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Informationen zum Dokument  BGer K 190/2000  Materielle Begründung
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BGer K 190/2000 vom 25.05.2001
 
[AZA 7]
 
K 190/00 Vr
 
III. Kammer
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer;
 
Gerichtsschreiberin Kopp Käch
 
Urteil vom 25. Mai 2001
 
in Sachen
 
H.________, 1931, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Simon Ulrich, Spannerstrasse 8, 8500 Frauenfeld,
 
gegen
 
CSS Versicherung, Rösslimattstrasse 40, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin,
 
und
 
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Weinfelden
 
A.- Der 1931 geborene H.________ ist bei der CSS Versicherung kranken- und unfallversichert. Am 2. Juni 1994 ist er zu Boden gestürzt und hat sich dabei Zahnschäden zugezogen.
 
Nach Einreichung einer Kostenorientierung für die Behebung des Schadens über den Betrag von Fr. 8383. 85 unterbreitete die CSS Versicherung die Sache ihrem Vertrauenszahnarzt Dr. med. B.________, dessen Stellungnahme mit Ausnahme der persönlichen Bemerkungen der vertrauensärztliche Dienst dann jeweils übernommen und weitergeleitet hatte. Mit Verfügung vom 27. März 1996 sprach die CSS Versicherung H.________ eine Pauschalvergütung in der Höhe von Fr. 2050.- zu. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 4. Oktober 1996 ab. H.________ beantragte daraufhin beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau die vollumfängliche Übernahme der Kosten der unfallbedingten Zahnbehandlung im Betrag von Fr. 8383. 85. Das kantonale Gericht hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 28. Mai 1997 in dem Sinne gut, als es die Angelegenheit zu weiteren zahnärztlichen Abklärungen durch einen Vertrauenszahnarzt an die CSS Versicherung zurückwies.
 
Nach Einforderung der Röntgenbilder beim Zahnarzt des Versicherten, Dr. med. S.________, liess die CSS Versicherung H.________ am 17. September 1997 bei ihrem Vertrauenszahnarzt Dr. med. B.________ untersuchen. Am 18. September 1997 unterzog sich der Versicherte einer Operation bei Dr. med. S.________. Er forderte von der Versicherung neben der Erstattung der Behandlungskosten von Fr. 12'394. 35 zusätzlich die Übernahme der Computertomographie, der Bahnkosten, der Medikamente usw. , insgesamt den Betrag von Fr. 12'994. 80. Nach vorangegangener Korrespondenz teilte die CSS Versicherung H.________ am 4. Januar 1999 mit, sie übernehme Fr. 2300.- für die Zahnbehandlung sowie Fr. 55.- für die Fahrtkosten nach X.________. Die entsprechenden Zahlungen erfolgten am 7. und 26. Januar 1999. Am 5. Februar 1999 bestätigte die Versicherung mit einsprachefähiger Verfügung den Betrag von Fr. 2300.- für sämtliche Leistungen aus der unfallbedingten Zahnbehandlung.
 
Mit Einspracheentscheid vom 28. Januar 2000 hielt sie an ihrem Standpunkt fest.
 
B.- H.________ liess gegen den Einspracheentscheid Beschwerde führen und beantragen, die CSS Versicherung sei zu verpflichten, ihm den Restbetrag von Fr. 10'639. 80 zu bezahlen, eventuell sei die Versicherung anzuweisen, ihm das Akteneinsichtsrecht zu gewähren, ihn durch einen Vertrauenszahnarzt untersuchen zu lassen und gestützt darauf eine neue Verfügung zu erlassen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau hat die Beschwerde mit Entscheid vom 23. August 2000 abgewiesen.
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt H.________ die im vorinstanzlichen Verfahren gestellten Anträge erneuern.
 
Die CSS Versicherung schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
 
Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen die Auffassung der Vorinstanz und der CSS Versicherung, wonach die im Rahmen der Verfügung liegende Behebung des Zahnschadens mittels Totalprothese zweckmässig sowie wirksam sei und sich am ehesten mit dem Zustand des Gebisses vor dem Unfall vergleichen lasse. Vielmehr sei die durchgeführte Implantation die erforderliche und wirtschaftliche Behandlung.
 
Ins Gewicht falle dabei, dass Dr. med. S.________ bereits in seinem Schreiben vom 14. Dezember 1995 darauf hingewiesen habe, der Beschwerdeführer leide unter erhöhtem Brechreiz, weshalb die Akzeptanz einer voll extendierten Basisplatte einer Totalprothese nicht ohne weiteres gesichert sei. Des Weiteren macht er eine Verletzung von Art. 57 KVG geltend, da der in Erscheinung tretende Vertrauensarzt der CSS nicht über das zahnmedizinische Fachwissen verfügt habe, der im Hintergrund beigezogene Zahnarzt indessen nicht in der Eigenschaft als Vertrauenszahnarzt gehandelt habe.
 
2.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau als Versicherungsgericht hatte in dieser Angelegenheit am 28. Mai 1997 einen Rückweisungsentscheid gefällt. Damals wurde kurz erörtert, ob der Streitpunkt nach altem oder neuem Recht zu beurteilen sei. Das kantonale Gericht hatte dann neues Recht angewendet (Erw. 1c und 2a). Im nunmehr angefochtenen Entscheid wird ohne weiteres von der Anwendung neuen Rechts ausgegangen. Dagegen werden von keiner Seite Einwendungen erhoben. Dieser Frage ist nicht weiter nachzugehen, zumal sich die entscheidende Rechtslage, wonach die Behandlung wirtschaftlich sein muss, nach altem und neuem Recht in gleicher Weise stellt.
 
