VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 1P.324/2001  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 1P.324/2001 vom 30.05.2001
 
[AZA 0/2]
 
1P.324/2001/boh
 
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
 
**********************************
 
30. Mai 2001
 
Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
 
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
 
Nay, Bundesrichter Féraud und Gerichtsschreiberin Gerber.
 
---------
 
In Sachen
 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech Konrad Jeker, Postfach 525, Solothurn,
 
gegen
 
Untersuchungsrichteramt des Kantons Solothurn, Wirtschaftsdelikte, Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer,
 
betreffend
 
Art. 29 und 31 BV, Art. 5 Ziff. 1, 3 und 4 EMRK
 
(Haftentlassung), hat sich ergeben:
 
A.- Das Untersuchungsrichteramt des Kantons Solothurn führt gegen X.________ eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts auf Betrug und Veruntreuung in vielen Fällen. Nachdem sich X.________ bereits vom 19. Oktober bis 23. Dezember 1998 in Untersuchungshaft befunden hatte, wurde er am 21. September 2000 zum zweiten Mal verhaftet, weil er sich erneut des Betruges in mehreren Fällen sowie der Veruntreuung verdächtig gemacht hatte. Das Obergericht verlängerte in der Folge die Untersuchungshaft mehrmals, zuletzt mit Beschluss vom 31. Januar 2001 bis 30. April 2001. Es nahm zunächst Kollusionsgefahr und anschliessend Wiederholungsgefahr an. Das Bundesgericht hiess am 14. Dezember 2000 eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs gut (1P. 730/2000), wies aber das Gesuch um Entlassung aus der Untersuchungshaft ab. Am 28. Februar 2001 wies das Bundesgericht eine weitere staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag auf Haftentlassung ab (1P. 98 und 99/2001).
 
B.- Am 5. April 2001 erhob X.________ erneut Haftbeschwerde und beantragte die Entlassung aus der Untersuchungshaft.
 
Der Untersuchungsrichter beantragte in seiner Vernehmlassung vom 23. April 2001 die Abweisung der Haftbeschwerde und ersuchte gleichentags um die Verlängerung der Haft wegen Fortsetzungsgefahr bis zehn Tage nach Abschluss der Voruntersuchung, spätestens jedoch bis 31. Juli 2001. In seiner Stellungnahme vom 26. April 2001 beantragte X.________, er sei vor dem Haftverlängerungsentscheid persönlich anzuhören, weil er bisher noch nie einem den Anforderungen von Art. 5 Ziff. 3 EMRK genügenden Richter vorgeführt worden sei.
 
C.- Am 30. April 2001 wies das Obergericht des Kantons Solothurn die Haftbeschwerde ab, soweit darauf eingetreten werden könne, und bewilligte die Fortdauer der Haft bis 10 Tage nach Abschluss der Voruntersuchung, einstweilen bis
 
29. Juni 2001. Es erwog, die vom Untersuchungsrichter beantragte Haftverlängerung bis Ende Juli 2001 sei zu weitgehend, da die gesamte Dauer der Haft dann mehr als ein Jahr betragen und in den Bereich der zu erwartenden Strafe geraten würde. Eine persönliche Anhörung des Beschwerdeführers hielt das Obergericht nicht für erforderlich.
 
D.-Hiergegen erhob X.________ am 9. Mai 2001 staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht. Er beantragt, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die zuständige kantonale Behörde sei anzuweisen, ihn aus der Haft zu entlassen.
 
Ferner ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung.
 
Das Untersuchungsrichteramt nimmt zur Beschwerde Stellung, ohne einen ausdrücklichen Antrag zu stellen. Das Obergericht schliesst auf Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde.
 
In seiner Replik hält der Beschwerdeführer an seinen Anträgen fest.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.- Der Beschwerdeführer macht mit der vorliegenden Beschwerde nicht mehr geltend, es fehle an den Haftvoraussetzungen des dringenden Tatverdachts und der Fortsetzungsgefahr, sondern rügt die Verletzung von Verfahrensgarantien, namentlich die Verletzung des Beschleunigungsgebots und die fehlende richterliche Anhörung (Art. 5 Ziff. 3 EMRK), die Verletzung des Grundsatzes der Waffengleichheit (Art. 5 Ziff. 4 und Art. 6 Ziff. 1 EMRK) sowie Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV). Diese auf die Bundesverfassung und die EMRK gestützten Rügen prüft das Bundesgericht frei. Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Instanz willkürlich sind (BGE 123 I 268 E. 2d).
 
