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Informationen zum Dokument  BGer 1P.609/2000  Materielle Begründung
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BGer 1P.609/2000 vom 07.11.2000
 
[AZA 0/2]
 
1P.609/2000/bmt
 
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
 
**********************************
 
7. November 2000
 
Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der
 
I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
 
Aeschlimann, Ersatzrichterin Pont Veuthey und Gerichtsschreiber Sassòli.
 
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In Sachen
 
K.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet, Rebgasse 1, Postfach 321, Basel,
 
gegen
 
Besonderes Untersuchungsrichteramt des Kantons B a s e l -L a n d s c h a f t,Präsidentin des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft,
 
betreffend
 
Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 5 Ziff. 4 EMRK
 
(Akteneinsicht), hat sich ergeben:
 
A.- K.________ wurde am 12. Mai 2000 in Basel im Rahmen einer Strafuntersuchung wegen Einfuhr, Erwerbs, Lagerns und In Umlaufsetzens falschen Geldes verhaftet und gleichentags in Untersuchungshaft versetzt. Eine gegen den Haftbefehl des Präsidiums des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft gerichtete Beschwerde wurde vom Obergericht des Kantons Basel-Landschaft am 26. Mai 2000 abgelehnt. Mit Beschluss vom 7. Juni 2000 verfügte das Verfahrensgericht die Entlassung von K.________ aus der Untersuchungshaft und ordnete Ersatzmassnahmen an, die es am 28. Juli 2000 wieder aufhob.
 
Mit Schreiben vom 8. Juni 2000 verlangte K.________ vom Besonderen Untersuchungsrichteramt des Kantons Basel-Landschaft Einsicht in sämtliche Verfahrensakten. Am 14. Juni 2000 verweigerte ihm diese Behörde Einsicht in die Akten über Informationen, die zu seiner Anhaltung geführt hatten.
 
Zur Begründung führte sie aus, die Bekanntgabe der betreffenden Erkenntnisse hätte damals ernsthaft den Untersuchungszweck gefährdet. Eine hiergegen gerichtete Beschwerde wies die Präsidentin des Verfahrensgerichts in Strafsachen am 24. August 2000 ab, soweit sie darauf eintrat.
 
B.- Gegen den Beschluss vom 24. August 2000 führt K.________ staatsrechtliche Beschwerde und beantragt dessen Aufhebung sowie eine Anweisung an das Besondere Untersuchungsrichteramt, ihm unverzüglich Akteneinsicht zu gewähren.
 
Er rügt, sein allgemeines Akteneinsichtsrecht nach Art. 29 Abs. 2 BV und sein besonderes Akteneinsichtsrecht im Haftverfahren nach Art. 31 Abs. 2 BV und Art. 5 Ziff. 4 EMRK seien verletzt worden. Ausserdem habe das Besondere Untersuchungsrichteramt die Verweigerung der Akteneinsicht ungenügend begründet.
 
Die Präsidentin des Verfahrensgerichts und das Besondere Untersuchungsrichteramt beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit einer staatsrechtlichen Beschwerde von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 125 I 412 E. 1a S. 414 mit Hinweisen).
 
a) Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich nur gegen Endentscheide zulässig. Solche schliessen ein Verfahren vorbehältlich der Weiterziehung an eine höhere Instanz ab, sei es durch einen Entscheid in der Sache selbst (Sachentscheid), sei es aus prozessualen Gründen (Prozessentscheid).
 
Zwischenentscheide stellen hingegen bloss einen Schritt auf dem Weg zum Endentscheid dar. Sie können sowohl prozessuale Fragen, zu denen die Akteneinsicht im Strafverfahren gehört, als auch vorausnehmend eine Frage des materiellen Rechts betreffen (BGE 123 I 325 E. 3b S. 327 mit Hinweisen).
 
Nach Art. 87 Abs. 2 OG kann gegen Zwischenentscheide, die weder die Zuständigkeit noch ein Ausstandsbegehren betreffen, nur dann selbstständig staatsrechtliche Beschwerde geführt werden, wenn diese einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können. Der Nachteil muss rechtlicher Natur sein, was nur der Fall ist, wenn er auch durch einen dem Beschwerdeführer günstigen Endentscheid nicht mehr behoben werden kann (BGE 126 I 207 E. 2 S. 210 mit Hinweisen). Nach der Praxis des Bundesgerichtes ist in der Verweigerung der Akteneinsicht bis zum Abschluss der wesentlichen Untersuchungshandlungen bzw. bis zum Erreichen des Untersuchungszweckes grundsätzlich kein im Endentscheid nicht wieder gutzumachender Nachteil zu erblicken (so zur bis zum 29. Februar 2000 geltenden Fassung von Art. 87 OG [AS 1944 295], welche in diesem Zusammenhang dieselbe Frage aufwarf, die unveröffentlichten Urteile des Bundesgerichts vom 26. April 1996 i.S. B. E. 2c; vom 26. Januar 1994 i.S.
 
F. E. 3; vom 13. Juli 1993 i.S. A. E. 1c; vom 24. September 1990 i.S. R. E. 5c; vgl. auch BGE 101 Ia 161).
 
Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab und verweigert ihm auch nicht endgültig die Einsicht in gewisse Untersuchungsakten.
 
