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Informationen zum Dokument  BGer 5P.18/2001  Materielle Begründung
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BGer 5P.18/2001 vom 06.03.2001
 
[AZA 0/2]
 
5P.18/2001/min
 
II. Z I V I L A B T E I L U N G ********************************
 
6. März 2001
 
Es wirken mit: Bundesrichter Bianchi, präsidierendes Mitglied
 
der II. Zivilabteilung, Bundesrichter Raselli, Bundesrichter
 
Meyer und Gerichtsschreiber von Roten.
 
---------
 
In Sachen
 
1. A.________,
 
2. B.________,
 
3. C.________,
 
4. D.________, 5. [E.________]
 
6. F.________,
 
7. G.________,
 
8. H.________,
 
9. I.________,
 
10. J.________,
 
11. K.________,
 
12. L.________,
 
13. M.________,
 
14. N.________,
 
15. O.________, Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwalt Christof Bläsi, Am Bohl 2, Postfach 26, 9004 St. Gallen,
 
gegen
 
Kassationsgericht des Kantons St. Gallen,
 
betreffend
 
Art. 9 BV (Eröffnung eines Erbvertrags),
 
wird im Verfahren nach Art. 36a OG
 
festgestellt und in Erwägung gezogen:
 
1.- Am 26. April 1998 verstarb X.________. Mit ihrem vorverstorbenen Ehemann hatte sie am 12. Februar 1968 einen Ehe- und Erbvertrag abgeschlossen. Der Bezirksammann im Amt Werdenberg eröffnete diesen Ehe- und Erbvertrag am 24. Juli 1998 den unter den Ziffern 1 bis 15 genannten Personen als eingesetzten Erben, am 11. November 1998 der Mutter eines vorverstorbenen gesetzlichen Erben und am 13. Januar 2000 weiteren Personen, die sich auf den angeordneten Erbenruf hin gemeldet hatten oder gemeldet worden waren.
 
Die eingesetzten Erben fochten die Vorgehensweise des Bezirksammanns beim Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen an, das auf ihren Rekurs nicht eintrat.
 
Auf die dagegen erhobene Beschwerde trat das Verwaltungsgericht nicht ein mit der Begründung, zuständige Rechtsmittelbehörde sei der Einzelrichter des Kantonsgerichts. Die anschliessende staatsrechtliche Beschwerde der eingesetzten Erben wies das Bundesgericht ab, soweit darauf eingetreten werden konnte (5P. 345/2000). Gleichzeitig mit der Beschwerde an das Verwaltungsgericht hatten die eingesetzten Erben beim Einzelrichter des Kantonsgerichts Rekurs eingelegt, der abgewiesen wurde. Auf ihre gegen den Rekursentscheid erhobene Nichtigkeitsbeschwerde trat der Präsident des Kassationsgerichts nicht ein, weil die Nichtigkeitsbeschwerde nur gegen einzelrichterliche Rekursentscheide "über die Mitwirkungspflicht Dritter" zulässig sei, hingegen nicht gegen einzelrichterliche Rekursentscheide betreffend Testamentseröffnungsverfügungen (Entscheid vom 7. Dezember 2000).
 
Die eingesetzten Erben - ausgenommen E.________ in (vgl. die Liste auf S. 1 der Beschwerdeschrift) als Nr. 5 im Rubrum der Vollständigkeit halber aufgeführt - beantragen dem Bundesgericht mit staatsrechtlicher Beschwerde insbesondere wegen Verletzung von Art. 9 BV (Schutz vor Willkür), den kassationsgerichtlichen Nichteintretensentscheid vom 13. (recte: 7.) Dezember 2000 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es ist keine Vernehmlassung eingeholt worden.
 