3.- Was zunächst die Kritik bezüglich Vertrauensarzt bzw. Vertrauenszahnarzt anbelangt, ist einzuräumen, dass der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin wohl seit dem
 
1. Dezember 1990 in der Person des Dr. med. B.________ einen beratenden Zahnarzt hatte und ihn in diesem Verfahren auch beigezogen hat, dessen Stellungnahmen jedoch stets in Berichte des Vertrauensarztes gekleidet und auch von diesem unterzeichnet worden sind, zu einer mangelhaften Transparenz geführt hat, welcher sogar die Vorinstanz erlegen ist.
 
So hat sie im ersterwähnten Verfahren die Sache an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen mit der Begründung, die Abklärung durch den Vertrauensarzt genüge nicht, vielmehr bedürfe es der Abklärung durch einen Vertrauenszahnarzt.
 
Die vorgenommenen Abklärungen stammten indessen von einem Zahnarzt in dieser Funktion, allerdings nur aufgrund der Akten, nicht gestützt auf eine persönliche Untersuchung.
 
Die fehlende Transparenz hat auch dazu geführt, dass der Versicherte, der in der Folge zu einer persönlichen Untersuchung nach X.________ zu Dr. med. B.________ aufgefordert wurde, wohl angenommen hat, er werde von einem bisher nicht beteiligten, neu an die Sache herangehenden Zahnarzt untersucht.
 
Dieses Vorgehen der Beschwerdegegnerin war in der Tat sehr ungeschickt. Dennoch ist der Vorinstanz darin beizupflichten, dass diese Umstände die Berichte des Dr.
 
med. B.________ nicht unbrauchbar machen, zumal die Zulassungsvoraussetzungen als Vertrauenszahnarzt erfüllt sind und den Akten keinerlei Anhaltspunkte für mangelnde Unabhängigkeit oder Unvoreingenommenheit zu entnehmen sind (vgl. BGE 122 V 161 Erw. 1c mit Hinweisen; SVR 1999 KV Nr. 22 S. 51 Erw. 3b).
 
4.- Hinsichtlich der Frage der Wirtschaftlichkeit der Behandlung ist den überzeugenden Ausführungen der Vorinstanz beizupflichten. Der Beschwerdeführer bringt dagegen einzig vor, sein Zahnarzt Dr. med. S.________ habe im Zusammenhang mit der Frage Totalprothese oder Implantation bereits mit Schreiben vom 14. Dezember 1995 darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer einen erhöhten Brechreiz habe. Der entsprechende Abschnitt dieses Schreibens lautet indessen wie folgt:
 
"Ich darf darauf hinweisen, dass dem Zahnarzt
 
nicht immer nur optimal verteilte erstklassige
 
Ankerzähne zur Verfügung stehen, trotzdem leisten
 
auch solche 'Kompromissarbeiten' mittel- oder gar
 
langfristig sehr gute Dienste. Insbesondere bei
 
Patienten mit erhöhtem Brechreiz ist die Akzeptanz
 
einer voll extendierten Basisplatte einer
 
Totalprothese nicht ohne weiteres gesichert.. "
 
Die Ausdrucksweise im zweiten Satz ist nicht eindeutig.
 
Die Aussage kann wohl allgemein in dem Sinne zutreffen, dass bei Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Brechreiz nicht ohne weiteres die Akzeptanz für eine Basisplatte gesichert ist. Ob aber der Beschwerdeführer ein solcher Patient ist, geht nicht hinlänglich klar daraus hervor.
 
Sicher kann keine Rede davon sein, dass rechtlich mit dem im Sozialversicherungsrecht erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, der Beschwerdeführer leide tatsächlich an einem erhöhten Brechreiz. Für diese Annahme fehlt denn auch jegliche Begründung.
 
Zudem ist die Aussage an sich, die Akzeptanz sei nicht ohne weiteres gesichert, zu vage, als dass das Gericht davon auszugehen hätte, dem Beschwerdeführer könne das Tragen einer Totalprothese nicht zugemutet werden. Von einer Rückweisung zur näheren Prüfung dieser Frage ist abzusehen, da sich aus den Akten keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen solchen Patienten mit erhöhtem Brechreiz handelt. Das entsprechende Schreiben des Dr. med. S.________ datiert vom 14. Dezember 1995. Bereits im Einspracheentscheid vom 4. Oktober 1996 hat die Beschwerdegegnerin die Übernahme der Kosten einer Totalprothese akzeptiert. In seiner Beschwerde an die Vorinstanz vom 4. November 1996 hat der Versicherte mit keinem Wort erwähnt, dass bei ihm diese Lösung wegen erhöhtem Brechreiz nicht angebracht sei, sondern die Berufung der CSS Versicherung bezüglich Totalprothese statt Implantat auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit als Affront und als willkürlich bezeichnet. Wäre indessen ein erhöhter Brechreiz effektiv Thema zwischen dem behandelnden Zahnarzt und dem Beschwerdeführer gewesen, wäre die Beschwerde mit Sicherheit in erster Linie damit begründet gewesen.
 
5.- Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Einspracheentscheid der CSS Versicherung vom 28. Januar 2000 und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 23. August 2000 im Ergebnis nicht zu beanstanden sind.
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
 
Luzern, 25. Mai 2001
 
Im Namen des
 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident Die Gerichts- der III. Kammer: schreiberin:
 
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