VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2A.519/2000  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2A.519/2000 vom 16.02.2001
 
[AZA 0/2]
 
2A.519/2000/bol
 
II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ***********************************
 
16. Februar 2001
 
Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
 
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hartmann, Müller und
 
Gerichtsschreiberin Müller.
 
---------
 
In Sachen
 
1. A.________, geb. ****** 1959,
 
2. B.________, geb. ****** 1981, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Doris Farner-Schmidhauser, Ankerstrasse 61, Postfach 1169, Zürich,
 
gegen
 
Regierungsrat des Kantons Zürich, Verwaltungsgericht des Kantons Zürich,
 
betreffend
 
Familiennachzug, hat sich ergeben:
 
A.- Die polnische Staatsangehörige A.________, geboren 1959, ist seit dem 8. November 1993 von C.________ geschieden.
 
Mit der Scheidung wurde das Sorgerecht über die gemeinsamen Kinder B.________, geboren ****** 1981, und D.________, geboren ****** 1986, dem Vater zugesprochen. Am 20. Dezember 1993 heiratete A.________ in X.________ den deutschen Staatsangehörigen E.________. Mit Beschluss vom 24. September 1998 übertrug das polnische Amtsgericht Radomsko das Sorgerecht über die beiden Kinder an deren Mutter. Seit dem 20. März 1999 verfügt A.________ über die Niederlassungsbewilligung.
 
B.- Am 1. April 1999 reiste B.________ in die Schweiz ein und ersuchte am 4. Mai 1999 um die Erteilung der Niederlassungsbewilligung.
 
Seine Schwester D.________ folgte am 27. Juni 1999 in die Schweiz nach; am 8. Juli 1999 ersuchte ihre Mutter für sie um eine Niederlassungsbewilligung. Mit Verfügung vom 31. August 1999 wies die Fremdenpolizei des Kantons Zürich beide Gesuche ab. Dagegen gelangte A.________ im Namen ihrer Kinder B.________ und D.________ an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Dieser hiess am 10. Mai 2000 den Rekurs in Bezug auf D.________ gut und wies die Fremdenpolizei an, ihr "eine Aufenthaltsbewilligung" zu erteilen.
 
In Bezug auf B.________ hingegen wies der Regierungsrat die Beschwerde ab und ordnete den Vollzug der Wegweisung an.
 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 28. September 2000 ab.
 
C.- Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts haben A.________ und B.________ am 13. November 2000 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Sie beantragen, den angefochtenen Entscheid aufzuheben, den Familiennachzug für B.________ zu bewilligen und die Fremdenpolizei des Kantons Zürich anzuweisen, seinen Aufenthalt zu regeln.
 
Die Staatskanzlei des Kantons Zürich (für den Regierungsrat) schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
 
D.- Mit Verfügung vom 8. Dezember 2000 hat der Abteilungspräsident der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.- a) Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus gegen die Erteilung oder Verweigerung von fremdenpolizeilichen Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142. 20) entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Der Ausländer hat damit grundsätzlich keinen Anspruch auf Erteilung bzw.
 
Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist ausgeschlossen, soweit er sich nicht auf eine Norm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen kann, die ihm einen Anspruch auf eine solche Bewilligung einräumt (BGE 124 II 361 E. 1a S. 363 f., mit Hinweisen).
 
Gemäss Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG haben ledige Kinder von Ausländern, die in der Schweiz niedergelassen sind, Anspruch auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern, wenn sie mit diesen zusammen wohnen und noch nicht 18 Jahre alt sind. B.________ war im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung, auf den es in diesem Zusammenhang ankommt (BGE 120 Ib 257 E. 1f S. 262), noch nicht 18 Jahre alt. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher zulässig.
 
b) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Das Bundesgericht wendet das Bundesrecht bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde von Amtes wegen an, ohne an die Begründung der Parteibegehren gebunden zu sein (Art. 114 Abs. 1 in fine OG). Es kann die Beschwerde daher auch aus andern als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder den Entscheid mit einer Begründung bestätigen, die von jener der Vorinstanz abweicht (BGE 121 II 473 E. 1b S. 477, mit Hinweis).
 
Im Fremdenpolizeirecht stellt das Bundesgericht auf die aktuellen tatsächlichen und rechtlichen Umstände ab, ausser wenn eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden hat. Diesfalls gilt die Regelung von Art. 105 Abs. 2 OG, wonach das Bundesgericht an die Feststellung des Sachverhalts gebunden ist, wenn die richterliche Vorinstanz diesen nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erhoben hat (BGE 124 II 361 E. 2a S. 365; 122 II 385 E. 2 S. 390).
 
Da im vorliegenden Fall der angefochtene Entscheid durch ein Gericht erging, gelangt Art. 105 Abs. 2 OG zur Anwendung.
 
Damit können auch nachträgliche Veränderungen des Sachverhalts nicht berücksichtigt werden bzw. sind neue tatsächliche Vorbringen im bundesgerichtlichen Verfahren ausgeschlossen, soweit sie nicht von der Vorinstanz von Amtes wegen hätten beachtet werden müssen und ihre Nichtberücksichtigung auf eine Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen hinausläuft (BGE 122 II 299 E. 5d S. 310, mit Hinweisen; 121 II 97 E. 1c, mit Hinweisen).
 