2.- Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Beschleunigungsgebots, weil das Verfahren nicht mit der gebotenen Raschheit vorangetrieben worden sei.
 
a) Gemäss Art. 5 Ziff. 3 EMRK hat die inhaftierte Person Anspruch darauf, innerhalb einer angemessenen Frist abgeurteilt oder während des Verfahrens aus der Haft entlassen zu werden. Eine übermässige Haftdauer liegt zum einen vor, wenn die Haftfrist in grosse Nähe der konkret zu erwartenden Strafe rückt oder gar die mutmassliche Dauer der zu erwartenden Freiheitsstrafe übersteigt. Zum anderen kann die Untersuchungshaft die zulässige Dauer auch dann überschreiten, wenn das Untersuchungsverfahren - wie der Beschwerdeführer geltend macht - nicht genügend vorangetrieben wird.
 
Dies ist aufgrund der konkreten Verhältnisse des einzelnen Falles zu beurteilen, auch unter Berücksichtigung der Komplexität der Sache und des Verhaltens des Inhaftierten. Die von den Justizbehörden geleistete Arbeit ist grundsätzlich einer Gesamtwürdigung zu unterziehen: Zeiten, in denen das Verfahren stillsteht, sind unumgänglich und solange keine einzelne solche Zeitspanne stossend wirkt, greift die Gesamtbetrachtung.
 
Perioden intensiver Aktivität können somit den Umstand ausgleichen, dass das betreffende Dossier wegen anderer Fälle zeitweise auf die Seite gelegt wurde (BGE 124 I 139 E. 2c S. 142).
 
b) Diese Gesamtbetrachtung kann in der Regel erst der Sachrichter vornehmen, der das gesamte Untersuchungs- und Strafverfahren überblickt. Er ist verpflichtet, eine allfällige Konventionsverletzung festzustellen und die sich daraus ergebenen Konsequenzen zu ziehen (z.B. Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Strafe, Berücksichtigung bei der Strafzumessung oder Einstellung des Verfahrens). Im Haftprüfungsverfahren ist die Rüge, das Strafverfahren werde nicht mit der verfassungs- und konventionsrechtlich gebotenen Beschleunigung geführt, nur soweit von Bedeutung, als die Verfahrensverzögerung geeignet ist, die Rechtmässigkeit der Untersuchungshaft in Frage zu stellen und zu einer Haftentlassung zu führen. Dies ist nur der Fall, wenn die Verzögerung besonders schwer wiegt und von den Strafverfolgungsbehörden auch bei einer besonders beförderlichen Weiterführung des Verfahrens nicht mehr ausgeglichen werden kann bzw. die Strafverfolgungsbehörden erkennen lassen, dass sie nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, das Verfahren nunmehr mit der für Haftfälle gebotenen Beschleunigung voranzutreiben und zum Abschluss zu bringen. Ist die gerügte Verzögerung des Verfahrens weniger gravierend, kann offen bleiben, ob eine Verletzung des Beschleunigungsgebots vorliegt. Es genügt diesfalls, die zuständige Behörde zur besonders beförderlichen Weiterführung des Verfahrens anzuhalten und die Haft gegebenenfalls allein unter der Bedingung der Einhaltung bestimmter Fristen zu bestätigen (unveröffentlichter Entscheid i.S. B. vom 21. Dezember 2000 E. 3c).
 
c) Im vorliegenden Fall betrifft das Untersuchungsverfahren einen "alten" und einen "neuen" Teil. Hinsichtlich des alten Teils - der nach Angaben des Untersuchungsrichteramtes 80 Geschädigte bei einer mutmasslichen Deliktssumme von Fr. 900'000.-- umfasst - läuft bereits seit 1986 ein Ermittlungsverfahren, das vom 19. Oktober bis 23. Dezember 1998 zur ersten Inhaftierung des Beschwerdeführers führte.
 
