grundlegend BGE 109 Ib 183). Die Beziehung zu anderen Verwandten, insbesondere die Beziehung zwischen Eltern und volljährigen Kindern, fallen unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf fremdenpolizeiliche Bewilligung grundsätzlich, vorbehältlich besonderer Umstände (wie z.B. bei einem eigentlichen Abhängigkeitsverhältnis) ausser Betracht (vgl. BGE 120 Ib 257 E. 1d und e S. 260 ff.; 115 Ib 1). Besondere Umstände liegen im Falle der Beschwerdeführerin nicht vor: Im Gegenteil, sie verbrachte die letzten Jahre vorwiegend in ihrer Heimat und ist neuerdings dort verheiratet. Die Voraussetzungen zur Zuerkennung eines Bewilligungsanspruchs gemäss Art. 8 EMRK gestützt auf die Beziehung zu ihren Eltern sind offensichtlich nicht erfüllt.
 
d) Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG unzulässig ist, ist noch zu prüfen, ob darauf als staatsrechtliche Beschwerde eingetreten werden kann.
 
Die Beschwerdeführerin erleidet, da sie keinen Rechtsanspruch auf Aufenthaltsbewilligung hat, durch die Verweigerung von deren Verlängerung keine Rechtsverletzung, und sie ist zur staatsrechtlichen Beschwerde in der Sache selbst (Bewilligungsverweigerung) grundsätzlich nicht legitimiert (Art. 88 OG; vgl. BGE 123 I 25 E. 1 S. 26; 122 I 267 E. 1a S. 270 zu Art. 4 aBV; zur Publikation bestimmtes Urteil i.S. P. vom 3. April 2000 betreffend Art. 9 der Bundesverfassung vom 18. April 1999).
 
Rügen könnte die Beschwerdeführerin hingegen, dass ihr zustehende Parteirechte verletzt worden seien, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt (grundlegend: BGE 114 Ia 307 E. 3c S. 312 ff.; vgl. BGE 123 I 25 E. 1 S. 26 f.; 122 I 267 E. 1b S. 270). Dabei sind aber Rügen nicht zu hören, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des Bewilligungsentscheids abzielen, so die Behauptung, Beweisanträge seien wegen Unerheblichkeit oder willkürlicher antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt worden und die Begründung des angefochtenen Entscheids sei unvollständig oder zu wenig differenziert ausgefallen und setze sich nicht mit sämtlichen von der Partei vorgetragenen Argumenten auseinander (vgl. BGE 118 Ia 232 E. 1c S. 236; 117 Ia 90 E. 4a S. 95; 114 Ia 307 E. 3c S. 313). Soweit die Beschwerdeführerin den kantonalen Behörden vorwirft, sie hätten den Sachverhalt nicht genügend abgeklärt und kein Beweisverfahren durchgeführt, erhebt sie ausschliesslich derartige unzulässige Rügen. In diesem Zusammenhang kann die Beschwerdeführerin übrigens auch nicht Art. 6 Ziff. 1 EMRK anrufen, findet doch diese Konventionsnorm in Verfahren betreffend fremdenpolizeiliche Bewilligung keine Anwendung.
 
Auf die Beschwerde kann damit auch als staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden.
 
Anlass für einen zweiten Schriftenwechsel besteht unter diesen Umständen nicht; weitere Beweisvorkehren erübrigen sich.
 
3.-a) Auf die Beschwerde ist, im vereinfachten Verfahren (Art. 36a OG), nicht einzutreten.
 
b) Die Beschwerdeführerin hat um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ersucht. Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, erscheinen die Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin zum Vornherein aussichtslos, und das Gesuch ist schon aus diesen Gründen abzuweisen (vgl. Art. 152 OG). Demzufolge hat die Beschwerdeführerin die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.-Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.-Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3.-Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4.-Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Sicherheitsdirektion und dem Verwaltungsgericht des Kantons Appenzell A.Rh. sowie dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.
 
______________
 
Lausanne, 5. Mai 2000
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).