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Informationen zum Dokument  BGer U 312/1998  Materielle Begründung
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BGer U 312/1998 vom 17.07.2000
 
«AZA 7»
 
U 312/98 Hm
 
III. Kammer
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; Gerichtsschreiber Lauper
 
Urteil vom 17. Juli 2000
 
in Sachen
 
H.________, 1948, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Werner Goldmann, Dorfstrasse 16, Baar,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Luzern, Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Zug
 
A.- Der 1948 geborene H.________ steht seit Februar 1979 wegen eines im Jahre 1977 erlittenen Berufsunfalls (Diskushernie L4/5 mit nachfolgender Hemilaminektomie, residuale Lumbo-Ischialgien) im Genusse einer Invalidenrente der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA), welche ab März 1982 revisionsweise von 30 % auf 20 % herabgesetzt wurde. Diese Verwaltungsakte (vom 9. April 1979 und 10. Februar 1982) sind unangefochten in Rechtskraft erwachsen.
 
Nach einem Bagatellunfall (vom 7. April 1992), welcher folgenlos abheilte und für den die Anstalt die gesetzlichen Leistungen erbrachte, klagte H.________ über starke Rückenbeschwerden. Die SUVA, welche das Leiden als Rückfall zum Primärunfall von 1977 anerkannte, ordnete eine dreiwöchige stationäre physikalische Therapie in der Rehabilitationsklinik Bellikon an (Bericht vom 11. September 1992) und liess den seit April 1992 vollständig arbeitsunfähig geschriebenen Versicherten wiederholt spezialmedizinisch (Gutachten der Orthopädischen Universitätsklinik X.________ vom 29. Januar 1993 und vom 20. Juli 1994, Bericht Dr. med. W.________, Orthopädische Chirurgie FMH, vom 20. Juli 1993) und kreisärztlich (Berichte Dr. med. S.________ vom 16. März, 17. Juni und 12. August 1993) untersuchen. Gestützt darauf sowie auf den Bericht des Dr. med. P.________, Spezialarzt FMH für Chirurgie von der Abteilung Unfallmedizin der SUVA (vom 17. November 1994), stellte sie ihre bisherigen Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld) auf Ende 1994 ein und richtete H.________ für die Zeit anschliessend eine Invalidenrente im Rahmen der bisherigen Invalidität von 20 % bei im Übrigen unveränderten Rentenbemessungsfaktoren aus (Verfügung vom 5. April 1995). Daran hielt sie nach Einholung von Berichten der Klinik Y.________ (vom 15. Februar und 7. März 1996) sowie einer ergänzenden Stellungnahme des Dr. med. P.________ vom 21. Mai 1996 fest (Einspracheentscheid vom 18. Juni 1996).
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug nach Beizug eines Gutachtens der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) Zentralschweiz, Luzern, vom 3. Januar 1997 ab (Entscheid vom 17. September 1998).
 
C.- H.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und sinngemäss beantragen, es sei ihm, in Aufhebung des vorinstanzlich bestätigten Einpracheentscheides, eine Rente auf der Grundlage einer mindestens 30 %igen Invalidität zuzusprechen.
 
Die SUVA trägt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen ist die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG).
 
2.- Die Vorinstanz hat die massgeblichen gesetzlichen Bestimmungen betreffend den Anspruch auf eine Invalidenrente und deren Revision (Art. 76 aKUVG), die Wiederaufnahme der ärztlichen Behandlung (Art. 81 aKUVG), den Leistungsanspruch bei Rückfällen und Spätfolgen (Art. 81 Abs. 1 aKUVG bzw. Art. 11 UVV; BGE 118 V 296 Erw. 2c; RKUV 1994 Nr. U 198 S. 138 f.) sowie die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, 117 V 376 Erw. 3a mit Hinweisen) und adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 123 III 112 Erw. 3a, 123 V 103 Erw. 3d, 139 Erw. 3c, 122 V 416 Erw. 2a, je mit Hinweisen) zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod), insbesondere auch zur Adäquanzbeurteilung bei Unfällen und der in Folge eingetretenen psychischen Fehlentwicklung mit Einschränkung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit (BGE 115 V 133; vgl. auch BGE 120 V 355 Erw. 5b/aa), zutreffend wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden.
 
Zu ergänzen ist, dass für die Invaliditätsbemessung nicht auf die medizinisch-theoretische Schätzung abzustellen ist, wie sie der Arzt auf Grund medizinischer Erfahrungswerte in vergleichbaren Fällen vornimmt (BGE 105 V 207 f., 98 V 173; ZAK 1980 S. 597, 1970 S. 291); entscheidend sind vielmehr die erwerblichen Auswirkungen der festgestellten Arbeitsunfähigkeit.
 
