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Informationen zum Dokument  BGer 1A.249/2000  Materielle Begründung
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BGer 1A.249/2000 vom 26.01.2001
 
[AZA 0/2]
 
1A.249/2000/boh
 
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
 
**********************************
 
26. Januar 2001
 
Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
 
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
 
Féraud, Ersatzrichterin Pont Veuthey und Gerichtsschreiber Steinmann.
 
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In Sachen
 
F.T.________, Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, Frau T.________, diese vertreten durch Rechtsanwältin Barbara Lind, Bachmattweg 1, Frick,
 
gegen
 
Kantonaler Sozialdienst Aargau, Gesundheitsdepartement, Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer,
 
betreffend
 
Entschädigung gemäss Opferhilfegesetz und
 
Kostengutsprache gemäss Opferhilfegesetz, hat sich ergeben:
 
A.- Frau T.________ reiste im Jahre 1990 mit ihren Söhnen F.________ (Jahrgang 1984) und A.________ von der Türkei in die Schweiz ein und wurde nach Abweisung eines Asylgesuches 1995 vorläufig in der Schweiz aufgenommen. Sie bezog für sich und die beiden Söhne Fürsorgeleistungen (Art. 20a und 20b des bis September 1999 geltenden Asylgesetzes vom 5. Oktober 1979 [aAsylG, AS 1980 1718] und Art. 10 und 15 der bis Ende September 1999 geltenden Asylverordnung 2 [aAsylV 2, AS 1991 1166]).
 
Im November 1994 zog die Familie T.________ zu S.________ in Frick. Nach kurzer Zeit trennte sich Frau T.________ wieder und bezog erneut eine eigene Wohnung. Sie nahm ihren jüngern Sohn A.________ mit, während F.________ Widerstand leistete und bei S.________ verblieb.
 
Eine offensichtliche Abhängigkeit F.T.________s von S.________ führte zu einem behördlichen Einschreiten der Vormundschaftsbehörde und fachärztlichen Abklärungen. Am 12. Juni 1995 verfügte der Gemeinderat Frick für F.T.________ die Aufhebung der Obhut von Frau T.________, die Errichtung einer Beistandschaft und die Unterbringung in einer Pflegefamilie.
 
Der Gemeinderat genehmigte am 2. Oktober 1995 den Pflegevertrag und regelte die finanziellen Verhältnisse.
 
Danach kam der Kantonale Sozialdienst für die Kosten der Fremdplatzierung von Fr. 1'000.-- pro Monat auf; davon konnten Fr. 800.-- dem Bund verrechnet werden, Frau T.________ übernahm den Betrag von Fr. 200.-- sowie die Krankenkassenprämien.
 
In der Folge von Aussagen von F.T.________ wurde gegen S.________ eine Strafuntersuchung wegen sexuellen Missbrauchs des Jungen eröffnet. Mit Urteil des Bezirksgerichts Laufenburg vom 14. November 1996 wurde S.________ der mehrfachen sexuellen Handlungen mit F.T.________ gemäss Art. 187 Ziff. 1 StGB schuldig befunden und zu einer Gefängnisstrafe von 28 Monaten verurteilt. Zudem wurde er verpflichtet, eine Genugtuung im Betrage von Fr. 10'000.-- (mit Zinsen) (Dispositiv-Ziff. 8a) sowie Schadenersatz von Fr. 17'705. 85 (mit Zinsen) für die Kosten der Fremdplatzierung von Juni 1995 bis Ende November 1996 und für den Selbstbehalt von ärztlichen Rechnungen (Dispositiv-Ziff. 8b) zu bezahlen. Schliesslich wurde festgestellt, dass S.________ für künftige Therapiekosten (Dispositiv-Ziff. 8c) und die notwendige Fremdplatzierung ab Dezember 1996 in der Höhe von Fr. 1'000.-- pro Monat (Dispositiv-Ziff. 8d) schadenersatzpflichtig ist. Das Urteil wurde im Zivilpunkt rechtskräftig, hinsichtlich des Aufschubs der Strafe zwecks ambulanter Behandlung angefochten (vgl. Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 12. März 1998 und des Kassationshofes des Bundesgerichts vom 25. August 1998).
 
