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Informationen zum Dokument  BGer 5P.463/2000  Materielle Begründung
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BGer 5P.463/2000 vom 22.12.2000
 
[AZA 0/2]
 
5P.463/2000/SAT/bnm
 
II. Z I V I L A B T E I L U N G ********************************
 
22. Dezember 2000
 
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung,
 
Bundesrichter Merkli, Bundesrichter Meyer und
 
Gerichtsschreiber Schett.
 
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In Sachen
 
F.F.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokatin Christina Reinhardt, Eisengasse 5, 4051 Basel,
 
gegen
 
Obergericht des Kantons Basel-Landschaft,
 
betreffend
 
Art. 9 und 29 BV (unentgeltliche Prozessführung),
 
wird festgestellt und in Erwägung gezogen:
 
1.- Anlässlich der Einleitungsverhandlung über die Ehescheidung der Ehegatten F.F.________ und S.F.________ vor dem Bezirksgericht A.________ stellte F.F.________ ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung. Am 3. Mai 2000 wies der Bezirksgerichtspräsident von A.________ das Gesuch ohne schriftliche Begründung ab.
 
Gegen diese Verfügung erhob F.F.________ am 15. Mai 2000 beim Obergericht des Kantons Basel-Landschaft Beschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und ihr sei für das vor dem Bezirksgericht A.________ hängige Scheidungsverfahren die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu bewilligen. Am 26. September 2000 wies das Obergericht die Beschwerde ab.
 
Mit Eingabe vom 24. November 2000 hat F.F.________ staatsrechtliche Beschwerde erhoben und Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie Rückweisung der Streitsache zu neuer Entscheidung beantragt und gleichzeitig das Begehren gestellt, es sei ihr für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu gewähren.
 
Das Obergericht hat die Abweisung der Beschwerde beantragt.
 
Mit einer unverlangten Eingabe vom 5. Dezember 2000 stellt F.F.________ das Gesuch, sich noch einmal zur Frage des Aktenbeizugs äussern zu können.
 
2.- a) Beim Urteil des Obergerichts des Kantons BaselLandschaft vom 26. September 2000 handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Zwischenentscheid, der mit keinem andern kantonalen oder eidgenössischen Rechtsmittel angefochten werden kann (Art. 84 Abs. 2 und Art. 86 Abs. 1 OG) und der einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 87 Abs. 2 OG; BGE 125 I 161 E. 1 S. 162; 123 I 275 E. 2f S. 278; 121 I 321 E. 1 S. 322 mit Hinweisen). Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.
 
b) Von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen ist die staatsrechtliche Beschwerde rein kassatorischer Natur (BGE 124 I 327 E. 4a und b S. 332 ff.). Zulässig, aber überflüssig ist das Begehren, die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Sollte der Antrag auf Aufhebung des Entscheids vom 26. September 2000 gutzuheissen sein, hätte die kantonale Instanz - unter Berücksichtigung der Ergebnisse des vorliegenden Verfahrens - ohne ausdrückliche Anweisung neu zu entscheiden (BGE 117 Ia 119 E. 3c S. 126; 112 Ia 353 E. 3c/bb S. 354 f.; vgl. auch BGE 122 I 251).
 
3.- a) Der Anspruch einer Prozesspartei auf unentgeltliche Rechtspflege beurteilt sich in erster Linie nach den Vorschriften des kantonalen Prozessrechts, dessen Anwendung im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nur auf Willkür überprüft wird. Soweit sich die Beschwerdeführerin aber auf die in Art. 29 Abs. 3 BV gewährten Mindestgarantien beruft, steht dem Bundesgericht freie Kognition zu (BGE 124 I 1 E. 2 S. 2).
 
Dies bedeutet, dass das Bundesgericht frei prüft, ob die Kriterien zur Bestimmung der unentgeltlichen Rechtspflege zutreffend gewählt worden sind; die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörden dagegen werden nur auf Willkür hin überprüft (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181; 119 Ia 11 E. 3a S. 12). Ebenso schreitet das Bundesgericht nur ein, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar ist (BGE 103 Ia 99 E. 4 S. 100).
 
