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Informationen zum Dokument  BGer 5P.344/2000  Materielle Begründung
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BGer 5P.344/2000 vom 15.12.2000
 
[AZA 0/2]
 
5P.344/2000/bie
 
II. Z I V I L A B T E I L U N G ********************************
 
15. Dezember 2000
 
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung,
 
Bundesrichter Bianchi, Bundesrichter Raselli und
 
Gerichtsschreiberin Senn.
 
_________
 
In Sachen
 
A.R.________, 3065 Bolligen, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprech Dr. Peter J. Marti, Untere Sternengasse 1A, 4500 Solothurn,
 
gegen
 
B.R.________, 3015 Bern, Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher Hugo Feuz, Justingerweg 18, Postfach 195, 3000 Bern 6,
 
Appellationshof des Kantons Bern, I. Zivilkammer,
 
betreffend
 
Art. 9 BV (Anschlusspfändung), hat sich ergeben:
 
A.- A.R.________ und B.R.________ heirateten im Jahre 1974. A.R.________ arbeitete damals in Deutschland als Oberärztin.
 
Im Oktober 1975 kam sie in die Schweiz, wo sie weiterhin berufstätig war und schliesslich eine eigene Arztpraxis eröffnete. B.R.________ war Verkaufsleiter bei der Firma X.________ in Bern und wurde im März 1990 vorzeitig pensioniert. Am 1. September 1996 verliess er das eheliche Domizil.
 
B.- Am 11. September 1997 wurde B.R.________ von der Schweizerischen Eidgenossenschaft für Fr. 13'003.-- betrieben.
 
Am 20. Dezember 1997 verlangte A.R.________ die Anschlusspfändung für Fr. 434'317.--. Das Betreibungsamt BernMittelland pfändete den Liquidationsanteil B.R.________'s an der im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten stehenden Liegenschaft sowie ab 22. Dezember 1997 Fr. 2'840.-- monatlich von seinem Einkommen. Da B.R.________ die mit Anschlusspfändung geltend gemachten Ansprüche bestritt, reichte A.R.________ am 19. Juli 1998 beim Gerichtspräsident 3 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen Klage ein mit dem Antrag, ihre mit Anschlusspfändung geltend gemachte Forderung von (inklusive Pfändungskosten) Fr. 434'539. 85 anzuerkennen und das Betreibungsamt anzuweisen, die provisorische Anschlusspfändung definitiv zu vollziehen. Der Gerichtspräsident wies die Klage "zur Zeit" ab, soweit die Klägerin Ansprüche aus Eigengut, als Ersatzforderung für die Tilgung vorehelicher Schulden und aus hälftigem Liegenschaftsunterhalt geltend mache; soweit weitergehend wies er die Klage ab. Er wies das Betreibungsamt an, die provisorische Anschlusspfändung aufzuheben.
 
Auf Appellation der Klägerin hin bestätigte der Appellationshof des Kantons Bern, I. Zivilkammer, den erstinstanzlichen Entscheid.
 
C.- Gegen das Urteil des Appellationshofes hat A.R.________ sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch Berufung eingereicht. Mit der vorliegenden Beschwerde verlangt sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Auf die Einholung von Vernehmlassungen des Beschwerdegegners und des Appellationshofes wurde verzichtet.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG prüft das Bundesgericht im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 118 Ia 64 E. 1b S. 67; 117 Ia 10 E. 4b S. 11; 115 Ia 183 E. 3 S. 185). Auf die Beschwerde wird daher nur insoweit eingetreten, als sie diesen Substanziierungsanforderungen entspricht. Dies ist auf weite Strecken nicht der Fall.
 
Nicht zu hören sind namentlich die Sachverhaltsausführungen der Beschwerdeführerin, soweit sie von den Feststellungen des Appellationshofes abweichen oder diese ergänzen, ohne dass eine zulässige Rüge erhoben wird. Dasselbe gilt, soweit bei der Darstellung der Prozessgeschichte unsubstanziierte Kritik an den kantonalen Urteilen geübt wird; Vorbringen gegen das erstinstanzliche Urteil sind ohnehin unzulässig (Art. 86 Abs. 1 OG).
 
2.- Die Beschwerdeführerin rügt, das angefochtene Urteil verletze das aus Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK fliessende Recht auf ein faires Verfahren. Es stelle eine blosse Abschrift des erstinstanzlichen Urteils dar, dessen Begründung der Appellationshof unbesehen übernommen habe, ohne sich mit ihren Argumenten auseinanderzusetzen.
 