B.- S.________ ist auf Beiträge aus der öffentlichen Hand angewiesen und konnte seinen Verpflichtungen nicht nachkommen. Deshalb ersuchte F.T.________, vertreten durch seine Mutter und einen Rechtsbeistand, die Zentrale Opferhilfestelle des Kantons Aargau um Ausrichtung einer Genugtuung von Fr. 10'000.-- (nebst Zins) sowie für die Fremdplatzierung um Bezahlung einer Entschädigung von Fr. 17'705. 85 (nebst Zins) und um Kostengutsprache im Betrag von monatlich Fr. 1'000.--.
 
Mit Verfügung vom 22. Dezember 1998 hiess der Kantonale Sozialdienst (Gesundheitsdepartement) des Kantons Aargau die Ausrichtung der Genugtuung nach Art. 12 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG; SR 312. 5) gut (Dispositiv-Ziff. 1).
 
Hingegen verweigerte er eine Entschädigung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 OHG und eine Kostengutsprache nach Art. 3 Abs. 4 OHG (Dispositiv-Ziff. 2 und 3). Zur Begründung führte der Sozialdienst an, in Anbetracht der für F.T.________ ausgerichteten Fürsorgeleistungen seien für die bisherige Fremdplatzierung keine Mehrkosten entstanden. Wegen der Kostengutsprache der Gemeinde Frick für künftige Fremdplatzierung entstünden auch in dieser Hinsicht keine Kosten. Sie stellte ferner fest, dass die Fürsorgeleistungen auf Grund der Asylgesetzgebung auch unabhängig von der Fremdplatzierung zurückzuerstatten wären. Schliesslich hielt er fest, dass ein neues Gesuch um Entschädigung oder Kostengutsprache bei geänderter Rechtslage wiederum gestellt werden könne.
 
C.- Gegen diesen Entscheid des Sozialdienstes erhob F.T.________ bzw. Frau T.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau Beschwerde. Gleichzeitig erhob F.T.________ Verwaltungsbeschwerde beim Regierungsrat des Kantons Aargau. Nach einem Meinungsaustausch mit dem Verwaltungsgericht und einer Stellungnahme von F.T.________ wurde die Verwaltungsbeschwerde vom Verwaltungsgericht übernommen.
 
Mit Urteil vom 21. Dezember 1999 trat das Verwaltungsgericht auf die Beschwerden nicht ein. Es beurteilte die Beschwerden ausschliesslich im Hinblick auf die Lage von F.T.________ und kam zum Schluss, dieser habe kein aktuelles Interesse an der Beschwerdeführung. Solange Bund und Kanton für die (bisherige) Fremdplatzierung aufkämen, entstehe F.T.________ kein unmittelbarer Schaden, der über die Opferhilfe abzugelten wäre. Desgleichen bestehe angesichts der Kostenübernahme für die (künftige) Fremdplatzierung kein aktuelles Interesse für die Beschwerdeführung. Beiträge, welche unmündigen Personen ausgerichtete werden, würden in der Regel ohnehin nicht zurückgefordert (§ 25 des kantonalen Sozialhilfegesetzes). Und in Bezug auf die aufgrund der Asylgesetzgebung erbrachten Leistungen bestehe eine allfällige Rückerstattungspflicht unabhängig von den streitigen Beträgen. Schliesslich hielt das Gericht fest, dass eine Verweigerung einer fremdenpolizeilichen Bewilligung allein wegen der Ausrichtung von Unterstützungsleistungen stossend wäre und der Zielsetzung des Sozialhilfegesetzes zuwiderliefe.
 
D.- Gegen diesen Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 21. Dezember 1999, der am 15. August 2000 mit den Motiven versandt worden war, erhob F.T.________ beim Bundesgericht am 15. September 2000 Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die das Nichteintreten enthaltende Dispositiv Ziffer 2 aufzuheben und den Kanton Aargau zur Bezahlung sämtlicher Kosten der Fremdplatzierung (vom 14. Juni 1998 bis zum Ende der Fremdplatzierung am 31. Juli 2000) zu verpflichten oder die Sache zur materiellen Beurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Schliesslich stellt er das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
 
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die blosse Möglichkeit, die behördenseits erbrachten Leistungen zurückzahlen zu müssen, begründe ein hinreichend aktuelles Interesse für die Prozessführung vor dem Verwaltungsgericht.
 
