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Informationen zum Dokument  BGer I 190/2000  Materielle Begründung
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BGer I 190/2000 vom 04.09.2000
 
[AZA 7]
 
I 190/00 Hm
 
III. Kammer
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer;
 
Gerichtsschreiberin Helfenstein
 
Urteil vom 4. September 2000
 
in Sachen
 
B.________, 1933, Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, Zuchwil, Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn
 
A.- Der 1933 geborene B.________ bezog seit 1. Januar 1992 eine halbe Rente der Invalidenversicherung mit entsprechender Zusatzrente für seine Ehefrau J.________. Am 1. April 1993 wurde die Ehe geschieden. Nachdem die IV-Stelle des Kantons Solothurn von dieser Zivilstandsänderung Kenntnis erhalten hatte, stellte sie die Zusatzrente ab Januar 1999 ein und verfügte am 1. April 1999 die Rückforderung von Fr. 12'977.-- für die zwischen August 1993 und Dezember 1998 zu Unrecht bezogenen Zusatzrenten.
 
B.________ liess am 30. April 1999 ein Gesuch um Erlass der Rückerstattung stellen, welches die IV-Stelle mit Verfügung vom 1. Juni 1999 ablehnte.
 
B. - Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 18. Februar 2000 ab.
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt B.________, das Erlassgesuch sei gutzuheissen.
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen lässt.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
 
2.- Die Vorinstanz hat die massgebenden Bestimmungen über die Rückerstattung zu Unrecht bezogener Leistungen (Art. 47 AHVG in Verbindung mit Art. 49 IVG) sowie deren Erlass (Art. 79 AHVV in Verbindung mit Art. 85 Abs. 3 IVV) zutreffend wiedergegeben. Richtig sind auch die Ausführungen zur Meldepflicht (Art. 77 IVV). Darauf kann verwiesen werden.
 
3.- Mit zutreffender Begründung hat die Vorinstanz eine nicht leicht zu nehmende Verletzung der Meldepflicht angenommen und damit das Vorliegen des guten Glaubens als Voraussetzung für einen Erlass der Rückerstattung verneint.
 
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nichts vorgebracht, was zu einer anderen Beurteilung führen könnte.
 
Der Umstand, dass der Versicherte durch seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die Scheidung und die Arbeitslosigkeit überfordert war und deshalb angeblich den Bezug der Zusatzrente gar nicht realisierte, ist nicht geeignet, ein grobfahrlässiges Verhalten zu verneinen. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer tatsächlich nicht erkannte, dass mit seiner Scheidung ein meldepflichtiger Umstand vorlag oder ob er - wie aus seinen Äusserungen anlässlich der im vorinstanzlichen Verfahren durchgeführten Parteiverhandlung geschlossen werden könnte - sogar um den unrechtmässigen Bezug der Zusatzrente wusste, sich aber auf Grund seiner persönlichen Situation ausser Stande fühlte, der IV-Stelle Meldung zu machen.
 
Wie das kantonale Gericht zu Recht ausführt, hätte der Versicherte bei Anwendung der ihm auch in der vorliegenden Situation zumutbaren Aufmerksamkeit erkennen müssen, dass er auf Grund seiner Scheidung keinen Anspruch mehr auf die Zusatzrenten hatte, bezog er doch die Zusatzrenten während rund fünf Jahren nach der Scheidung und wurde er in dieser Zeit mehrmals auf die Meldepflicht aufmerksam gemacht.
 
Zudem wurde die Zusatzrente für die Ehefrau in den Verfügungen jeweils separat ausgewiesen, und es war - anders als zum Beispiel bei einem Anspruch auf Ergänzungsleistungen, bei welchem die Änderung eines meldepflichtigen Umstandes eine neue Berechnung erfordert und so die Auswirkung einer Änderung oft nicht auf den ersten Blick erkennbar ist -, für den Versicherten vorliegend nicht schwierig festzustellen, dass der Anspruch auf Zusatzrente für die Ehefrau bei einer Scheidung ganz wegfällt.
 
Im Übrigen wäre nicht einzusehen, weshalb der Beschwerdeführer trotz Kenntnis des unrechtmässigen Leistungsbezuges der IV-Stelle seit seiner Scheidung im April 1993 diese Zivilstandsänderung über eine Dauer von fünf Jahren nicht hätte melden können. Bei einer einmaligen Fristversäumnis kann unter Umständen eine schwere Erkrankung oder ein Spitalaufenthalt unter Berücksichtigung eines entsprechenden Arztzeugnisses als entschuldbarer Grund betrachtet werden, wenn der Versicherte gerade in der massgeblichen Zeit verhindert war, die nötige Handlung vorzunehmen (BGE 112 V 255 Erw. 2a). Vorliegend ging es jedoch nicht um die Wahrung einer bestimmten Frist, und es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner persönlichen Situation in den fünf Jahren des unrechtmässigen Bezugs der Zusatzrenten nie in der Lage gewesen wäre, der IV-Stelle die Zivilstandsänderung zur Kenntnis zu bringen oder eine Drittperson mit dieser Meldung zu beauftragen.
 
Der Vollständigkeit halber ist anzufügen, dass dahingestellt bleiben kann, ob auch die Beratungsstelle die Scheidung hätte melden oder mindestens den Versicherten zur Meldung hätte auffordern müssen, nachdem sie den Versicherten seit Oktober 1995 betreute. Denn der Versicherte müsste sich ein fehlerhaftes Verhalten einer Drittperson ohnehin selbst anrechnen lassen (BGE 112 V 104 Erw. 3b). Es muss daher bei der Feststellung sein Bewenden haben, dass sich der Beschwerdeführer nicht auf den guten Glauben zu berufen vermag, weshalb die Rückerstattung nicht zu erlassen ist.
 
Bei diesem Ergebnis kann sich die Frage der grossen Härte als weiterer Erlassvoraussetzung nicht stellen.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
II. Die Gerichtskosten von total Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 4. September 2000
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der III. Kammer:
 
Die Gerichtsschreiberin:
 
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