Der "neue" Teil betrifft die Strafvorwürfe, die seit der Strafanzeige vom 8. September 2000 bekannt geworden sind und zur erneuten Verhaftung des Beschwerdeführers am 21. September 2000 geführt haben. Der Beschwerdeführer macht in beiden Verfahrensteilen eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes geltend.
 
d) Das Obergericht ging in seinem Entscheid davon aus, dass für die beförderliche Behandlung des Verfahrens nur der neue Verfahrensteil massgeblich sei, da der Beschwerdeführer nur deswegen nochmals inhaftiert worden sei; ihm sei deshalb auch keine erneute Einsicht in die Akten des alten Verfahrens zu geben.
 
Diese Auffassung erscheint problematisch: Das Ermittlungsverfahren - das am 15. September 2000 aufgrund der neuen Strafuntersuchung ausgedehnt wurde - umfasst beide Verfahrensteile; hinsichtlich beider Verfahrensteile soll nach Auskunft des Untersuchungsrichteramtes demnächst das Voruntersuchungsverfahren formell eröffnet werden. Der im Dispositiv des Haftverlängerungsentscheids erwähnte Abschluss der Voruntersuchung kann somit erst erfolgen, wenn die Untersuchung hinsichtlich beider Verfahrensteile beendet ist.
 
Die Frage kann aber offen bleiben, wenn es schon im neuen Verfahrensteil zu einer Verletzung des Beschleunigungsgebots gekommen ist, welche die Haftentlassung des Beschwerdeführers rechtfertigt.
 
e) Im September 2000 wurde aufgrund einer neuen Strafanzeige das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer ausgedehnt, Haftbefehl erlassen und eine Hausdurchsuchung beim Beschwerdeführer durchgeführt. Die Kantonspolizei wurde beauftragt, den Sachverhalt der neuen Anzeige abzuklären und, gestützt auf den eingeholten Betreibungsregisterauszug, allfällige weitere Geschädigte zu suchen. Daraufhin führte die Kantonspolizei Ermittlungen durch, befragte mutmasslich Geschädigte, erstellte zahlreiche Strafanzeigen und befragte den Beschwerdeführer zu den neuen Vorwürfen.
 
Der Untersuchungsrichter ordnete am 28. September 2000 eine zusätzliche Hausdurchsuchung an; im Oktober 2000 und Januar 2001 veranlasste er die rückwirkende Identifizierung von Teilnehmern an Telefonaten des Beschwerdeführers. Ansonsten betreffen die Eintragungen im Journal des Untersuchungsrichters im Wesentlichen Verfahrensfragen (Vernehmlassungen zu Haftbeschwerden, Akteneinsichtsgesuchen, Besuchsrecht, Entlassung des amtlichen Verteidigers des Beschwerdeführers usw.) und bestätigen den Eingang von Berichten und Einvernahmekopien der Kantonspolizei. Die letzten Einträge des Journals vom 22. Januar und vom 2. Februar 2001 betreffen Anträge auf Haftverlängerung. Am 25. April 2001 traf der polizeiliche Schlussbericht beim Untersuchungsrichteramt ein. Aus der Vernehmlassung des Untersuchungsrichteramts ergibt sich, dass ein juristischer Mitarbeiter seit März 2001 mit dem Fall beschäftigt ist, vorerst allerdings mit dem alten Verfahrensteil, für den im Juni 2001 zahlreiche Konfrontationseinvernahmen geplant sind. Zum neuen Verfahrensteil lässt sich der Vernehmlassung des Untersuchungsrichteramts nur entnehmen, dass die Eröffnungsverfügung in Bearbeitung ist; dagegen fehlen Hinweise auf bevorstehende untersuchungsrichterliche Einvernahmen oder andere Zusatzermittlungen.
 
