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Informationen zum Dokument  BGer C 153/2000  Materielle Begründung
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BGer C 153/2000 vom 06.10.2000
 
[AZA 7]
 
C 153/00 Vr/Gb
 
II. Kammer
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari;
 
Gerichtsschreiberin Helfenstein
 
Urteil vom 6. Oktober 2000
 
in Sachen
 
I.________, Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Amt für Arbeit, Unterstrasse 22, St. Gallen, Beschwerdegegner,
 
und
 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen
 
A.- Mit Verfügung vom 19. Oktober 1998 stellte das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit St. Gallen (seit 1. Juli 1999 und nachstehend: Amt für Arbeit) I.________ wegen Ablehnung der ihm durch das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum X.________ (nachstehend: RAV X.________) zugewiesenen vorübergehenden Beschäftigung im Rahmen des Einsatzprogrammes "Wartau" für die Dauer von 31 Tagen ab 2. Oktober 1998 in der Anspruchsberechtigung ein.
 
B.- Die von I.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 5. April 2000 teilweise gut, indem es die Dauer der Einstellung auf 20 Tage reduzierte.
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt I.________ die Aufhebung der Einstellung in der Anspruchsberechtigung.
 
Das Amt für Arbeit verzichtet auf eine Stellungnahme, während sich das Staatssekretariat für Wirtschaft nicht vernehmen lässt.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- a) Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen über die Einstellung in der Anspruchsberechtigung bei Nichtbefolgen einer Weisung des Arbeitsamtes, namentlich bei Ablehnung einer zugewiesenen zumutbaren Arbeit (Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG) und die verschuldensabhängige Dauer der Einstellung (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG, Art. 45 Abs. 2 AVIV) richtig wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden.
 
b) Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, handelt es sich bei der dem Beschwerdeführer zugewiesenen Tätigkeit um eine vorübergehende Beschäftigung im Sinne von Art. 72 Abs. 1 AVIG. Diese ist subsidiärer Natur und kommt erst in Frage, wenn dem Versicherten keine zumutbare Beschäftigung zugewiesen werden kann und keine andere arbeitsmarktliche Massnahme angezeigt ist (Art. 72a Abs. 1 AVIG; Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR] Rz 666). Anders als bei der Zuweisung einer Stelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beurteilt sich die Frage, ob eine dem Versicherten im Sinne von Art. 72 Abs. 1 AVIG zugewiesene vorübergehende Beschäftigung diesem zumutbar ist, laut Art. 72a Abs. 2 AVIG in sinngemässer Anwendung von Art. 16 Abs. 2 lit. c AVIG. Es ist deshalb einzig zu prüfen, ob die zugewiesene vorübergehende Beschäftigung dem Alter, den persönlichen Verhältnissen oder dem Gesundheitszustand des Versicherten nicht angemessen und damit unzumutbar ist. Die weiteren Kriterien von Art. 16 Abs. 2 lit. a, b sowie d-i AVIG sind unbeachtlich.
 
2.- a) Es steht fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer die ihm vom RAV X.________ zugewiesene, vorübergehende Beschäftigung ab 1. Oktober 1998 im Rahmen des Einsatzprogrammes "Wartau" ablehnte, weil er davon ausging, die ihm zugewiesene Beschäftigung sei ihm nicht zumutbar, da sie nicht auf seine Fähigkeiten und seine bisherigen Tätigkeiten Rücksicht nehme.
 
b) Aus den Akten ergeben sich keine Hinweise, wonach die zugewiesene vorübergehende Beschäftigung dem Alter, den persönlichen Verhältnissen oder dem Gesundheitszustand des Versicherten nicht angemessen gewesen wäre. Damit ist einzig zu prüfen, ob trotz des Rechtsirrtums des Versicherten bezüglich der Zumutbarkeit die Einstellung in der Anspruchsberechtigung zu Recht erfolgte.
 
Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz besagt, dass niemand aus seiner eigenen Rechtsunkenntnis Vorteile ableiten kann (BGE 124 V 220 Erw. 2b/aa mit Hinweisen; ZAK 1991 S. 375 Erw. 3c und ARV 1985 Nr. 13 S. 52 Erw. 4b mit Hinweis auf BGE 98 V 258). Eine vom Gesetz abweichende Behandlung kommt nur in Betracht, wenn sich der Versicherte auf den Vertrauensschutz berufen kann, wenn also die praxisgemäss notwendigen fünf Voraussetzungen für eine erfolgreiche Berufung auf den öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutz erfüllt sind (BGE 121 V 71 Erw. 3 mit Hinweis). Dafür erforderlich ist zunächst, dass die Verwaltung tatsächlich eine falsche Auskunft erteilt hat. Bezüglich des Vertrauensschutzes bei der Unterlassung von Auskünften ist festzuhalten, dass die zuständigen Amtsstellen zwar einen gesetzlich zugewiesenen Informationsauftrag haben (Art. 20 Abs. 4 AVIG), dieser sich jedoch darauf beschränkt, den arbeitslosen Versicherten auf die ihm gemäss Art. 17 AVIG obliegenden Pflichten aufmerksam zu machen. Deshalb ist eine Berufung auf den Vertrauensschutz wegen unterlassener weitergehender Auskünfte unbegründet, sofern nicht konkrete Umstände eine ausserhalb der gesetzlich statuierten Verpflichtung liegende Aufklärung im Sinne der Rechtsprechung aufdrängen (unveröffentlichtes Urteil R. vom 23. Februar 1994, C 12/93).
 
