VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 4C.345/2000  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 4C.345/2000 vom 01.05.2001
 
[AZA 0/2]
 
4C.345/2000/rnd
 
I. ZIVILABTEILUNG
 
*******************************
 
1. Mai 2001
 
Es wirken mit: Bundesrichterinnen und Bundesrichter Walter,
 
Präsident, Corboz, Klett, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler
 
und Gerichtsschreiber Gelzer.
 
---------
 
In Sachen
 
A.________, B.________, C.________, Kläger und Berufungskläger, alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Conrad Weinmann, Bahnhofstrasse 8, 7250 Klosters,
 
gegen
 
D.________, E.________, Beklagte und Berufungsbeklagte, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcus Defuns, Turbanstrasse 8, 7270 Davos Platz,
 
betreffend
 
Kaufsrecht; hat sich ergeben:
 
A.- A.________, B.________ und C.________ gründeten in den sechziger Jahren die heutige Bergbahnen Y.________ AG.
 
Zudem schlossen sie sich vertraglich zur einfachen Gesellschaft "Interessengemeinschaft X.________" (nachstehend: IG X.________) zusammen, welche den Zweck verfolgte, die für die Bergbahnen notwendigen Rechte im Bereich des Skigebietes zu sichern.
 
E.________ war Eigentümer verschiedener Grundstücke im Gebiet X.________, durch welches eine Piste der Bergbahnen Y.________ AG führt. Insbesondere gehörte ihm die zentral am Rande der Talabfahrtspiste liegende Parzelle a, auf der sich das Restaurant befindet, welches er zusammen mit D.________ führt.
 
In den siebziger Jahren verkaufte E.________ einen Teil seines Grundbesitzes an die IG X.________. Geplant war zudem die Gründung einer Restaurant X.________AG zwecks Erstellung und Betriebs eines neuen Restaurants.
 
Nachdem sich das Projekt eines Restaurant-Neubaus zerschlagen hatte, traf E.________ mit der IG X.________ am 25. April 1977 eine öffentlich beurkundete Vereinbarung.
 
Darin räumte E.________ den Mitgliedern der IG X.________ an seiner Teilparzelle b mit ca. 2800 m2 Wiese und an der Parzelle a mit Wohnhaus und Restaurant X.________ ein bis zum
 
31. Dezember 1996 befristetes Kaufsrecht ein, welches einseitig an Dritte übertragbar war. Der Kaufpreis wurde für beide Liegenschaften mit je Fr. 60'000.-- beziffert, wobei bezüglich des Restaurationsgrundstückes die seitens der Kaufsrechtsberechtigten genehmigten wertvermehrenden Aufwendungen abzüglich der üblichen Abschreibungen (nach Massgabe Wehrsteuerrecht) zum Kaufpreis aufzurechnen waren. Das Kaufsrecht konnte jederzeit ausgeübt werden. E.________ konnte jedoch verlangen, den Restaurationsbetrieb gegen einen ortsüblichen Pachtzins für ein Jahr weiterführen zu können. Des weiteren verpflichteten sich die Mitglieder der IG X.________, E.________ für den Fall der Ausübung des Kaufsrechts bezüglich des Restaurationsgrundstückes im Raume Glaris bis zum 30. April 2001 eine Drei-Zimmerwohnung entschädigungsfrei bereitzustellen oder, wenn er darauf verzichtet, für diese Zeit eine jährliche Entschädigung von pauschal Fr. 3'000.-- auszubezahlen.
 
Mit eingeschriebenem Brief vom 6. Mai 1986 erklärten die Mitglieder der IG X.________ gegenüber E.________, sie hätten die Kaufsrechte aus dem Vertrag vom 25. April 1977 auf die Bergbahnen Y.________ AG übertragen, welche diese Rechte ausübe.
 
Am 29. Dezember 1993 wurde von der Parzelle b ein Teilstück unter der Ziffer c abparzelliert, wobei das vorgemerkte Kaufsrecht gemäss dem Vertrag vom 25. April 1997 auch auf die neue Parzelle übertragen wurde.
 