b) Art. 29 Abs. 3 BV gewährt jeder Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. Dies entspricht der bisherigen Praxis zu Art. 4 aBV (Botschaft des Bundesrates vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl 1997 I, S. 182). Als bedürftig gilt eine Partei, die die erforderlichen Prozess- und Parteikosten nur bezahlen kann, wenn sie die Mittel angreift, deren sie zur Deckung des Grundbedarfs für sich und ihre Familie bedarf, wobei nicht nur die Einkommenssituation, sondern auch die Vermögensverhältnisse zu beachten sind (BGE 124 I 1 E. 2a S. 2 mit Hinweisen). Insbesondere darf von einem Grundeigentümer verlangt werden, einen Kredit auf sein Grundstück aufzunehmen, soweit dieses noch belastet werden kann (BGE 119 Ia 11 E. 5 S. 13). Zu berücksichtigen sind sowohl die Mittel der gesuchstellenden Person als auch jene Dritter, die ihr gegenüber unterhaltspflichtig sind, insbesondere die Ehegatten und die Eltern (BGE 119 Ia 11 E. 3a S. 12; 115 Ia 193 E. 3a S. 195).
 
c) Der Nachweis der Prozessbedürftigkeit obliegt der gesuchstellenden Partei. Sie hat ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darzustellen und soweit möglich auch zu belegen (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181/82). Dabei dürfen um so höhere Anforderungen an eine umfassende und klare Darstellung der finanziellen Situation durch die gesuchstellende Person selbst gestellt werden, je komplexer diese Verhältnisse sind. Auf der andern Seite hat die Behörde ihren Entscheid zu begründen. Dieser Anspruch ergibt sich aus der Garantie des rechtlichen Gehörs nach Art. 29 Abs. 2 BV (JörgPaul Müller, Grundrechte in der Schweiz, Bern 1999, S. 535/36 mit Hinweis auf BBl 1997 I 182). Nur wenn der Betroffene die Gründe der Entscheidbehörde kennt, kann er sich gegebenenfalls vor einer übergeordneten Instanz dagegen sachgerecht zur Wehr setzen (BGE 123 I 31 E. 2c S. 34; 122 IV 8 E. 2c S. 14; 112 Ia 107 E. 2b S. 110). Grundsätzlich muss die Behörde aber nur jene Gründe nennen, die für ihren Entscheid von tragender Bedeutung sind (BGE 117 Ib 64 E. 4 S. 86; 112 Ia 107 E. 2b S. 110).
 
4.- Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid zunächst aufgrund des laufenden Budgets der Beschwerdeführerin (Einkommen, Unterhaltsbeitrag und Existenzminimum) summarisch und überschlagsmässig geprüft, ob ihr mit den drei Kindern im Alter von 8, 12 und 14 Jahren die nötigen Mittel zur Verfügung stehen, um den Scheidungsprozess selber finanzieren zu können. Es hat die Frage aber nicht abschliessend beurteilt, weil die Zahlen für eine abschliessende Beurteilung nicht genügten.
 
Zunächst habe die Beschwerdeführerin weder bei der Vorinstanz noch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ein Armenrechtszeugnis der Gemeindebehörde eingereicht. Im Weiteren müsse auch das Einkommen des andern Ehegatten berücksichtigt werden. Dieses habe gemäss Lohnausweisen zwischen 1996 und 1999 netto zwischen Fr. 105'726 und 127'467.-- betragen. Unter Berücksichtigung der gemeinsamen Einkünfte der Ehegatten erscheine das Gewähren der unentgeltlichen Rechtspflege sehr fragwürdig. Schliesslich sei betreffend die Vermögensverhältnisse überhaupt nichts releviert worden, so dass das Gesuch bzw. die Beschwerde als unbegründet abzuweisen sei.
 
a) Was zunächst das fehlende Armenrechtszeugnis anbelangt, rügt die Beschwerdeführerin mit Grund eine offensichtliche Aktenwidrigkeit, weil das Zeugnis der Gemeinde B.________ vom 17. Januar 2000 entgegen der Angabe im angefochtenen Entscheid als Beilage 19 anlässlich der Einleitungsverhandlung zu den Akten des Bezirksgerichts A.________ gelegt worden ist. Dass diese Beilagen nicht nur dem Bezirksgericht, sondern auch dem Obergericht zur Verfügung gestanden sind, ergibt sich einerseits aus der bei den Akten befindlichen Korrespondenz und andererseits daraus, dass das Obergericht im angefochtenen Urteil ausdrücklich auf die ebenfalls in den Beilagen befindlichen Lohnausweise hinweist. Die Feststellung, dem Bezirksgericht habe kein Armutszeugnis vorgelegen, ist somit offensichtlich unhaltbar, da sie mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht (BGE 118 Ia 28 E. 1b S. 30 mit Hinweisen).
 
b) Was die Vermögensverhältnisse anbelangt, über die nichts releviert worden sei, weist die Beschwerdeführerin mit Grund darauf hin, dass das Zeugnis der Gemeinde B.________ vom 17. Januar 2000 über ihr Vermögen Auskunft gibt. Angaben über die Liegenschaft der Ehegatten befinden sich ebenfalls in den Akten. Der Hinweis des Obergerichts, es sei nichts über die Vermögenslage releviert worden, ist daher klar aktenwidrig.
 
c) Schliesslich trifft zwar grundsätzlich zu, dass die Mittel des Ehegatten bei der Beurteilung von Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege zu beachten sind (vorne E. 3b).
 