Zudem sei das Beschleunigungsgebot verletzt worden, seien doch von der Klageeinreichung bis zum erstinstanzlichen Urteil anderthalb Jahre und von da bis zum zweitinstanzlichen Urteil noch einmal rund acht Monate vergangen, während Art. 25 Ziff. 1 SchKG vorschreibe, dass beschleunigte Prozesse binnen sechs Monaten durch Haupturteil zu erledigen seien.
 
a) Die Beschwerdeführerin wirft dem Appellationshof pauschal vor, ihre Vorbringen bei der Urteilsfällung missachtet zu haben, legt aber nicht dar, welche Argumente sie vorgebracht hatte und inwiefern deren angebliche Missachtung durch den Appellationshof den angefochtenen Entscheid zu ihrem Nachteil beeinflusste. Damit kommt die Beschwerdeführerin ihrer Substanziierungspflicht nicht nach (E. 1), weshalb ihre Rüge nicht zu hören ist.
 
b) Auch die Rüge der Verletzung des Beschleunigungsgebotes gemäss Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist insoweit ungenügend substanziiert, als die Beschwerdeführerin nicht darlegt, inwiefern sie nach Vorliegen des letztinstanzlichen kantonalen Entscheids noch ein Interesse an der Feststellung einer Rechtsverzögerung hat. Auch darauf ist nicht einzutreten.
 
3.- Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass der Appellationshof die Beurteilung eines Teils ihrer Ansprüche zur Zeit abwies, weil noch keine güterrechtliche Auseinandersetzung stattgefunden hat. Dies laufe auf eine Vereitelung von Bundesrecht und damit auf eine formelle Rechtsverweigerung hinaus und verletze Art. 9 und 30 BV. Nach Art. 299 Abs. 2 ZPO/BE gelte für den Anschlussprozess das ordentliche Verfahren mit der Sondervorschrift für die Behandlung dringlicher Streitsachen. Dies hätte es nicht ausgeschlossen, die Sache dem Eherichter zur Beurteilung zu übertragen. Der für die Anschlusspfändung zuständige Richter dürfe sich daher nicht darauf berufen, dass er derartige Forderungen nicht beurteilen könne.
 
Die Möglichkeit, Klage zu erheben und ein Urteil zu erwirken, gilt als Reflex des objektiven Rechtes (Max Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, Zürich 1979, S. 194 f.). Geht es wie hier um bundesrechtliche Ansprüche, berührt daher die Frage, ob die von der Klägerin erhobenen Ansprüche zur Zeit, d.h. ohne vorangehende güterrechtliche Auseinandersetzung, geltend gemacht werden können und die Klage insoweit zulässig ist, Bundesrecht. Zu Recht erhebt die Beschwerdeführerin die entsprechenden Rügen im konnexen Berufungsverfahren (5C. 189/2000), wogegen die Geltendmachung im vorliegenden Beschwerdeverfahren ausgeschlossen ist (Art. 84 Abs. 2 OG). Die Rüge der formellen Rechtsverweigerung ist somit nicht zu hören. Den Artikeln 9 und 30 BV lässt sich - auch in Verbindung mit Art. 299 ZPO/BE - kein Anspruch auf Überweisung des Verfahrens an den Eherichter entnehmen; die Beschwerdeführerin tut im Übrigen nicht dar, dass sie die entsprechende Kritik schon dem Appellationshof vorgetragen hätte, so dass auf diese Rüge ohnehin nicht einzutreten wäre.
 
4.- Die Beschwerdeführerin erachtet als willkürlich, dass der Appellationshof die Erbringung einer erheblichen Mehrleistung im Sinne von Art. 165 ZGB verneint hat. Es seien sehr einseitige Annahmen zu Gunsten des Beschwerdegegners getroffen worden. Die Beschwerdeführerin habe ihre Auslagen in der massgebenden Zeit von 1988 bis 1996 lückenlos belegt. Bei fehlenden Unterlagen seien Mutmassungen zu Gunsten des Beschwerdegegners getroffen worden. Insbesondere hätte aus Zahlungen des Beschwerdegegners an die Beschwerdeführerin für ärztliche Behandlungen, die ihm von der Krankenkasse zurückerstattet worden seien, nicht der Schluss gezogen werden dürfen, dass er Mehrleistungen erbracht habe.
 
Dasselbe gelte, "wo er die Fr. 1'000.-- einmal auf die Gewerbekasse und dann ins Haushaltskonto bezahlt hat". In welchem Zusammenhang der Appellationshof die fraglichen Annahme getroffen haben soll, inwiefern sie entscheidrelevant sind und welche Aktenstellen ihnen entgegenstehen sollen, legt die Beschwerdeführerin nicht dar; damit kommt sie ihrer Substanziierungspflicht gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht nach (E. 1), weshalb ihre Rüge nicht zu hören ist. Die Beschwerdeführerin behauptet weiter, es sei zu Gunsten des Beschwerdegegners berücksichtigt worden, dass er für Ferien aufgekommen sei, obwohl er diese allein oder mit seiner Freundin verbracht habe. Der Appellationshof hatte diesbezüglich erwogen, es sei unbestritten, dass die Parteien in Zermatt und St. Moritz, wo die fraglichen Bezüge getätigt worden waren, Ferien verbracht hätten. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, inwiefern die Annahme, es habe sich um gemeinsame Ferien gehandelt, willkürlich sein soll; ihre Rüge ist daher mangels genügender Substanziierung (vgl.
 