c) Vorliegend mangelt es an der Voraussetzung der falschen Auskunftserteilung. Die vom Beschwerdeführer erwähnte Broschüre muss zwar insofern als unvollständig bezeichnet werden, als darin nur die Zumutbarkeitsvoraussetzungen bei Zuweisung einer Tätigkeit auf dem normalen Arbeitsmarkt aufgeführt sind und nicht ersichtlich ist, dass bei vorübergehenden Beschäftigungen nicht alle diese Kriterien Geltung haben. Massgebend ist indes, dass die fragliche Auskunft - anders als beispielsweise im in BGE 109 V 55 beurteilten Fall - nicht mittels der Broschüre erteilt wurde, sondern dass die zuständigen Amtsstellen RAV X.________ und Amt für Arbeit den Versicherten bezogen auf seinen konkreten Fall immer klar und insofern auch richtig darauf hinwiesen, dass er zur Teilnahme am Einsatzprogramm verpflichtet war und bei Ablehnung entsprechende Sanktionen zu gewärtigen hatte. Seine Schlussfolgerung traf der Versicherte selbst auf Grund der in anderem Zusammenhang abgegebenen Broschüre. Den zuständigen Amtsstellen kann deshalb eine unrichtige Auskunftserteilung bezogen auf den konkreten Fall nicht zum Vorwurf gemacht werden. Daran ändert nichts, dass es das RAV X.________ wie auch das Amt für Arbeit trotz der Einwendungen des Versicherten versäumten, diesen auf den Unterschied in der Beurteilung der Zumutbarkeit hinzuweisen.
 
Damit ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer nicht auf den Vertrauensschutz berufen und beanspruchen kann, abweichend von Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG behandelt zu werden.
 
3.- Die von der Vorinstanz auf 20 Tage herabgesetzte Einstellung liegt im unteren Bereich des mittelschweren Verschuldens (Art. 45 Abs. 2 lit. b AVIV). Für dessen Beurteilung ist jedoch von Bedeutung, dass die zuständigen Amtsstellen es unterliessen, rechtzeitig die vom Beschwerdeführer vorgängig ins Feld geführten Argumente betreffend die Zumutbarkeit des Einsatzprogrammes und insbesondere den Irrtum, dem der Beschwerdeführer ersichtlicherweise verfiel, zu entkräften. Das wird durch den Umstand bestätigt, dass noch in der Einladung zur Stellungnahme vom 8. Oktober 1998, ja selbst in der Verfügung vom 19. Oktober 1998 die gesetzlichen Grundlagen der Zumutbarkeit von Art. 16 und 72a Abs. 2 AVIG nicht erwähnt und der entsprechende Unterschied in der Beurteilung bei zugewiesenen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und bei vorübergehenden Beschäftigungen nicht dargelegt wurden, obwohl das RAV X.________ wie auch das Amt für Arbeit den diesbezüglichen Irrtum des Beschwerdeführers als kausal für die Ablehnung der zugewiesenen Tätigkeit betrachteten.
 
Angesichts dieser besonderen Umstände rechtfertigt es sich im Rahmen der Ermessenskontrolle (Art. 132 lit. a OG), das Verschulden bloss als leicht einzustufen, sodass die Einstellung in der Anspruchsberechtigung auf 10 Tage herabzusetzen ist (Art. 45 Abs. 2 lit. a AVIV).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I.In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
 
werden der Entscheid des Versicherungsgerichtes
 
des Kantons St. Gallen vom 5. April 2000 und
 
die Verfügung des Amtes für Arbeit St. Gallen vom 19. Oktober 1998 dahingehend abgeändert, dass die
 
Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung auf
 
10 Tage festgesetzt wird.
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Arbeitslosenkasse des Kantons St. Gallen und dem Staatssekretariat für
 
Wirtschaft zugestellt.
 
Luzern, 6. Oktober 2000
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der II. Kammer:
 
Die Gerichtsschreiberin:
 
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