Die Einkünfte des Ehegatten der Beschwerdeführerin sind vorliegend hoch, so dass das Gewähren der unentgeltlichen Rechtspflege unter Berücksichtigung des gemeinsamen ehelichen Einkommens tatsächlich fragwürdig erscheint. Wenn es aber um ein Scheidungsverfahren geht, in welchem für dessen Dauer die Unterhaltsbeiträge an Frau und Kinder verbindlich festgelegt worden sind, ist es widersprüchlich und mit Art. 29 Abs. 3 BV nicht vereinbar, im Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege andere Unterhaltsbeiträge anzurechnen, als im Scheidungsverfahren zugesprochen worden sind. Tatsächlich steht der Beschwerdeführerin seitens ihres Gatten ausschliesslich der mit gerichtlicher Verfügung vom 3. Mai 2000 gewährte Unterhaltsbeitrag zu. Bei der Beurteilung der Mittel, welche der Ehegatte an die Prozesskosten beitragen kann, ist demnach von den Unterhaltsbeiträgen auszugehen, welche vom Gericht gesprochen worden sind.
 
d) In seiner Vernehmlassung macht das Obergericht geltend, die Beschwerdeführerin sei im kantonalen Verfahren ihrer Substanziierungspflicht gemäss § 233 Abs. 2 ZPO BL nicht nachgekommen. Dieses Begründungselement ist neu und hätte seinerzeit zu einem Nichteintretensentscheid durch das Obergericht führen müssen. Demgegenüber hat das Obergericht die Beschwerde abgewiesen. Im Übrigen dürfen im vorliegenden Fall an die Begründung der Nichtigkeitsbeschwerde keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden, weil die erstinstanzliche Verfügung betreffend die unentgeltliche Rechtspflege überhaupt keine schriftliche Begründung enthalten hat.
 
e) Daraus ergibt sich, dass die Begründung des obergerichtlichen Urteils die Abweisung der Beschwerde nicht zu tragen vermag. Diese ist teils klar aktenwidrig, teils verstösst sie gegen die Kriterien zur Bestimmung der unentgeltlichen Rechtspflege. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben.
 
Das Bundesgericht könnte an sich die nicht tragfähigen Motive durch gültige Argumente ersetzen (BGE 122 I 257 E. 5 S. 262; 118 Ia 118 E. 1c S. 124; Walter Kälin, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1994, S. 391 f.
 
mit Hinweisen). Es ist indessen nicht Aufgabe des Bundesgerichts, erstinstanzlich materiell über die unentgeltliche Rechtspflege zu entscheiden, weshalb sich Ausführungen über die Bedarfsberechnungen der Beschwerdeführerin erübrigen.
 
Dies bedeutet, dass die kantonalen Behörden das Gesuch aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten und der einschlägigen Kriterien zu prüfen und zu entscheiden haben. Sollte die Neuberechnung dazu führen, dass der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Prozessführung gewährt werden muss, kann sie gleichwohl zur Rückzahlung der Kosten angehalten werden, sofern sie durch das Scheidungsurteil soviel zugesprochen erhält, um ihr allfällig obliegende Kosten bestreiten zu können (§ 72 Abs. 1 ZPO BL).
 
5.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden für das bundesgerichtliche Verfahren keine Kosten erhoben (Art. 156 Abs. 2 OG). Der Kanton Basel-Landschaft hat aber die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG). Das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im vorliegenden Verfahren wird damit ebenso gegenstandslos wie ihr Gesuch um Durchführung eines weiteren Schriftenwechsels.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 26. September 2000 wird aufgehoben.
 
2.- Es werden keine Kosten erhoben.
 
3.- Der Kanton Basel-Landschaft hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
 
4.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Obergericht des Kantons Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt.
 
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Lausanne, 22. Dezember 2000
 
Im Namen der II. Zivilabteilung des
 
SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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