In materieller Hinsicht habe er Anspruch auf die verlangten Leistungen nach Opferhilfegesetz. Auf die Begründung im Einzelnen ist in den Erwägungen einzugehen.
 
Das Verwaltungsgericht und das Bundesamt für Justiz haben auf eine Stellungnahme verzichtet, der Kantonale Sozialdienst hat sich nicht vernehmen lassen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Das Verwaltungsgericht ist mit dem angefochtenen Entscheid auf die Beschwerden des Beschwerdeführers nicht eingetreten. Vorerst ist zu prüfen, ob und in welchem Ausmass dieser Entscheid in formeller und materieller Hinsicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden kann.
 
Der Bereich des Opferhilfegesetzes stellt eine Materie dar, in der letztinstanzlich das Bundesgericht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angerufen werden kann (vgl.
 
BGE 126 II 237 E. 1 S. 239, mit Hinweisen). Im vorliegenden Verfahren wird vorerst das Nichteintreten des Verwaltungsgerichts auf die kantonalen Beschwerden beanstandet. Hinsichtlich des Nichteintretens stützt sich der angefochtene Entscheid zwar auf das selbständige kantonale Verfahrensrecht betreffend die Legitimation zur kantonalen Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
 
Er ist indessen geeignet, die Anwendung des materiellen Bundesrechts zu vereiteln (BGE 126 V 143 E. 1b S. 146, 123 I 275 E. 2c S. 277, mit Hinweisen).
 
Zudem ist die Beschwerdelegitimation im kantonalen Verfahren im gleichen Rahmen zu gewährleisten wie im bundesgerichtlichen (Art. 98a Abs. 3 OG, Rechtsprechung seit BGE 103 Ib 144 E. 3 S. 147, 126 II 26 E. 2b S. 28). Deshalb kann der kantonale Nichteintretensentscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden. Auf die vorliegende Beschwerde ist demnach einzutreten.
 
2.- Das Verwaltungsgericht ist mit dem angefochtenen Entscheid auf die Beschwerden des Beschwerdeführers mit der Begründung nicht eingetreten, es fehle am erforderlichen aktuellen Interesse der Beschwerdeführung. Da die bisherigen und zukünftigen Kosten der Fremdplatzierung gedeckt seien und die Anordnung einer Rückerstattungspflicht im Lichte von § 25 des Sozialhilfegesetzes des Kantons Aargau (SHG, Gesetzessammlung 851. 100) unbestimmt und unwahrscheinlich sei, fehle es an den Voraussetzungen der Beschwerdeführung gemäss § 38 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG).
 
Der Beschwerdeführer beruft sich in seiner Beschwerdeschrift auf BGE 125 II 230. Das Bundesgericht hat in diesem den Kanton Solothurn betreffenden Entscheid die Legitimation im Sinne von Art. 103 lit. a OG bejaht. Streitig waren in diesem Verfahren Kosten für einen Heimaufenthalt, welche von der kantonalen Sozialhilfe gedeckt worden waren und die in Anbetracht der konkreten Umstände grundsätzlich nicht zurückgefordert werden. Angesichts der nicht von vornherein auszuschliessenden Möglichkeit einer Rückforderung erachtete das Bundesgericht das Erfordernis des schutzwürdigen aktuellen Rechtsschutzinteresses indessen als gegeben und trat auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wegen Verletzung des Opferhilfegesetzes grundsätzlich ein (BGE 125 II 230 E. 1b S. 232).
 