Im Herbst 1996 machte die IG X.________ E.________ den Vorschlag, die am 25. April 1977 vereinbarten Kaufsrechte um fünf Jahre zu verlängern. E.________ und D.________ sprachen daraufhin beim Grundbuchverwalter F.________ vor, der auf Grund dieses Gesprächs anregte, von einer kompetenten Stelle die Handlungsfähigkeit von E.________ abklären zu lassen. F.________ teilte seine entsprechenden Zweifel auch C.________ mit, den er zudem wissen liess, dass E.________ mit der Verlängerung des Kaufsrechtsvertrages nicht einverstanden war.
 
Mit Schreiben vom 12. Dezember 1996 erklärte C.________ E.________, die Kaufsberechtigten müssten davon ausgehen, dass seine Handlungsfähigkeit in Frage gestellt werde. Sie seien daher gezwungen, die Kaufsrechte auszuüben, wobei sie aber bereit seien, mit ihm über den weiteren Verbleib im Restaurant und in der Wohnung im Sinne des Vertragsentwurfes zu verhandeln. Mit Vollmacht für alle Mitglieder der IG X.________ gab C.________ zudem die Erklärung ab, die Kaufsrechte gemäss der Vereinbarung vom 25. April 1977 auszuüben, wobei er einen Gesamtkaufpreis von Fr. 299'719.-- angab und E.________ aufforderte, die für die Eigentumsübertragung erforderliche Grundbuchanmeldung zu unterzeichnen und dem Grundbuchamt Davos binnen 30 Tagen zuzustellen.
 
Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 6. Januar 1997 verkaufte E.________ die drei strittigen Grundstücke an D.________. Diese räumte ihm im Gegenzug lebenslängliche und unentgeltliche Wohnrechte an den Parzellen a und b ein.
 
B.- Am 9. Dezember 1997 leiteten die Mitglieder der IG X.________ beim Vermittlungsamt des Kreises Davos gegen D.________ (nachstehend: Erstbeklagte) und E.________ (nachstehend: Zweitbeklagter) eine Klage ein. Nach erfolgloser Sühneverhandlung wurde der Leitschein ausgestellt, mit dem die Kläger sinngemäss verlangten, das Grundbuchamt Davos sei anzuweisen, sie infolge einfacher Gesellschaft als Gesamteigentümer der Parzellen a, b und c des Grundbuches der Landschaft Davos Gemeinde einzutragen und das die Parzelle a belastende Wohnrecht des Zweitbeklagten zu löschen.
 
Eventuell verlangten die Kläger, die Beklagten solidarisch zu verpflichten, die Parzellen a, b und c des Grundbuches der Landschaft Davos Gemeinde den Klägern zu Gesamteigentum zu übertragen; allenfalls seien die Beklagten zu verpflichten, den Klägern als Schadenersatz Fr. 218'341.-- zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 1. Januar 1997 zu bezahlen.
 
Die Beklagten schlossen auf Abweisung der Klage und stellten das Widerklagebegehren, die Kläger seien solidarisch zu verpflichten, den Beklagten Fr. 1'988.-- zuzüglich Zins zu 5 % seit dem 1. April 1997 zu bezahlen.
 
Mit Urteil vom 26. November 1998 hiess das Bezirksgericht Oberlandquart die Klage gut und wies das Grundbuchamt der Landschaft Davos Gemeinde an, sämtliche auf den Parzellen a, b und c vorgenommenen Eintragungen, Vor- und Anmerkungen zu löschen und die Kläger als deren Gesamteigentümer infolge einfacher Gesellschaft einzutragen.
 
Auf Berufung der Beklagten hin hob das Kantonsgericht von Graubünden das erstinstanzliche Urteil am 7. März 2000 auf und wies die Klage ab.
 
C.- Die Kläger fechten das Urteil des Kantonsgerichts sowohl mit Berufung als auch mit staatsrechtlicher Beschwerde an. Mit der vorliegenden Berufung verlangen sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils, die Gutheissung der Klage und eventualiter die Rückweisung der Streitsache an die Vorinstanz.
 
Die Beklagten schliessen auf Abweisung der Berufung, soweit darauf eingetreten werden könne und stellen den Eventualantrag auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Ist ein kantonales Urteil gleichzeitig mit staatsrechtlicher Beschwerde und Berufung angefochten, wird der Entscheid über Letztere in der Regel bis zur Erledigung der staatsrechtlichen Beschwerde ausgesetzt (Art. 57 Abs. 5 OG).
 
