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Informationen zum Dokument  BGer 2A.404/2000  Materielle Begründung
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BGer 2A.404/2000 vom 13.11.2000
 
[AZA 0/2]
 
2A.404/2000/bol
 
II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ***********************************
 
13. November 2000
 
Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
 
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hartmann, Müller und
 
Gerichtsschreiberin Müller.
 
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In Sachen
 
A.________, geb. ***** 1975, B.________, geb. ***** 1979, Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt, Stefan Galligani, Ruederstrasse 8, Schöftland,
 
gegen
 
Fremdenpolizei des Kantons Aargau, Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau,
 
betreffend
 
Ausweisung, hat sich ergeben:
 
A.- Der 1975 geborene, aus dem Kosovo stammende A.________ reiste im Rahmen des Familiennachzuges am 23. Juni 1991 im Alter von 16 Jahren in die Schweiz ein; seit dem 25. April 1997 ist er im Besitz der Niederlassungsbewilligung.
 
Am 28. November 1997 heiratete er in X.________/AG die ebenfalls aus dem Kosovo stammende, 1979 geborene B.________.
 
Mit Urteil vom 10. Juni 1998 verurteilte das Bezirksgericht Brugg A.________ wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind sowie wegen Vorführung von Pornographie an eine Person unter 16 Jahren zu einer Zuchthausstrafe von zwei Jahren. Am 9. März 1999 wurde A.________ bedingt aus dem Strafvollzug entlassen.
 
Mit Verfügung vom 30. März 1999 wies die Fremdenpolizei des Kantons Aargau A.________ für unbestimmte Zeit aus der Schweiz aus; sie verfügte zudem, die Aufenthaltsbewilligung von B.________ werde nicht mehr verlängert. Am 13. Juli 1999 wies die Fremdenpolizei eine dagegen erhobene Einsprache ab. Den Einspracheentscheid fochten A.________ und B.________ erfolglos beim Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau (im Folgenden: Rekursgericht) an.
 
B.- Gegen den Entscheid des Rekursgerichts haben A.________ und B.________ am 11. September 2000 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Sie beantragen, den Entscheid des Rekursgerichts aufzuheben und von einer Ausweisung des Beschwerdeführers abzusehen, eventuell dessen Aufenthalt in der Schweiz mit Auflagen zu verbinden.
 
Sie beantragen zudem, die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin zu verlängern, und ersuchen um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
 
Die Fremdenpolizei des Kantons Aargau hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Rekursgericht und das Bundesamt für Ausländerfragen schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
 
C.- Mit Verfügung vom 19. September 2000 hat der Abteilungspräsident der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.- a) Gegen die sich auf Art. 10 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142. 20) stützende Ausweisungsverfügung ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 OG e contrario; BGE 114 Ib E. 1a S. 2).
 
b) Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus gegen die Erteilung oder Verweigerung von fremdenpolizeilichen Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Die Beschwerdeführerin hat aufgrund von Art. 17 Abs. 2 ANAG grundsätzlich einen Anspruch auf Aufenthalt in der Schweiz; zudem hat sie ein schutzwürdiges Interesse an der Anfechtung der Ausweisung ihres Ehemannes (vgl. Art. 103 lit. a OG). Damit ist auch auf ihre Beschwerde einzutreten.
 
2.- Gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG kann ein Ausländer aus der Schweiz ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft wurde. Die Ausweisung soll jedoch nur ausgesprochen werden, wenn sie nach den gesamten Umständen angemessen erscheint (Art. 11 Abs. 3 ANAG). Hierbei sind vor allem die Schwere des Verschuldens des Ausländers, die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz und die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen (Art. 16 Abs. 3 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, ANAV; SR 142. 201). Die Frage, ob die Ausweisung im Sinne der Art. 11 Abs. 3 ANAG und Art. 16 Abs. 3 ANAV "angemessen", d.h. verhältnismässig sei, ist eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde frei überprüft wird (Art. 104 lit. a OG). Dem Bundesgericht ist es jedoch verwehrt, sein eigenes Ermessen - im Sinne einer Überprüfung der Zweckmässigkeit (Opportunität; vgl. BGE 116 Ib 353 E. 2b) der Ausweisung - an die Stelle desjenigen der zuständigen kantonalen Behörde zu setzen (BGE 125 II 105 E. 2a S. 107, mit Hinweisen).
 