2.- a) Auch wenn Art. 17 Abs. 2 dritter Satz ANAG unter anderem die familiäre Beziehung getrennt lebender Eltern zu ihren Kindern schützt, räumt diese Bestimmung grundsätzlich nicht demjenigen Elternteil ein Recht auf Nachzug eines Kindes ein, der freiwillig ins Ausland verreist ist, der ein weniger enges Verhältnis zum Kind hat als der andere Elternteil oder sonstige Verwandte, die für das Kind sorgen, und der seine bisherigen Beziehungen zum Kinde weiterhin pflegen kann. In solchen Fällen gibt es keinen bedingungslosen Anspruch auf Nachzug des Kindes durch den in der Schweiz lebenden Elternteil. Ein entsprechendes Recht setzt vielmehr voraus, dass das Kind zum hier ansässigen Elternteil die vorrangige familiäre Beziehung unterhält und sich der Nachzug als notwendig erweist. Dabei kommt es zwar nicht nur auf die bisherigen Verhältnisse an, sondern es können auch nachträglich eingetretene oder künftige Umstände wesentlich werden.
 
In der Regel ist dafür aber zunächst der privatrechtliche Weg zu beschreiten, d.h. es ist die rechtlich verbindliche Zuteilung des Sorgerechts anzustreben. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen klare Anhaltspunkte für neue familiäre Abhängigkeiten oder für eine wesentliche Verlagerung der Beziehungsintensitäten bestehen, wie etwa beim Hinschied desjenigen Elternteils, der das Kind bisher betreut hat. Die Verweigerung einer Bewilligung lässt sich somit jedenfalls dann nicht beanstanden, wenn die Familientrennung von den Betroffenen ursprünglich selbst freiwillig herbeigeführt worden ist, für die Änderung der bisherigen Verhältnisse keine überwiegenden familiären Interessen bestehen bzw. sich ein Wechsel nicht als zwingend erweist und die Fortführung und Pflege der bisherigen familiären Beziehungen nicht behördlich verhindert wird (BGE 124 II 361 E. 3a S. 366 f., mit Hinweisen).
 
b) Die Beschwerdeführerin reiste Ende 1993 in die Schweiz, als der Sohn B.________ zwölfeinhalb und die Tochter D.________ sieben Jahre alt waren. Die beiden Kinder, die bei der Scheidung unter die Obhut des Vaters gestellt worden waren, liess sie in Polen zurück. Sie wurden in der Folge von der Grossmutter väterlicherseits betreut. Erst als die Beschwerdeführerin im Besitz der Niederlassungsbewilligung war, ersuchte sie für D.________ sowie B.________ für sich selbst um Familiennachzug.
 
aa) Die Beschwerdeführerin macht dazu geltend, sie habe sich jedes Jahr bei der Fremdenpolizei erkundigt, ob sie nun die Kinder zu sich nehmen könne; sie habe stets die Antwort erhalten, dies sei nur nach Erhalt der Niederlassungsbewilligung möglich. Die Vorinstanz hat dazu angemerkt, diese Behauptungen habe die Beschwerdeführerin auch auf ausdrückliches Befragen im Rekursverfahren nicht belegt, sie seien daher nicht glaubhaft. Diese Sachverhaltsfeststellung ist jedenfalls nicht offensichtlich unrichtig (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG).
 
bb) Im Rekursverfahren vor dem Regierungsrat hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, sie habe vorerst nur den Sohn zu sich nehmen wollen, da die Tochter die Grundschule noch nicht beendet habe. Beamte der Fremdenpolizei hätten ihr daraufhin gesagt, solange sie nur über eine blosse Aufenthaltsbewilligung verfüge, könne sie entweder beide Kinder zu sich nehmen oder keines. Falls die Beschwerdeführerin tatsächlich eine solche Auskunft erhalten haben sollte, erstaunt umso mehr, dass sie daraufhin nicht ein Nachzugsgesuch für beide Kinder stellte; dass die Tochter D.________ dabei die Grundschule nicht hätte beenden können, hätte angesichts einer Übersiedelung in die Schweiz mit einem ohnehin völlig anderen Schulsystem kein Hinderungsgrund sein dürfen. Spätestens aber im Herbst 1998, als ihr das Sorgerecht über beide Kinder übertragen worden war, hätte die Beschwerdeführerin ein solches Gesuch stellen müssen. Dass ihr Sohn erst, nachdem die Beschwerdeführerin die Niederlassungsbewilligung erworben hatte, und kurz vor seinem achtzehnten Geburtstag ein Nachzugsgesuch für sich stellte, lässt darauf schliessen, dass es ihm bzw. der Beschwerdeführerin nicht primär um den Zusammenschluss der Familie, sondern um bessere wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten in der Schweiz geht. Im Zeitpunkt der Gesuchstellung stand der Beschwerdeführer zudem unmittelbar vor der Volljährigkeit und bedurfte somit keiner Betreuung mehr; der Gesundheitszustand seines Grossvaters ist daher für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, ebenso wenig die Frage, ob und in welchem Masse sich der Beschwerdeführer während des Verfahrens um Familiennachzug in der Schweiz integriert hat. Kontakte mit seiner Mutter sowie der nun in der Schweiz lebenden Schwester kann der Beschwerdeführer im Rahmen von bewilligungsfreien Besuchsaufenthalten wahrnehmen.
 
c) Dass dem Beschwerdeführer die Niederlassungsbewilligung verweigert worden ist, verstösst damit nicht gegen Bundesrecht. Die Beschwerdeführer berufen sich im Übrigen zu Recht nicht auf Art. 8 EMRK, war B.________ doch im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung an das Bundesgericht schon über 19 Jahre alt (vgl. BGE 120 Ib 257 E. 1f S. 262 f.), und ist ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Mutter nicht ersichtlich.
 
3.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich demnach als unbegründet. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdeführer unter solidarischer Haftbarkeit aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 und 7 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
 
3.- Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt für Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.
 
_____________
 
Lausanne, 16. Februar 2001
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident:
 
Die Gerichtsschreiberin:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).