Aus dem Gesagten geht hervor, dass sich das Untersuchungsrichteramt hinsichtlich des neuen Verfahrensteils bisher damit begnügt hat, der Kantonspolizei Ermittlungsaufträge zu geben, deren Ermittlungen aber noch nicht ausgewertet hat und noch keine eigenen ergänzenden Untersuchungsmassnahmen durchgeführt hat. Solche Massnahmen sind auch in naher Zukunft nicht geplant. Die Voruntersuchung wurde bisher noch nicht eröffnet.
 
f) Bei dieser Sachlage liegt eine schwerwiegende Verletzung des Beschleunigungsgebots vor: In umfangreichen Fällen wie dem vorliegenden, mit einer Vielzahl von Tatvorwürfen und mutmasslich Geschädigten, darf die Untersuchungsbehörde nicht bis zum vollständigen Abschluss der polizeilichen Ermittlungen, einschliesslich aufwendiger Recherchen nach weiteren Geschädigten, untätig bleiben, um erst dann die Ermittlungsakten auszuwerten und allfällige untersuchungsrichterliche Einvernahmen, Konfrontationseinvernahmen, ergänzende Ermittlungen usw. anzuordnen. Befindet sich der Angeschuldigte in Untersuchungshaft, muss das Untersuchungsverfahren vielmehr beschleunigt zum Abschluss gebracht werden, indem der Untersuchungsrichter die polizeilichen Ermittlungen mitverfolgt und seinerseits die je nach dem Ermittlungsstand möglichen und nötigen Massnahmen durchführt.
 
Zwar ist anzuerkennen, dass ein gewichtiger Teil der Vorwürfe gegen den Beschwerdeführer betreffend fiktive Anlagegeschäfte erst im Dezember 2000/Januar 2001 bekannt wurde: Am 3. Januar 2001 informierten die Sachbearbeiter der Kantonspolizei den Untersuchungsrichter über betrügerische "Investmentgeschäfte" des Beschwerdeführers; diese Geschäfte waren auch Gegenstand eines polizeilichen Berichts vom 18. Januar 2001. Ende Januar 2001 hatte die Kantonspolizei jedoch die Mehrzahl der mutmasslich Geschädigten sowie den Beschwerdeführer zu den neuen Vorwürfen einvernommen und Strafanzeigen erstattet. Zumindest ab Februar 2001 hätte somit der Untersuchungsrichter auch diese neuen Fälle bearbeiten können und müssen; statt dessen begnügte er sich damit, Randdatenerhebungen zur Ermittlung allfällig weiterer Geschädigter anzuordnen. Das Untersuchungsrichteramt bringt selbst nicht vor, es sei wegen unvorhersehbarer Arbeitsüberlastung durch andere wichtige und dringende Fälle verhindert gewesen.
 
Diese Untätigkeit des Untersuchungsrichteramtes hinsichtlich des neuen Verfahrensteils lässt sich auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, die Behörde sei durch die Bearbeitung des alten Verfahrensteils ausgelastet gewesen.
 
Zum einen hat das Untersuchungsrichteramt nach eigener Auskunft erst im März 2001 mit der Bearbeitung des alten Verfahrensteils begonnen; zum anderen hat der Beschwerdeführer Anspruch darauf, dass insbesondere der neue Verfahrensteil, der Anlass für seine erneute Inhaftierung war, vorrangig und beschleunigt bearbeitet wird. Wenn das Untersuchungsrichteramt den alten Verfahrensteil über ein Jahr lang (von Januar 1999 bis zum Eingang der neuen Strafanzeige am 8. September 2000) nicht bearbeitet hat und deshalb heute Untersuchungshandlungen nachholen muss, darf sich dies nicht zu Lasten des Beschwerdeführers im neuen Verfahrensteil auswirken.
 
g) Es ist nicht ersichtlich, dass die bisherigen Versäumnisse innert angemessener Frist durch eine besonders beförderliche Weiterführung des Verfahrens ausgeglichen werden könnten: Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die gesamte Dauer der Haft bald ein Jahr betragen wird. Das Obergericht hat die vom Untersuchungsrichter beantragte Verlängerung bis Ende Juli 2001 als zu weitgehend erachtet, weil die gesamte Haftdauer dann in den Bereich der zu erwartenden Strafe geraten würde. Es hat daher die Verlängerung der Haft nur bis zum 29. Juni 2001 bewilligt. Dann aber steht dem Untersuchungsrichteramt nur noch ein Monat für die Eröffnung und den Abschluss der Voruntersuchung hinsichtlich des alten und des neuen Verfahrensteils zur Verfügung. Es erscheint ausgeschlossen, dass das bisher Versäumte in dieser kurzen Frist nachgeholt werden könnte. Auch nach Einschätzung des Untersuchungsrichteramts ist frühestens Ende Juli 2001 mit dem Abschluss der Ermittlungen zu rechnen.
 
h) Damit ist die Beschwerde schon wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots gutzuheissen und die Freilassung des Beschwerdeführers anzuordnen. Die übrigen Rügen des Beschwerdeführers zum Haft- und Haftprüfungsverfahren brauchen somit nicht mehr geprüft zu werden.
 