Vielmehr betont die Präsidentin des Verfahrensgerichts, dass der Beschwerdeführer gemäss § 125 Abs. 3 des basellandschaftlichen Gesetzes vom 3. Juni 1999 betreffend die Strafprozessordnung (StPO/BL; SGS 251) nach Vornahme der wesentlichen Untersuchungshandlungen Anspruch auf volle Akteneinsicht habe. Es handelt sich somit um einen Zwischenentscheid.
 
Dieser betrifft weder die Zuständigkeit noch ein Ausstandsbegehren. Er kann auch keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil für das Strafverfahren bewirken, da dem Beschwerdeführer vor Abschluss des Verfahrens volle Akteneinsicht gewährt werden wird. Daher ist der Entscheid nicht selbstständig anfechtbar, soweit er die Akteneinsicht des Beschwerdeführers im Strafverfahren betrifft.
 
b) Der Beschwerdeführer rügt ebenfalls, sein spezifisches Akteneinsichtsrecht im Haftprüfungsverfahren, das aus Art. 31 BV und Art. 5 EMRK fliesse, sei verletzt worden.
 
Unter der bis zum 29. Februar 2000 gültigen Fassung von Art. 87 OG hat das Bundesgericht entschieden, dass eine Verfügung über die Beschränkung des Akteneinsichtsrechts im Haftanordnungs- oder Haftverlängerungsverfahren sogleich mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar ist, da sich das Akteneinsichtsrecht in einem solchen Fall auch aus der persönlichen Freiheit ergebe (vgl. unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichts vom 26. Januar 1994 i.S. F. E. 3). Im Ergebnis muss an dieser Praxis auch unter dem neuen Art. 87 Abs. 2 OG festgehalten werden, da eine Verweigerung der Akteneinsicht im Haftprüfungsverfahren zu einer Fortdauer der Haft führen kann, also zu einem Nachteil, der nicht wieder gutzumachen ist.
 
Im vorliegenden Fall war der Beschwerdeführer jedoch zum Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids schon aus der Haft entlassen, und gegen ihn gerichtete Ersatzmassnahmen waren aufgehoben. Damit fehlt ihm das von Art. 88 OG geforderte aktuelle praktische Interesse, eine Verletzung seines Akteneinsichtsrechts im Haftprüfungsverfahren zu rügen.
 
Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, in dem das Bundesgericht auf ein aktuelles praktisches Interesse verzichtet.
 
Von diesem Erfordernis wird nur abgesehen, wenn sich die aufgeworfenen Fragen jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen können, an deren Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und sofern diese im Einzelfall kaum je rechtzeitig verfassungsgerichtlich geprüft werden könnten (BGE 125 I 394 E. 4b S. 397 f. mit Hinweisen).
 
Im Zusammenhang mit einer Beschwerde gegen eine fortdauernde Haft kann das Bundesgericht jedoch durchaus in die Lage kommen zu prüfen, ob eine Verweigerung der Akteneinsicht im Haftprüfungsverfahren unter den vom Beschwerdeführer kritisierten Umständen mit der BV und der EMRK vereinbar ist (vgl. etwa BGE 115 Ia 293 E. 5a und 6eb S. 302 ff. mit Hinweisen).
 
Ausserdem kann der Beschwerdeführer als Haftentlassener direkt gestützt auf Art. 5 Ziff. 5 EMRK ein Staatshaftungsverfahren anstrengen. In diesem kann er eine Verletzung von Art. 5 EMRK sowie der verfassungs- und gesetzmässigen Verteidigungsrechte, einschliesslich seines Akteneinsichtsrechts, unabhängig vom anwendbaren Staatshaftungsrecht geltend machen. In einem solchen Verfahren muss auch über ein blosses Feststellungsbegehren befunden werden. Aus diesen Gründen fehlt es dem Haftentlassenen nach der Praxis des Bundesgerichts am für eine Anfechtung der Haft nötigen aktuellen praktischen Interesse (vgl. zum Ganzen BGE 125 I 394 E. 4 S. 396 ff. mit Hinweisen). Dasselbe muss umso mehr gelten, wenn wie im vorliegenden Fall nicht die Verfassungswidrigkeit der Haft, sondern nur diejenige einer Verweigerung der Akteneinsicht gerügt wird.
 
2.- Somit kann nicht auf die Beschwerde eingetreten werden. Soweit die Akteneinsicht im Strafverfahren abgelehnt wird, hat die Präsidentin des Verfahrensgerichts lediglich einen Zwischenentscheid getroffen, gegen den eine selbstständige staatsrechtliche Beschwerde nach Art. 87 OG nicht zulässig ist. Soweit der angefochtene Entscheid die Akteneinsicht im Haftprüfungsverfahren betrifft, fehlt dem Beschwerdeführer das von Art. 88 OG geforderte aktuelle praktische Interesse an dessen Aufhebung, da er nicht mehr in Haft ist.
 
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind erfüllt (Art. 152 OG); die Beschwerde erschien nicht von vornherein aussichtslos, und auch die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers ist ausreichend glaubhaft gemacht.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.- Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.- Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt:
 
a) Es werden keine Kosten erhoben.
 
b) Advokat Dr. Nicolas Roulet wird als unentgeltlicher Rechtsbeistand ernannt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit einem Honorar von Fr. 800.-- entschädigt.
 
3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Besonderen Untersuchungsrichteramt und der Präsidentin des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt.
 
______________
 
Lausanne, 7. November 2000
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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