3.- a) Je länger ein Ausländer in der Schweiz anwesend war, desto strengere Anforderungen sind grundsätzlich an die Anordnung einer Ausweisung zu stellen. Zu berücksichtigen ist auch, in welchem Alter der Ausländer in die Schweiz eingereist ist. Selbst bei einem Ausländer, der bereits hier geboren ist und sein ganzes bisheriges Leben in der Schweiz verbracht hat (Ausländer der "zweiten Generation"), ist eine Ausweisung nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht ausgeschlossen. Erst recht gilt dies für Ausländer, die - wie der Beschwerdeführer - erst als Kind oder Jugendlicher in die Schweiz gelangt sind (BGE 125 II 521 E. 2b S. 523 f., mit Hinweisen). Die Ausweisung ist im Übrigen eher zulässig, wenn der Ausländer, obwohl er seit längerer Zeit in der Schweiz wohnt, sich nicht integriert hat, hauptsächlich mit Landsleuten zusammen ist und enge Beziehungen zu seinem Heimatland pflegt sowie dessen Sprache spricht (vgl. Alain Wurzburger, La jurisprudence récente du Tribunal fédéral en matière de police des étrangers, in RDAF 53/1997, S. 314, mit Hinweisen). Bei schweren Straftaten, insbesondere bei Gewalt-, Sexual- und schweren Betäubungsmitteldelikten, besteht ein wesentliches öffentliches Interesse an einer Ausweisung (BGE 122 II 433 E. 2c S. 436).
 
b) Die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten wiegen schwer: Er hat mehrmals mit seiner damals noch nicht 16-jährigen Cousine den Geschlechtsverkehr vollzogen; beim ersten Mal war diese erst zwölfeinhalb Jahre alt. Es ist ihm zwar zugute zu halten, dass er vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden ist, weil das Gericht zum Schluss gekommen war, dass der durch Geldangebote an die Cousine ausgeübte Zwang nicht ausreichte, um den Tatbestand der Vergewaltigung zu erfüllen. Dies ändert aber nichts daran, dass sexuelle Handlungen mit einem Kind als schwere Straftat zu werten sind.
 
Nicht zu hören ist das Argument des Beschwerdeführers, dass er die öffentliche Sicherheit nicht gefährde, da die betreffenden Übergriffe sich im privaten Bereich abgespielt hätten. Art. 10 ANAG verlangt für die Ausweisung nämlich nicht, dass die öffentliche Sicherheit gefährdet ist.
 
Die Beschwerdeführer können sich im vorliegenden Fall auch nicht auf Art. 8 EMRK berufen, denn die Ausweisung des Beschwerdeführers hat die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung seiner Ehefrau zur Folge (s. E. 4 unten); damit aber wird durch die Ausweisung das Ehepaar nicht auseinandergerissen, und ein Eingriff in das durch Art. 8 Ziff. 1 EMRK geschützte Rechtsgut (hier: Familienleben) liegt gar nicht vor. Im Übrigen wäre ein solcher Eingriff jedenfalls durch Art. 8 Ziff. 2 EMRK gerechtfertigt.
 
Damit besteht ein wesentliches öffentliches Interesse an einer Ausweisung des Beschwerdeführers; dieses überwiegt sein privates Interesse an einem Verbleib in der Schweiz, auch wenn die Trennung von seiner Familie und das Leben in dem im Wiederaufbau befindlichen Kosovo ihm sicher nicht leicht fallen werden.
 
4.- Mit der Ausweisung des Beschwerdeführers fällt der Anspruch seiner Ehegattin auf Aufenthalt in der Schweiz dahin; ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ist daher ebenfalls abzuweisen.
 
5.- Die Beschwerde ist nach dem Gesagten offensichtlich unbegründet. Es kommt das vereinfachte Verfahren gemäss Art. 36a OG zur Anwendung. Da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war, ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen (vgl. Art. 152 OG). Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 und 7 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt.
 
4.- Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Fremdenpolizei und dem Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau sowie dem Bundesamt für Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.
 
_____________
 
Lausanne, 13. November 2000
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident:
 
Die Gerichtsschreiberin:
 
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