Eine Aussetzung rechtfertigt sich jedoch nicht, wenn der Entscheid über die staatsrechtliche Beschwerde keinen Einfluss auf die Behandlung des anderen Rechtsmittels hat (BGE 118 II 521 E. 1b; Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. II, N. 5 zu Art. 57 OG). Dies trifft im vorliegenden Fall zu, weil die Berufung gemäss den nachstehenden Erwägungen unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens teilweise gutzuheissen ist (vgl. BGE 114 II 239 E. 1b; 117 II 630 E. 1a; 118 II 521 E. 1b). Die Berufung wird deshalb vorweg behandelt.
 
2.- Die Beklagten anerkennen, dass das zwischen den Parteien am 25. April 1977 begründete Kaufsrecht mangels eines öffentlich beurkundeten Vertrages nicht rechtsgültig auf die Y.________ AG übertragen wurde und die Aktivlegitimation der Kläger insoweit nicht entfallen ist.
 
3.- Das Kantonsgericht ging davon aus, in Anwendung von Art. 3 SchlT/ZGB fände die durch das Gesetz unabhängig vom Willen der Beteiligten umschriebene zeitliche Befristung von Kaufsrechten gemäss Art. 216a OR auch auf Rechtsverhältnisse Anwendung, welche vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung begründet worden seien, wobei die Zehnjahresfrist mit deren Begründung beginnen müsse. Im vorliegenden Fall habe die rückwirkende Anwendung von Art. 216a OR zur Folge, dass das am 25. April 1977 vereinbarte Kaufsrecht mit der damals vorgesehenen obligatorischen Geltungsdauer bis Ende 1996 im Zeitpunkt der Ausübungserklärung am 12. Dezember 1996 keinen Bestand mehr gehabt habe. Das Kaufsrecht sei demnach nicht rechtzeitig ausgeübt worden, so dass der Klage die Grundlage fehle.
 
Die Kläger rügen, die rückwirkende Anwendung von Art. 216a OR verletze Bundesrecht.
 
a) Gemäss Art. 216a OR dürfen Kaufsrechte für höchstens zehn Jahre vereinbart und im Grundbuch vorgemerkt werden.
 
Diese Bestimmung wurde mit dem Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über die Teilrevision des Zivilgesetzbuches (Immobiliarsachenrecht) und des Obligationenrechts (Grundstückkauf) eingeführt, welches am 1. Januar 1994 in Kraft trat. Zuvor konnten die Parteien gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts unter Vorbehalt von Art. 2 und 27 ZGB ein Kaufsrecht auf unbestimmte Zeit vereinbaren (BGE 102 II 243 E. 3 mit Hinweisen). Das Gesetz enthält bezüglich Art. 216a OR keine übergangsrechtlichen Bestimmungen, weshalb insoweit auf die im Schlusstitel des ZGB vorgesehenen Regeln abzustellen ist (BGE 126 III 421 E. 3c/aa S. 426 f. mit Hinweisen).
 
Diese gehen vom Grundsatz aus, dass Handlungen in Bezug auf ihre rechtliche Verbindlichkeit und ihre rechtlichen Folgen auch nach dem Inkrafttreten neuen Rechts den bei ihrer Vornahme geltenden Bestimmungen unterliegen (Art. 1 SchlT/ZGB). Dieser Grundsatz der Nichtrückwirkung des neuen Rechts wird durch Art. 3 SchlT/ZGB dahingehend eingeschränkt, dass Rechtsverhältnisse, deren Inhalt unabhängig vom Willen der Beteiligten durch das Gesetz umschrieben wird, nach neuem Recht zu beurteilen sind, auch wenn sie vor dessen Inkrafttreten begründet wurden. Das Bundesgericht hat in BGE 126 III 421 E. 3d/dd die in der Literatur umstrittene Frage, ob die Beschränkung der zulässigen Dauer eines Rückkaufsrechts durch Art. 216a OR den unabhängig vom Willen der Parteien bestimmten Vertragsinhalt gemäss Art. 3 SchlT/ZGB betrifft, offen gelassen, weil es annahm, selbst bei Bejahung dieser Frage würde das Vertrauensprinzip es verbieten, dass die Frist gemäss Art. 216a OR, vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung zu laufen beginne.
 
b) Diese Rechtsprechung hat auch bezüglich der Beschränkung der Maximaldauer von Kaufsrechten durch Art. 216a OR zu gelten, weshalb die Zehnjahresfrist entgegen der Ansicht des Kantonsgerichts nicht mit der Begründung des Kaufsrechts am 25. April 1977, sondern - wenn überhaupt - erst mit dem Inkrafttreten von Art. 216a OR am 1. Januar 1994 hätte beginnen können. Das vertraglich bis am 21. Dezember 1996 befristete Kaufsrecht wurde daher am 12. Dezember 1996 rechtzeitig ausgeübt.
 