3.- a) Das kantonale Gericht hat in Würdigung der zahlreichen medizinischen Unterlagen, insbesondere des Berichts des Dr. med. P.________ vom 17. November 1994 sowie des Gutachtens der MEDAS vom 3. Januar 1997, richtig dargelegt, dass weder die Voraussetzungen für eine weitere medizinische Behandlung (Art. 21 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 118 Abs. 2 lit. a UVG) über den 1. Januar 1995 hinaus gegeben sind noch sich die auf das versicherte Ereignis von 1977 zurückzuführenden somatischen Unfallfolgen in erheblicher Weise geändert haben. Was hiegegen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht wird, vermag nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen. Aus dem alleinigen Umstand, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des Abklärungs- und Behandlungsprozesses über mehr als zwei Jahre hinweg ein Taggeld basierend auf einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit bezogen hat, kann er nichts zu seinen Gunsten ableiten, da sich die Höhe des Taggeldes nicht nach dem Grad der Erwerbs-, sondern in erster Linie der Arbeitsunfähigkeit bemisst. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben konnte und ihm deshalb die Beschwerdegegnerin eine 100 %ige Arbeitsunfähigkeit zuerkannte, bedeutet daher nicht, dass der Invaliditätsgrad ebenfalls 100 % betragen muss. Vielmehr können sich mit Blick auf die unterschiedlichen Bemessungsmethoden verschiedene Resultate ergeben. Nicht durchzudringen vermag er auch mit dem Hinweis auf die von den Ärzten der MEDAS festgestellte (somatische) Arbeitsunfähigkeit von 30 %. Abgesehen davon, dass es sich dabei bloss um eine für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit nicht massgebliche medizinisch-theoretische Schätzung handelt, ist festzustellen, dass darin auch die von der MEDAS erhobenen unfallfremden degenerativen Veränderungen der LWS mitenthalten sind, für welche die Beschwerdegegnerin nicht einzustehen hat.
 
b) Bezüglich der psychischen Störungen steht auf Grund der medizinischen Akten fest und ist im Übrigen unbestritten, dass der Arbeitsunfall zumindest eine Teilursache für die psychische Gesundheitsstörung darstellt, was für die Bejahung des natürlichen Kausalzusammenhangs rechtsprechungsgemäss (BGE 119 V 338 mit Hinweis) genügt.
 
In Anbetracht des augenfälligen Geschehensablaufes und der vom Beschwerdeführer erlittenen Verletzung ist der Unfall von 1977 mit der Vorinstanz dem mittleren Bereich im Grenzbereich zu den leichten Fällen zuzuordnen. Das Ereignis selber kann weder als besonders eindrücklich bezeichnet werden noch lagen besonders dramatische Begleitumstände vor. Bei der Diskushernie handelt es sich sodann nicht um eine schwere Verletzung, die erfahrungsgemäss geeignet wäre, eine psychische Fehlentwicklung auszulösen. Von einer ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung kann nicht ernsthaft gesprochen werden, und es ist auch keine ärztliche Fehlbehandlung ausgewiesen, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmerte. Einzig das Kriterium der körperlichen Dauerschmerzen ist, wie die Vorinstanz richtig bemerkt, erfüllt. Der ausgewiesene Grad der somatisch bedingten Arbeitsunfähigkeit (20 %) ist auch im Zusammenhang mit den Dauerschmerzen nicht geeignet, die Adäquanz des Kausalzusammenhanges zu begründen. Eine gesamthafte Würdigung des Unfallereignisses und der damit zusammenhängenden, objektivierbaren Faktoren führt daher zum Schluss, dass dem Ereignis von 1977 für die Entstehung der psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit keine massgebende Bedeutung zukommt. Da zwischen dem Unfall und anhaltenden psychischen Beschwerden und der damit verbundenen Arbeitsunfähigkeit kein adäquater Kausalzusammenhang besteht, hat die Beschwerdegegnerin bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades zu Recht nicht darauf abgestellt.
 
c) Im Lichte des Gesagten erweist sich der vorinstanzlich bestätigte Einspracheentscheid als rechtens.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-
 
richt des Kantons Zug und dem Bundesamt für Sozial-
 
versicherung zugestellt.
 
Luzern, 17. Juli 2000
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der III. Kammer:
 
i.V.
 
Der Gerichtsschreiber:
 
i.V.
 
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