Die vorliegende Angelegenheit ist im gleichen Sinne zu beurteilen. Nach dem angefochtenen Entscheid werden die von der Sozialhilfe übernommenen Kosten für die Fremdplatzierung des Beschwerdeführers gemäss § 25 Sozialhilfegesetz in der Regel nicht zurückgefordert. Es ist daher heute, wie das Verwaltungsgericht ausführt, in keiner Weise absehbar, dass der Beschwerdeführer zu einer Rückerstattung verpflichtet wird. Dieses räumt indessen ein, dass die Frage einer Rückerstattung massgeblich von der späteren finanziellen Situation abhängen wird. Damit schliesst es die Möglichkeit einer Rückerstattungspflicht nicht absolut aus. Diese blosse Möglichkeit aber genügt nach der wiedergegebenen Rechtsprechung für die Bejahung eines schutzwürdigen und aktuellen Rechtsschutzinteresses sowohl für das bundesrechtliche als auch das kantonale Verwaltungsgerichtsverfahren.
 
Daraus ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht auf die Beschwerden des Beschwerdeführers nicht ein-getreten ist. Was aus diesem Umstand unter umfassender Würdigung des angefochtenen Entscheides zu folgern ist, ist im Folgenden zu prüfen.
 
3.- a) Bei näherer Betrachtung des angefochtenen Ent-scheides fällt eine gewisse Inkonsequenz auf. Das Verwaltungsgericht hat das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers verneint und ist auf seine Beschwerden nicht eingetreten.
 
Daraus hätte der Schluss gezogen werden können, dass es dem Beschwerdeführer auch im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren an einem Rechtsschutzinteresse fehle und dass daher die Verfügung des kantonalen Sozialdienstes vom 22. Dezember 1998 aufzuheben und durch einen Nichteintretensentscheid zu ersetzen sei. Das Verwaltungsgericht hat indessen von einer Aufhebung abgesehen und die Verfügung des Sozialdienstes, mit der die OHG-Ersuchen des Beschwerdeführers aus materiellen Gründen abgewiesen worden waren, bestehen lassen.
 
b) Es fällt weiter auf, dass der Sozialdienst die Ersuchen des Beschwerdeführers im Wesentlichen deshalb abgewiesen hat, weil die streitigen Kosten bereits (durch tatsächliche Übernahme bzw. durch Kostengutsprache) gedeckt sind und eine Rückforderung der Leistungen nicht aktuell ist. Er fügte ferner bei, dass bei geänderter Rechtslage auf das Ersuchen zurückgekommen werden könnte; darunter kann insbesondere die Anordnung einer Rückerstattungspflicht verstanden werden. Der Sozialdienst hat das Gesuch um OHG-Leistungen damit sinngemäss "zur Zeit" abgewiesen.
 
Im Wesentlichen sind es dieselben Gründe, die das Verwaltungsgericht zur Verneinung des aktuellen Rechtsschutzinteresses und damit zum Nichteintreten auf die Be-schwerden des Beschwerdeführers bewogen: Es stellte darauf ab, dass die Kosten für die Fremdplatzierung gedeckt seien und dass eine Rückerstattungspflicht nicht aktuell sei. Wie oben aufgrund der bisherigen Rechtsprechung dargetan, genügt dies nicht, um das Rechtsschutzinteresse im Sinne von Art. 103 lit. a OG zu verneinen. Das Verwaltungsgericht hat daher die Beschwerdelegitimation zu Unrecht verneint. Dies führt indessen nicht ohne weiteres zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Weil die Gründe für das verwaltungsgerichtliche Nichteintreten die gleichen sind wie für die materielle Abweisung durch den Sozialdienst, kann dem angefochtenen Urteil die Bedeutung eines abweisenden und den Verwaltungsentscheid bestätigenden Urteils beigemessen werden.
 
Es ist daher materiell zu prüfen, ob die im angefochtenen Urteil dargelegten Gründe im Lichte des Opferhilfegesetzes ausreichen, um die kantonalen Beschwerden in der Sache abzuweisen bzw. die Ersuchen des Beschwerdeführers um OHG-Leistungen "zur Zeit" abzuweisen. Der Beschwerdeführer erleidet durch dieses Vorgehen keinen Nachteil.
 