3.- Zu prüfen ist somit nur noch die Rüge der Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV), weil das Obergericht auf den in der Stellungnahme des Beschwerdeführers zum Haftverlängerungsgesuch gestellten Antrag nicht eingetreten ist, der darauf zielt, Kopien betreffend das Aufsichtsbeschwerdeverfahren gegen Untersuchungsrichter A.________ aus den Haftakten zu entfernen. Das Obergericht begründete sein Nichteintreten damit, dass noch keine Verfügung des Untersuchungsrichters vorliege, mit der ein entsprechendes Gesuch abgewiesen worden wäre, und es somit an einem zulässigen Anfechtungsobjekt fehle.
 
a) Der Beschwerdeführer hält dies für überspitzt formalistisch: Erst im Zusammenhang mit dem Haftverlängerungsgesuch des Untersuchungsrichters habe er Einsicht in die Haftakten erhalten und feststellen können, das sich darin die erwähnten Kopien befinden. In der knappen Vernehmlassungsfrist von 3 Tagen sei es ihm unmöglich gewesen, zuerst beim Untersuchungsrichter eine entsprechende Verfügung zu verlangen, die er dann beim Obergericht hätte anfechten können. Ausserdem habe der Untersuchungsrichter, indem er die Urkunden zu den Akten nahm, bereits Fakten geschaffen, welche den Inhalt einer entsprechenden Verfügung vorweggenommen hätten. Der Inhalt einer entsprechenden Verfügung sei damit so klar, dass es als überspitzter Formalismus betrachtet werden müsse, wenn das Obergericht auf einer schriftlichen Verfügung als Anfechtungsobjekt bestehe.
 
b) Wie das Obergericht jedoch in seiner Vernehmlassung ausgeführt hat, setzt die Beschwerde an das Obergericht - mit Ausnahme der Beschwerde um Haftentlassung - einen Entscheid oder die Säumnis des Untersuchungsrichters voraus. In Bezug auf die Entfernung der umstrittenen Akten aus den Haftakten lag jedoch weder das eine noch das andere vor. Das Beharren auf einer Verfügung als Anfechtungsobjekt sollte dem Untersuchungsrichter Gelegenheit geben, sich zu dem neuen Antrag zu äussern und ihm gegebenenfalls stattzugeben, womit sich ein gerichtliches Verfahren erübrigt hätte. Die Vorgehensweise des Obergerichts stellte somit keinen leeren Formalismus dar, sondern diente einem berechtigten Zweck. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer dadurch ein Nachteil entstanden wäre: Das Obergericht hat in seinem Entscheid über die Haftbeschwerde bzw. die Haftverlängerung nicht auf die fraglichen Aktenkopien abgestellt und der Beschwerdeführer hat weiterhin die Möglichkeit, eine entsprechende Verfügung des Untersuchungsrichters zu erwirken und diese gegebenenfalls gerichtlich anzufechten.
 
4.- Die Rüge der Rechtsverweigerung erweist sich somit als unbegründet. Im Übrigen ist die Beschwerde gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Der Beschwerdeführer ist aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Kanton Solothurn den im Wesentlichen obsiegenden Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 OG); dem Kanton sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 2 OG). Da sich die Abweisung der Rechtsverweigerungsrüge kostenmässig nicht auswirkt, wird der Antrag auf Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege und der Verbeiständung gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.- In teilweiser Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde wird der Entscheid des Obergerichts des Kantons Solothurn (Strafkammer) vom 30. April 2001 aufgehoben, ausgenommen soweit auf die kantonale Beschwerde nicht eingetreten wurde. Der Beschwerdeführer ist unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
 
2.- Es werden keine Kosten erhoben.
 
3.- Der Kanton Solothurn hat den Beschwerdeführer mit Fr. 2'000.-- für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen.
 
4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie dem Untersuchungsrichteramt, Wirtschaftsdelikte, und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
______________
 
Lausanne, 30. Mai 2001
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).