4.- a) Da das Kantonsgericht auf Grund der bundesrechtswidrigen Annahme der verspäteten Ausübung des Kaufrechts die weiteren Voraussetzungen der klägerischen Begehren nicht näher geprüft hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und zu weiteren Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese hat alsdann die von ihr offen gelassene Frage zu prüfen, ob die Kläger bezüglich des Kaufsrechts eine rechtsgültige Ausübungserklärung abgegeben hatten.
 
Zudem muss untersucht werden, ob die Kläger die geschuldete Leistung vollumfänglich anerboten haben, zumal die Beklagten dies bestreiten und damit implizit die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäss Art. 82 OR bzw. 184 Abs. 2 OR erheben.
 
b) Sollte das Kantonsgericht die vorgenannten Fragen zu Gunsten der Kläger entscheiden, müsste es bezüglich der Forderung auf Zusprechung des Eigentums an den umstrittenen Liegenschaften die Rechtsgültigkeit ihrer Übertragung auf die Zweitbeklagte erneut prüfen. Die Kläger machen in diesem Zusammenhang geltend, die Annahme des Kantonsgerichts, die Erstbeklagte habe beim Erwerb der Grundstücke den Kaufsrechtsvertrag nicht gekannt, beruhe auf einem offensichtlichen Versehen. Das Kantonsgericht habe übersehen, dass die Beklagten dieses Wissen gar nicht bestritten hätten.
 
Zudem hätten die Beklagten gemäss der Prozessantwort im Verfahren vor Bezirksgericht angegeben, dass sie zusammen zunächst zum Grundbuchbeamten und danach zu ihrem Anwalt gegangen seien, um sich bezüglich der Kaufsrechte bzw. der von den Klägern vorgeschlagenen Vertragsverlängerung beraten zu lassen. Damit hätten sie sogar eingestanden, dass die Erstbeklagte die umstrittenen Kaufsrechte gekannt habe.
 
Tatsächlich hat das Kantonsgericht übersehen, dass die Beklagten das Wissen der Erstbeklagten um die Kaufsrechte in ihren kantonalen Eingaben nicht bestritten, sondern implizit zugestanden haben. Es liegt damit insoweit ein offensichtliches Versehen im Sinne von Art. 63 Abs. 2OG vor, welches zu berichtigen ist. Weiter gilt es zu beachten, dass bei der allenfalls vorzunehmenden Beurteilung der Sittenwidrigkeit des Kaufs der umstrittenen Liegenschaften durch die Erstbeklagte zu prüfen ist, ob sie diesbezüglich mit dem Erstbeklagten kollusiv zusammengewirkt hat, um die Kläger um ihre Rechte zu bringen (vgl. BGE 114 II 329 E. 2a mit Hinweisen; Soergel/Huber, 12. Aufl. , N. 83 vor § 433 BGB).
 
5.- Nach dem Gesagten ist die Berufung teilweise gutzuheissen.
 
Da die Kläger mit ihrem Antrag auf Gutheissung der Klage nicht durchgedrungen sind und der endgültige Ausgang des Verfahrens noch ungewiss ist, rechtfertigt es sich, die Gerichtskosten den Klägern und den Beklagten, welche unter sich solidarisch haften (Art. 156 Abs. 7 OG), je zur Hälfte aufzuerlegen und die Parteientschädigungen wettzuschlagen (Art. 56 Abs. 3 und Art. 159 Abs. 3 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.- Die Berufung wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden (Zivilkammer) vom 7. März 2000 wird aufgehoben und die Streitsache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 8'000.-- wird den Klägern und den Beklagten je zur Hälfte auferlegt.
 
3.- Die Parteikosten für das bundesgerichtliche Verfahren werden wettgeschlagen.
 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden (Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt.
 
______________
 
Lausanne, 1. Mai 2001
 
Im Namen der I. Zivilabteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident:
 
Der Gerichtsschreiber:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).