4.- a) Im vorliegenden Fall ist die Fremdplatzierung des Beschwerdeführers vom Gemeinderat Frick als vormundschaftliche Massnahme angeordnet worden. Dieser regelte auch deren Finanzierung: Für die Kosten hatte der Sozialdienst aufzukommen; sowohl der Bund als auch die Mutter des Beschwerdeführers beteiligten sich daran. Der Sozialdienst übernahm dementsprechend die Kosten für die Fremdplatzierung.
 
Diese Massnahmen sind ohne Mithilfe der Opferhilfestellen zustande gekommen. Opferhilfemassnahmen standen in jenem Zeitpunkt nicht zur Diskussion: Es wurde keine Kostengutsprache im Sinne von Art. 3 Abs. 4 OHG erteilt; von einem Schadenersatz nach Art. 12 Abs. 1 OHG konnte mangels Kenntnis einer Straftat ohnehin nicht ausgegangen werden.
 
Die Frage einer Opferhilfe kam erst mit dem Bekanntwerden der sexuellen Übergriffe und der Verurteilung von S.________ auf: Da dieser nicht in der Lage ist, entsprechend dem Strafurteil die Kosten für die Fremdplatzierung zu begleichen, sind Leistungen nach Opferhilfe gefordert worden. Einerseits ist dem Beschwerdeführer aufgrund von Art. 12 Abs. 2 OHG tatsächlich eine Genugtuung ausgerichtet worden. Wie dargetan, hat der Kantonale Sozialdienst andererseits eine Entschädigung und eine Kostengutsprache (zur Zeit) verweigert.
 
Mit der vorliegenden Beschwerde will der Beschwerdeführer erreichen, dass die vom Sozialdienst erbrachten Zahlungen nunmehr von der Opferhilfe übernommen werden. Es stellt sich daher die Frage, ob die Opferhilfe Kosten für Massnahmen übernehmen muss, die von einer andern Stelle ohne Einbezug der Opferhilfestellen angeordnet und finanziert worden sind (vgl. die Fragestellung in BGE 125 II 230, insbes.
 
E. 2c S. 234 und E. 3a S. 235).
 
b) Hierzu ist vorerst festzuhalten, dass Art. 14 OHG kein Kriterium für den vorliegenden Fall abgibt. Nach dieser Bestimmung werden Leistungen, die das Opfer als Schadenersatz erhält, von der Entschädigung nach OHG abgezogen.
 
Soweit im Verwaltungsverfahren eine Kostengutsprache nach Art. 3 Abs. 4 OHG in Frage stand, kommt Art. 14 OHG von vornherein nicht zur Anwendung (BGE 125 II 230 E. 3b S. 235). Ferner sind dem Beschwerdeführer von der Sozialhilfe nicht Entschädigungen ausbezahlt worden, die nach Art. 14 OHG abzuzählen sind (vgl. BGE 126 II 237 E. 6, insbes.
 
E. 6c S. 245). Es geht nicht darum, eine Leistungskumulation zu verhindern, beansprucht der Beschwerdeführer doch nicht kumulativ die Ausrichtung von Sozial- und OHG-Leistungen.
 
c) Die Leistungen aus dem OHG haben in besonderem Masse subsidiären Charakter. Die Botschaft zum Gegenvorschlag der Volksinitiative betreffend Opferhilfe betonte die subsidiäre Natur der staatlichen (finanziellen) Hilfe und bekräftigte in allgemeiner Weise, der Staat müsse über die Opferhilfe nur eingreifen, wenn das Opfer nicht von anderer Seite Hilfe erfährt (BBl 1983 III 892 und 896); es gelte, Notlagen zu verhindern und Hilfe zu gewähren, bis das Opfer wieder auf eigenen Füssen stehen kann (a.a.O., S. 895; Art. 124 BV). Entschädigungen durch den Staat sollen die Ausnahme bilden und gegenüber andern, dem Opfer zustehenden Entschädigungsmöglichkeiten subsidiär bleiben (Botschaft zum OHG, BBl 1990 II 976). Der Hilfscharakter der Opferhilfe kommt auch in Art. 1 OHG zum Ausdruck (vgl. zum Ganzen BGE 126 II 237 E. 6 S. 244 ff., 125 II 230 E. 3b S. 235).
 