2.- Die Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht ist gegen Rekursentscheide des Einzelrichters des Kantonsgerichts über die Mitwirkungspflicht Dritter zulässig (Art. 21 Abs. 1 lit. b und Art. 237 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO/SG). Gegen andere Rekursentscheide des Einzelrichters, also namentlich betreffend "Verfügungen und Entscheide des zuständigen Departementes, soweit es das Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vorsieht" (Art. 16 lit. b und Art. 217 lit. c ZPO/SG), ist die Nichtigkeitsbeschwerde weder in den Bestimmungen über deren Zulässigkeit (Art. 237 ff. ZPO/SG) noch in der Bestimmung über die sachliche Zuständigkeit des Kassationsgerichts (Art. 21 ZPO/SG) vorgesehen. Auf Grund dieser gesetzlichen Regelung steht unmissverständlich fest: Die Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht ist unzulässig gegen Rekursentscheide des Einzelrichters des Kantonsgerichts ausser im - hier nicht gegebenen - Fall von Art. 237 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO/SG (Leuenberger/Uffer-Tobler, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, Bern 1999, N. 3 zu Art. 237 ZPO/SG). Die Beschwerdeführer widersprechen dieser Verfahrensordnung offenkundig nicht und machen vielmehr geltend, die formalistische Qualifizierung des Instanzenzugs beschneide ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, verhindere die Umsetzung des Bundeszivilrechts und missachte die Vorgaben, die das Bundesgericht in seinem ersten Urteil in derselben Sache gemacht habe.
 
Die Rüge der Verweigerung des rechtlichen Gehörs ist unbegründet. Die Gerichtsorganisation in Zivilsachen steht in der Zuständigkeit der Kantone (Art. 122 Abs. 2 BV; vgl. Art. 64 Abs. 3 aBV), die von Bundesrechts wegen nicht dazu verpflichtet sind, einen gerichtlichen Instanzenzug in einer bestimmten Weise zu konzipieren, insbesondere eine bestimmte Anzahl von funktionell einander über- und untergeordneten Gerichtsbehörden zu schaffen (BGE 105 Ia 193 E. 4a S. 198).
 
Ist das Kassationsgericht im Sinne von Art. 21 ZPO/SG sachlich unangefochten nicht zuständig, kann es kein Recht verweigert haben, indem es auf die erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nicht eingetreten ist (BGE 87 I 241 E. 3 S. 246, letzter Absatz; 94 I 97 E. 2b S. 102, letzter Absatz; 102 Ib 231 E. 2b S. 237).
 
Bundesrecht verlangt nur, dass zivilrechtliche Ansprüche wenigstens im Rechtsmittelverfahren von einem Gericht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht frei beurteilt werden (BGE 118 Ia 473 E. 4 bis 7 S. 477 ff.; vgl. BGE 126 II 377 E. 8d/bb S. 396/397, zur sog. allgemeinen Rechtsweggarantie, Art. 29a BV) und dass ein oberes kantonales Gericht im Sinne von Art. 48 OG entscheiden muss, wenn die Sache der eidgenössischen Berufung an das Bundesgericht unterliegt (BGE 119 II 183 E. 4 und 5 S. 185 ff.). Andere "Vorgaben" lassen sich auch dem ersten Beschwerdeurteil des Bundesgerichts nicht entnehmen (E. 2c S. 8, 5P.345/2000). Der Einzelrichter kann auf Rekurs als vollkommenem Rechtsmittel hin die angefochtenen Departementsverfügungen mit Bezug auf Rechtsanwendung und Sachverhaltsfeststellung frei überprüfen (Leuenberger/Uffer-Tobler, N. 4c zu Art. 16 und N. 1 zu Art. 222 ZPO/SG) und ist von der gezeigten Stellung her unstreitig ein oberes kantonales Gericht, soweit gegen seinen Rekursentscheid eine Weiterziehung mit eidgenössischer Berufung in Frage käme. Diese Verfahrensordnung verletzt entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer somit kein Bundesrecht. Dass der Einzelrichter im konkreten Fall gesetzlichen Pflichten nicht nachgekommen sein oder unrichtig entschieden haben soll, hätte mit dem geeigneten Rechtsmittel vor Bundesgericht - statt mit der unzulässigen Nichtigkeitsbeschwerde vor Kassationsgericht - gerügt werden können. Dazu aber ist es heute zu spät (vgl. Art. 54 Abs. 1, Art. 69 Abs. 1, Art. 89 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 OG).
 
3.- Die unterliegenden Beschwerdeführer (Nrn. 1-4 und 6-15) werden kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 und 7 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Beschwerdeführern Nrn. 1-4 und 6-15 unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
 
3.- Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern und dem Präsidenten des Kassationsgerichts des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
 
_____________
 
Lausanne, 6. März 2001
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Das präsidierende Mitglied:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
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