E. 1) nicht zu hören. Weiter führt die Beschwerdeführerin aus, der Appellationshof habe angenommen, sie habe für das Jahr 1989 keine Steuerzahlungen nachgewiesen, und sei aufgrund der hohen Zahlungen auf dem UBS-Konto des Beschwerdegegners davon ausgegangen, dass dieser in diesem Jahr die Steuern praktisch alleine bezahlt habe; auf der Steuerrechnung 1989 sei jedoch handschriftlich vermerkt, dass die Steuern im Umfang von Fr. 42'000.-- von den Konten der Beschwerdeführerin bei der Berner Kantonalbank und der Gewerbekasse bezahlt worden seien, weshalb die Annahme des Appellationshofes unhaltbar sei. Die fraglichen Annahmen des Appellationshofes beziehen sich auf die im Jahre 1989 bezahlten Steuern. Da die Steuerrechnung 1989 nach den unangefochtenen Feststellungen des Appellationshofes im Jahr 1990 bezahlt wurde, erweist sich die Rüge als unbegründet.
 
Die Beschwerdeführerin bestreitet sodann, dass der Beschwerdegegner die Nebenkosten an die Eigentümergemeinschaft Terrassengesellschaft in Y.________ bezahlt habe; der Dauerauftrag, auf den diese Annahme gestützt werde, sei längst widerrufen. Woraus sich aber ergeben soll, dass und wann der Dauerauftrag widerrufen wurde, legt sie nicht dar; es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern die Annahme des Appellationshofes willkürlich wäre. Die Beschwerdeführerin führt weiter aus, der Appellationshof habe festgehalten, sie habe in den Jahren 1990-1995 sehr hohe Telefonkosten ausgewiesen.
 
Sie habe in ihrem Eheschutzgesuch aber ausgeführt, dass sie gerade wegen der hohen Telefonrechnungen die Drittbeziehung des Beschwerdegegners festgestellt habe. Inwiefern dies entscheidrelevant wäre, legt die Beschwerdeführerin nicht dar; ihre Rüge ist daher nicht zu hören (vgl. E. 1).
 
5.-Die Beschwerdeführerin führt sodann aus, sie habe nicht belegen können, dass sie ihre vorehelichen Ersparnisse auf das UBS-Konto des Beschwerdegegners überwiesen habe. Der erstinstanzliche Richter habe den Beschwerdegegner aufgefordert, die entsprechenden Kontoauszüge einzureichen.
 
Der Beschwerdegegner sei dieser Verfügung nicht nachgekommen.
 
Aus den im Eheschutzverfahren eingereichten Unterlagen gehe jedoch hervor, dass er über diese Dokumente verfüge.
 
Seine Weigerung, diese im vorliegenden Verfahren einzureichen, müsse im Sinne einer Umkehr der Beweislast gewürdigt werden. Dies gelte auch im Hinblick auf den Erlös, den der Beschwerdegegner aus dem Verkauf des Ford Mustang der Beschwerdeführerin erzielt und auf das UBS-Konto überwiesen habe.
 
Die Verletzung von Regeln über die Beweislast kann, so gegeben, mit Berufung gerügt werden (Art. 43 Abs. 1 OG) und ist daher der staatsrechtlichen Beschwerde nicht zugänglich (Art. 84 Abs. 2 OG). Auf die weitere in diesem Zusammenhang vorgebrachte Kritik ist, da rein appellatorisch, nicht einzutreten.
 
6.- Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich, der Appellationshof habe den für die kantonale Gerichts- und Parteikostenfestsetzung massgebenden Streitwert unrichtig bemessen; darin erblicke sie eine Verletzung von Art. 9 BV.
 
Sie legt aber nicht dar, welche kantonalrechtlichen Vorschriften und inwiefern sie willkürlich angewendet worden seien. Auf die Rüge ist wegen unzureichender Substanziierung (E. 1) nicht einzutreten.
 
7.- Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da keine Beschwerdeantwort eingeholt wurde, kann auf den Zuspruch einer Parteientschädigung verzichtet werden.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 8'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationshof des Kantons Bern, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
_____________
 
Lausanne, 15. Dezember 2000
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident:
 
Die Gerichtsschreiberin:
 
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