Demgegenüber ist auch die Sozialhilfe subsidiärer Natur. Sie bezweckt, Notlagen zu verhüten und zu beheben (§ 1 Abs. 2 SHG). Die Hilfe richtet sich in Art und Mass nach den Bedürfnissen des Hilfesuchenden (§ 2 Abs. 1 SHG).
 
Die Sozialhilfe ist zu gewähren, sofern Hilfe nicht rechtzeitig auf andere Weise geleistet wird und solange sie als geboten erscheint (§ 3 SHG).
 
Es stehen sich demnach die je subsidiäre Sozial- und Opferhilfe gegenüber: Unterstützung wird in jedem Bereich nur gewährt, soweit Hilfe nicht anderweitig geleistet wird. Bei dieser Rechtslage fällt es nicht leicht, abstrakt zu bestimmen, welche Hilfe der andern vorgeht. Es ist daher in erster Linie auf die konkreten Umstände abzustellen.
 
d) Im vorliegenden Fall ist gegenüber dem Beschwerdeführer von Seiten des Sozialdienstes tatsächlich Hilfe geleistet worden. Die Notlage des Beschwerdeführers ist mit den angeordneten Massnahmen behoben worden und diese sind durch den Sozialdienst finanziert worden. Die angeordneten Massnahmen haben demnach einen hinreichenden Schutz bewirkt.
 
Es besteht daher kein Bedürfnis für eine nachträgliche Unterstützung durch Anordnungen der Opferhilfe. Es kann auch nicht der Zweck des Opferhilfegesetzes sein, nachträglich die Leistungen der Sozialhilfe zurückzudrängen (BGE 125 II 230 E. 3d S. 236 f.). Dieser Schluss drängt sich im vorliegenden Fall auch deshalb auf, weil die Opferhilfestellen an den entsprechenden Massnahmen - mangels Kenntnis des strafrechtlichen Hintergrundes im damaligen Zeitpunkt - in keiner Weise beteiligt waren. Unter diesem Gesichtswinkel wird das Opferhilfegesetz nicht verletzt, wenn es die kantonalen Behörden ablehnten, die erfolgten Leistungen der Sozialhilfe durch solche der Opferhilfe zu ersetzen.
 
e) Auch allein unter dem Gesichtswinkel des Opferhilfegesetzes ist es nicht zu beanstanden, dass die Ersuchen des Beschwerdeführers zur Zeit abgewiesen worden sind. In Anbetracht der tatsächlich geleisteten Sozialhilfe durch die Übernahme der Kosten für die Fremdplatzierung besteht zur Zeit kein finanzieller Schaden, der über die Opferhilfe abzudecken wäre. Wegen der Kostengutsprache für die Fremdplatzierung erwies sich auch eine Hilfe im Sinne von Art. 3 Abs. 4 OHG als entbehrlich. Es besteht daher keine Notlage, die von Seiten der Opferhilfe zu beheben wäre. Unter diesem Gesichtswinkel verletzt es kein Bundesrecht, dass die kantonalen Behörden einen Schaden verneinten und daher Opferhilfe verweigerten.
 
Die kantonalen Behörden haben weiter ausgeführt, dass die den Jugendlichen gewährte Hilfe nach § 25 SHG in der Regel nicht zurückgefordert wird. Eine Rückforderung sei umso unwahrscheinlicher, als die Unterstützung letztlich auf die Straftat von S.________ zurückzuführen ist. Demnach sei ein finanzieller Schaden auch in dieser Hinsicht in keiner Weise absehbar. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, ist nicht geeignet, eine Verletzung des Opferhilfegesetzes zu belegen. Die blosse Möglichkeit einer Rückforderung der geleisteten Hilfe bedeutet keinen aktuellen Schaden, der über das OHG abzugelten wäre. Überdies geht sowohl aus der Verfügung des Sozialdienstes als auch aus dem angefochtenen Urteil mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass der Beschwerdeführer seine Ersuchen bei geänderter Rechtslage - wie insbesondere im Falle einer tatsächlichen Rückforderung der Sozialleistungen - erneut stellen könnte. Die kantonalen Behörden sind auf dieser Äusserung zu behaften. Bei dieser Sachlage kann auch unter diesem Gesichtswinkel zur Zeit von keinem durch Opferhilfeleistungen zu deckenden Schaden gesprochen werden.
 
f) An dieser Beurteilung vermögen auch die Umstände im Hinblick auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung grundsätzlich nichts zu ändern. Die Opferhilfe steht mit der Ausländergesetzgebung und den Anforderungen an eine Aufenthaltsbewilligung nicht in einem direkten rechtlichen Zusammenhang.
 
Das Opferhilfegesetz ist auf die Behebung von Notlagen ausgerichtet und bezweckt nicht die Erleichterung der Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung. Ein faktischer Zusammenhang kann indessen, wie die Beilagen zur Beschwerdeschrift belegen, nicht gänzlich verneint werden. Aber auch in dieser Hinsicht entsteht dem Beschwerdeführer kein eigentlicher Nachteil. Es ist - wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid unter Verweis auf die Zielsetzung des Sozialhilfegesetzes ausgeführt hat - im Zusammenhang mit dem Gesuch um Aufenthaltsbewilligung zu berücksichtigen, welche konkreten Gründe tatsächlich zur Leistung von Sozialhilfe führten. Derselbe Gedanke ist im Ausländerrecht für die Beurteilung von Art. 10 Abs. 1 lit. d des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG, SR 142. 20) massgebend, wonach ein Ausländer ausgewiesen werden kann, wenn er oder eine Person, für die er zu sorgen hat, der öffentlichen Wohltätigkeit fortgesetzt und in erheblichem Masse zur Last fällt: Einerseits geht es nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in diesem Zusammenhang um die Vermeidung einer konkreten künftigen und dauernden Fürsorgeabhängigkeit; andererseits sind die gesamten Umstände und Gründe, die zur Fürsorgeabhängigkeit geführt haben, mit in die Beurteilung einzubeziehen (vgl. BGE 123 II 529 E. 3b S. 532 unten, 119 Ib 1 E. 3b S. 6, 119 Ib 81 E. 2d und 2e S. 87 f. sowie nicht publiziertes Urteil vom 20. August 1998 i.S. M., E. 3). Ein Grund zur Ausweisung kann ebenso wenig wie ein Motiv zur Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung im vorliegenden Fall allein im Umstand der tatsächlich geleisteten, unbestrittenermassen auf eine Straftat zurückzuführende Fürsorge erblickt werden. Schliesslich gilt es zu beachten, dass eine Pflicht zur Rückerstattung der aufgrund der Asylgesetzgebung geleisteten Fürsorge unabhängig vom vorliegenden Streitgegenstand besteht und daher im konkreten Fall nicht mitzuberücksichtigen ist (vgl. zur Rückerstattungspflicht Art. 85 ff. des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [SR 142. 31] und Art. 8 ff. der Asylverordnung 2 vom 11. August 1999 [SR 142. 312]).
 
g) Diese Erwägungen zeigen, dass die Abweisung der Ersuchen um Opferhilfeleistungen in Verbindung mit der Garantie einer neuen Beurteilung bei geänderter Rechtslage vor Bundesrecht standhält. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
 
5.- Die Abweisung der Beschwerde führt grundsätzlich zur Kostenfolge nach Art. 156 OG. Der Beschwerdeführer hat indessen um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne von Art. 152 OG ersucht. Seine Bedürftigkeit ist aufgrund der Akten ausgewiesen. Die obenstehenden Erwägungen belegen, dass die Beschwerde nicht von vornherein aussichtslos und der Beschwerdeführer auf eine anwaltliche Vertretung angewiesen ist. Demnach kann dem Ersuchen stattgegeben werden.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.-Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt:
 
a) Es werden keine Kosten erhoben.
 
b) Rechtsanwältin Barbara Lind wird für das bundesgerichtliche Verfahren zur amtlichen Rechtsvertreterin bestimmt und aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 2'000.-- entschädigt.
 
3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kantonalen Sozialdienst Aargau, Gesundheitsdepartement, und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, sowie dem Bundesamt für Justiz schriftlich mitgeteilt.
 
______________
 
Lausanne, 26. Januar 2001
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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